Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz 21./22. August 2021 in Dortmund |
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Tagesordnungspunkt: | 8. Verschiedenes |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdeligiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 22.08.2021 |
Eingereicht: | 22.08.2021, 13:10 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Faire Bedingungen für kleine Unternehmen und Selbständige
Beschlusstext
Faire Bedingungen für kleine Unternehmen und Selbständige
Ausgangssituation
Im „Kleinen“ – im Handwerk, Handel, Dienstleistungsbereich oder in der
Landwirtschaft – liegt eine große Stärke der Wirtschaft in Deutschland. Rund 97%
aller Unternehmen waren 2018 Kleinunter-nehmen (KU < 50 Beschäftigte und/oder <
EUR 10 Mio. Umsatz), rund 88% sogar Kleinstunternehmen (<10 Beschäftigte
und/oder < EUR 2 Mio. Umsatz). 97% aller Unternehmen in Deutschland sind kleiner
Unternehmen (KU) und beschäftigen ca. 31% aller sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigten. Hier entsteht Innovation, Wettbewerb und Wandel. Das sichert uns
Vielfalt, Flexibilität, Unabhängigkeit, Machtverteilung und demokratische
Prozesse. Die Krisenfestigkeit der KU hat sich auch während der Finanzkrise in
2009 bewährt.
Doch kleine Unternehmen und Selbständige haben es in Deutschland oft schwer,
denn die Rahmenbedingungen sind nicht immer fair. Eine große Rolle spielt dabei,
dass ihre Interessen in politischen Entscheidungsprozessen häufig nicht
ausreichend berücksichtigt werden. Zu oft vertreten die Kammern eher die
Interessen von größeren Unternehmen und in Mittelstandsstrategien werden KU in
einen „Topf“ mit Unternehmen bis 499 Beschäftigen und 50 Mio. Umsatz geworfen
(KMU-Definition des IfM Bonn seit 01.01.2016). Dabei ist klar, dass die
Strategien, die für einen großes mittelständisches Unternehmen passgenau sind,
noch lange nicht für eine kleine Handwerks-Bäckerei oder eine*n
Kioskbetreiber*in angemessen sind. Erschwerend kommt hinzu, dass im Zuge der
Corona-Pandemie viele Kleinstunternehmen nun in ihrer Existenz bedroht sind.
Die Corona-Krise zeigt uns wie durch ein Brennglas die Probleme der
Kleinbetriebe und Selbständigen auf, die alle vorher schon existierten, von der
Politik aber nicht gesehen und angepackt wurden: Wenig soziale Absicherung für
die Unternehmer*innen, die Liquidität auf Kante genäht, eine überbordende
Bürokratie, wenig Zugang zu Kapital, das Schwinden von privaten Rücklagen, die
ins Unternehmen investiert wurden sowie eine übermächtige Konkurrenz durch die
großen Konzerne bspw. im Online-Handel, die von der Corona-Krise sogar massiv
profitieren konnten. Denn während manch großes Unternehmen wie Starbucks, IKEA
oder Amazon das Steueraufkommen kreativ gestalten können, tragen kleine
Unternehmen vor Ort die volle Steuerverantwortung. Dazu kommt ein hoher Mangel
an Fachkräften und Nachfolger*innen.
Auch bei den Corona-Hilfsgeldern wurden Kleinunternehmen und Selbstständige
abgehängt. Während sie verzweifelt versucht haben, dringend benötigte
Unterstützung anzufordern und lange Wartezeiten überbrücken mussten, haben
größere Unternehmen, die durchaus eine gute Auftragslage zu verzeichnen hatten,
mittels einzelner Kurzarbeitstage Hilfsgelder für sich beansprucht. Natürlich
sehen sich große Unternehmen in solch einer Ausnahmesituation auch ungewissen
Zeiten gegenüber, dennoch wird eine Regelung von der Rückzahlung dieser
Hilfsgelder benötigt, um zu vermeiden, dass Gewinnausschüttungen aus ebendiesem
Zeitraum anschließend an Unternehmer und Aktionären ausgezahlt werden, statt sie
zurück in die Corona-Hilfsfonds fließen zu lassen und so wiederum
Kleinunternehmen und Selbstständige zur Verfügung stehen können.
Die Corona-Pandemie machte uns auch noch einmal deutlich, wie wichtig eine
dezentrale Wirtschaftsstruktur mit regionalen Wertschöpfungsketten für den
Erhalt einer krisensicheren Nahversorgung und im Kampf gegen die Klimakrise ist
(short distance economy). So stieg die Nachfrage nach regionalen Lebensmitteln
in 2020 stark an. Doch viele Betriebe hatten wir schon vor der Corona-Pandemie
verloren. Seit 1989 haben in Deutschland (ähnl. NRW) rund die Hälfte aller
kleineren Nahversorgungsbetriebe (kleine Bauernhöfe, „Tante-Emma Läden“,
Handwerks-Bäckereien, Fleischereien, Mühlen, Gaststätten etc.) aufgegeben. Und
auch die Preissteigerungen auf vielen Immobilienmärkten gerade in den
Ballungsgebieten führt vermehrt bei Gewerbemieter*innen, etwa dem kleinen
inhaber*ingeführten Einzelhandel, dem Handwerksbetrieb und bei sozialen oder
kulturellen Einrichtungen, zu Verdrängungseffekten. War das Innenstadtsterben
durch Baumärkte und Lebensmitteleinzelhandelsketten am Stadtrand schon vor der
Corona-Krise ein großes Thema, so droht nun in vielen Kommunen eine weitere
Verödung und der Verlust wichtiger Kommunikationsorte.
Zielsetzung
Wir Grüne wollen die Vielfalt der Betriebe in der Wirtschaft sichern,
demokratische Wirtschaftsstrukturen fördern, dezentrale Strukturen und regionale
Wertschöpfungsketten stärken sowie lebendige Innenstädte erhalten. Für die
kleinen Betriebe und Selbständigen wollen wir faire Rahmenbedingungen schaffen,
fairen Wettbewerb und eine gute soziale Absicherung gewährleisten. Gründungen
und Unternehmensnachfolgen wollen wir erleichtern. Ziel ist es, eine Entlastung
von KU zu erreichen und Skalierungsnachteile stärker zu berücksichtigen. Hierfür
wollen wir eine Mittelstandsstrategie für KU – eine KU-Strategie –
implementieren:
KU-Strategie
- Krisen-Schutzkonzept für KU aufsetzen
- KU in politischen Prozessen angemessen beteiligen
- KU von übermäßiger Bürokratie befreien
- KU für regionale Nahversorgung fördern
- Faire Rahmenbedingungen international / national schaffen
- Liquidität erhalten / Kapitalausstattung verbessern
- Soziale Absicherung gewährleisten
1. Krisen-Schutzkonzept für KU aufsetzen
Von der Corona-Krise sind gerade kleine Unternehmen und Selbständige schwer
getroffen. Einnahmen brachen durch die Lockdown–Maßnahmen ein, teils durch die
direkten Vorgaben für Geschäftsschließungen oder auch indirekt, weil einfach die
Kunden fehlten. Dennoch laufen Gewerbemieten weiter. Auch eine mögliche Stundung
hilft den Betrieben nicht wirklich, sondern verschiebt das Problem nur. Während
einzelne große Unternehmen immer wieder mit viel Steuergeld gerettet werden
(z.B. Abwrackprämie, Rettungsgelder), setzen viele Kleinunternehmer*innen ihr
privates Vermögen und angesparte Renten ein, um Betrieb und Arbeitsplätze zu
erhalten.
- Krisen-Schutzkonzept: In einem Konzept muss in Eckwerten festgelegt
werden, unter welchen Bedingungen welches Unternehmen (Kategorie) vom
Staat wieviel Unterstützung erhält, wenn durch staatliches Handeln
Betriebe geschlossen werden müssen oder sie auf Grund von starken
Einschränkungen nicht mehr genug Einnahmen erzielen können. Dabei ist
sicherzustellen, dass Hilfsgelder unbürokratisch und zeitnah fließen. Ziel
ist es, dass KU stärker unterstützt werden im Vergleich zu
Großunternehmen, wie die Autoindustrie oder große Kaufhäuser. Im Falle der
Gewährung von Hilfsgeldern ist, bis zu einer vollständigen Rückzahlung,
eine Dividendensperre zu vereinbaren. Zudem müssen Rettungsgelder an
sozial-ökologische Transformationsprozesse geknüpft werden. Darüber hinaus
sind nicht benötigte Hilfsgelder zeitnah abzurechnen und zurückzuzahlen.
Solange die Arbeitslosenversicherung für die Selbständigen nicht frei
zugänglich ist, muss auch eine Art Kurzarbeitergeld als fiktiver
Unternehmer*innenlohn für Selbständige gezahlt werden. Dazu brauchen wir
eine klar definierte Risikoverteilung zwischen Vermieter *in und Mieter*in
bei staatlichen Schließungsanordnungen oder erheblichen Beschränkungen
z.B. in Form einer gesetzlichen Verpflichtung zur Aufteilung von
Mietverpflichtungen zwischen Mieter und Vermieter (vgl. Schweiz). Krisen-
Gewinner müssen solidarisch zur Finanzierung der Krisenkosten beitragen.
- Schnelle zweite Gründungschance schaffen: Je länger Wirtschaftskrisen
andauern, desto mehr KU und Selbständige werden ihren Betrieb aufgeben
müssen. Oft sind dann alle persönlichen finanziellen Reserven
aufgebraucht. Diesen Unternehmer*innen wollen wir mit einem
Gründungskapital von bis zu 25.000 Euro pro Kopf unter die Arme greifen
und neuen Mut zur Selbständigkeit machen. Das Gründungskapital soll im
Insolvenzverfahren genutzt werden können, um dem Unternehmen wieder auf
die Beine zu helfen. Voraussetzung ist, dass das Unternehmen nur durch die
Krise in Schwierigkeiten geraten ist.
- KU in politischen Prozessen angemessen beteiligen
Wesentliche Ursache für viele Schwierigkeiten von KUs und Selbständigen ist die
mangelnde Sichtbarkeit und Relevanz in politischen Entscheidungsprozessen.
- Runder Tisch KU / Beirat KU: Wir wollen, dass kleine Unternehmen und
Selbständige in den relevanten Entscheidungsgremien besser beteiligt
werden. Hierfür wollen wir einen Runden Tisch KU und einen Beirat der
Bundesregierung speziell für die Themen der kleineren Unternehmen und
Selbständigen einrichten. In Mittelstandsausschüssen (bspw.
Staatssekretärsausschuss Mittelstand) sollen sie gleichrangig zu großen
Unternehmen vertreten sein. In Gesetzgebungsprozessen sollen auch KU
verstärkt die Gelegenheit erhalten, Stellung zu beziehen.
- Kleine Unternehmen in den Kammern stärken: Wir brauchen eine Reform des
Kammerwesens, insbesondere der Industrie- und Handelskammern, denn sie
vertreten heutzutage vor allem finanzstarke große Betriebe. Wir wollen,
dass diese Institutionen in Zukunft einen echten Mehrwert für die KUs
bieten. Dazu sind intensive Gespräche über neue Konzepte notwendig. Wir
wollen, dass es in den Kammern/Verbänden spezielle KU-
Vertreter/Botschafter gibt. Die Repräsentation von KU in den Kammergremien
wollen wir erhöhen. Auch wollen wir prüfen, ob die Organisation von
Betriebshilfsdiensten ähnlich der Landwirtschaft möglich ist.
- KU-Check: Verordnungen und Erlasse wollen wir mit Blick auf KU auf
Verhältnismäßigkeit überprüfen. Bei Bedarf müssen pragmatische Lösungen
oder Bagatellgrenzen definiert werden oder es werden entsprechende Förder-
oder Unterstützungsprogramme aufgesetzt. Falls neue Anforderungen zwingend
umgesetzt werden müssen, die aber für KU unverhältnismäßig hohe Ausgaben
nach sich ziehen würden, muss es für sie auch entsprechende
Fördermaßnahmen geben (Bspw. für ein neues Kassensystem. Eine
Gegenfinanzierung könnte durch die Steuermehreinnahmen wegen
Betrugswegfall erfolgen.).
- KU von übermäßiger Bürokratie befreien
- Bürokratieentlastungskonzept / Task Force Bürokratie: Wir wollen den
Bürokratieaufwand für KU deutlich reduzieren, denn es kann nicht sein,
dass gut ausgebildete Fachkräfte gerade in KU ihre eigentliche Arbeit kaum
nachgehen können, weil tägliche Bürokratie sie an der produktiven Arbeit
hindert. Hierfür wollen wir eine Studie in Auftrag geben, die den
Bürokratiedschungel durchforstet. Es muss untersucht werden, für welche
Vorgaben Bagatellgrenzen eingeführt werden können, für welche
Vereinfachungen möglich sind, wann die Digitalisierung Erleichterung
schaffen kann und für welche Anforderungen Unterstützung notwendig sind.
Hierbei wollen wir die bestehenden Initiativen im Handwerk (z.B.
Initiative „Wirtschaftsmacht Handwerk – Werkbank statt Schreibtisch“,
„Rettet das Handwerk“) und in anderen Organisationen einbinden. Zu prüfen
ist, inwieweit das Ausmaß der Regulierung noch stärker an der
Unternehmensgröße orientiert werden kann, so dass insbesondere kleinere
Betriebe entlastet werden können.
- Regionale Runde Tische zum Bürokratieabbau: Wir wollen einen runden Tisch
mit Vertreter*innen aus der Praxis initiieren, um Möglichkeiten für
Bürokratieabbau mit den Praktikern vor Ort zu ermitteln.
Aufzeichnungspflichten aus dem Arbeitsschutz, Brandschutz und der
Lebensmittelinformationsverordnung stellen KU vor große Herausforderungen.
Unnötige Vorschriften gilt es zu vermeiden.
- Aufzeichnungspflichten minimieren: Wir wollen uns bei Vorschriften,
Dokumentations- und Aufzeichnungspflichten an Betriebsgrößen angepassten
Maßstäben orientieren. Hierfür bieten auch EU-Verordnungen oft Spielraum.
So macht es zum Beispiel vor allem für KU einen großen Unterschied, ob
bestimmte Aufzeichnungspflichten immer durchgeführt werden müssen oder nur
bei Abweichungen von der Norm. Auf Supermärkte gemünzte Vorschriften, wie
z.B. unterschiedliche Kennzeichnungspflichten, je nachdem, ob eine Ware
vorverpackt wurde oder nicht, sollten bei kleinen handwerklichen Betrieben
abgeschafft oder angepasst werden. Auch eine abgeschlossene, gut
verständliche und praxisnahe Zusammenstellung aller einzuhaltenden
Vorschriften würde KU helfen. Aufzeichnungspflichten müssen regelmäßig
überprüft werden. Zukünftig könnten vermehrt über
Technikeinsatz/Fotodokumentation etc. die bisherigen
Verfahrensdokumentationen entfallen (z.B. nach Inkrafttreten der
Kassensicherungsverordnung). Wir wollen, dass bei Betriebsprüfungen
verstärkt ein Fokus auf Sauberkeit und Hygiene anstatt auf die Einhaltung
von Dokumentationspflichten gelegt wird.
- Meldewesen vereinfachen: Statt vieler einzelner Gänge, z.B. bei der
Personalanstellung, wollen wir die Möglichkeit einführen, dass Nachweise
und Unterlagen, über welche die Behörden bereits verfügen, nicht erneut
verlangt werden können. Dafür soll eine freiwillige Möglichkeit der
automatischen Weitergabe von Daten zur Vermeidung von Doppelmeldungen
angeboten werden. Zudem wollen wir Statistikmeldepflichten terminlich an
andere Meldepflichten anpassen.
- Bundesweit einheitliche Bauvorschriften: Wir wollen den Dschungel an
Bauvorschriften lichten, der insbesondere KU häufig überfordert. Dafür
braucht es einen gemeinsamen Einsatz der Bundesregierung und der Länder
für bundesweit einheitliche Bauvorschriften, damit z. B. bei Brandschutz
und der Höhe von Treppengeländern überall die gleichen Vorschriften
gelten.
- Servicestellen Bürokratie: Wir fordern mehr Unterstützung für KU
insbesondere für Fragen der Förderung, Finanzierung und bei bürokratischen
Vorgängen. Über One-Stop-Shops / Dienstleistungszentren mit einer
Servicestelle Bürokratie wollen wir für alle kleinen Unternehmen und nicht
nur für Gründer eine Unterstützung sicherstellen sowie einen
Ansprechpartner für den Kontakt zur Verwaltung anbieten.
- KU für regionale Nahversorgung erhalten
- Nahversorgungs-KU fördern: Seit Jahrzehnten ist der
Lebensmitteleinzelhandel von einem Strukturwandel hin zu weniger und
größeren Geschäften gekennzeichnet. Gerade in kleineren Orten bestehen
daher Probleme, die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs in
fußläufiger Entfernung, das heißt die Nahversorgung, sicherzustellen. Wir
Grüne wollen ein Nahversorgungsförderprogramm für kleine
Nahversorgungsunternehmen auflegen, mit dem die Ansiedlung, die
Entwicklung und die Erhaltung von Kleinstunternehmen
(Lebensmitteleinzelhandel mit Grundsortiment / Bäcker / Fleischer)
gefördert werden kann. Dazu wollen wir die Einführung einer
Nahversorgungsprämie wie in Tirol prüfen. Wir wollen Neuansiedlungen von
KU der Grundversorgung in Dörfern und Mittelzentren über bspw.
multifunktionale auch genossenschaftliche „Dorfladenprogramme“ fördern und
dabei über erfolgreiche Modelle (z.B. Markttreffs in Schleswig-Holstein)
Kriterien für Folgeförderungen definieren. Auch ist zu prüfen, ob nicht
auch Bäckereien über weitere Funktionen der Nahversorgung (letzte Meile
Station, Post, Bank, o.ä.) wieder angesiedelt werden können. Dazu wollen
wir auch steuerliche Anreize prüfen, z.B. für eine Kategorie: Tante Emma
Läden/Dorfläden (bspw. bis qm Ladenfläche, etc.) oder für mobile
Nahversorgung. Dazu fordern wir einen rechtlichen Schutz von Begriffen wie
„Bäckerei“ und eine Art Handwerkssiegel. Wir wollen einen
ordnungsrechtlichen Rahmen schaffen, damit der Wildwuchs von
Lebensmitteleinzel-/Handelsunternehmen auf der grünen Wiese gestoppt wird.
- Digitale Transformation im stationären Handel sinnvoll unterstützen:
Gerade der inhaber*ingeführte Einzelhandel wurde von der Corona-Krise mit
am stärksten getroffen. Ein Sterben vieler kleiner Geschäfte deutet sich
an, dabei sind sie für lebendige Innenstädte existenziell, denn sie
leisten durch ihre individuelle Kundenbindung einen Beitrag zum guten
Leben in der Stadt. Digitalisierungsförderprogramme sind daher ein
wichtiger Baustein. Dabei wollen wir „Hilfe zur Selbsthilfe“ fördern und
auch die Verantwortung für die notwendige digitale Infrastruktur
übernehmen. Marktregeln werden wir so setzen, dass es für digitale und
analoge Geschäftsmodelle Chancengleichheit gibt. Wo es gute Erfahrungen
mit neuen Geschäftsmodellen gibt, können andere davon profitieren. So
wollen wir Grüne den inhaber*ingeführten stationären Einzelhandel
unterstützen.
- Programm regionale Wertschöpfung: Zur Stärkung der kleineren regional
agierenden Unternehmen wollen wir ein Programm „regionale Wertschöpfung“
aufsetzen. Neben sofort wirksamen Direktvermarktungs-Förderprogrammen
müssen regionale Versorgungsstrategien entwickelt werden, die regionale
Wertschöpfungsketten und Versorgungssysteme (regionale
Verarbeitungsstrukturen wie Mühlen, Molkereien, Küchen für die
Gemeinschaftsverpflegung aber auch mobile Schlachtungen, mobile Käsereien,
etc.) wieder in Funktion setzen. Eine gesunde regionale
Ernährungsstrategie insbesondere für Gemeinschaftskantinen (Schulen,
Kitas, etc.) ist dazu der erste Schritt. Zentral dabei ist der Aufbau
einer Organisationstruktur (Wertschöpfungszentren bspw. auf Bezirksebene;
Servicestellen Regionalität auf kommunaler Ebene). Regionalsiegel mit
Nachhaltigkeitskriterien und regionale Vermarktungskonzepte wie bspw.
Marktschwärmer*in wollen wir fördern. Dazu brauchen wir eine landesweite
und app-basierte Regio-Plattform. Auf EU-Ebene wollen wir uns für Regeln
einsetzen, die regionale Wertschöpfungsketten unterstützen. Lokale
Handwerker geraten heute unter Druck, da Kommunen gezwungen werden,
Handwerksleistungen ab einer bestimmten Auftragssumme EU-weit
auszuschreiben. Deshalb sollten Kommunen dazu angehalten werden, kleinere
Lose auszuschreiben. Vergabe von Aufträgen muss an
Nachhaltigkeitskriterien geknüpft werden.
- Bestehende Förderinstrumente ausbauen: Eine übersichtliche, zugängliche
und effektive Förderlandschaft ist notwendig, um regionale
Wirtschaftskreisläufe zu unterstützen. Hierfür sollten die bestehenden
Fördermöglichkeiten innerhalb der GRW (Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung
der regionalen Wirtschaftsstruktur") und der GAK (Gemeinschaftsaufgabe
Agrarstruktur und Küstenschutz) in einem Bundesprogramm „Regionale
Wertschöpfung“ gebündelt und erweitert werden. Um gerade kleinen und
Kleinstunternehmen den Zugang zu erleichtern, müssen Unterstützungs- und
Beratungsstrukturen ausgebaut und durch Förderscouts ergänzt werden.
- Handwerk / berufliche Bildung aufwerten: Das Handwerk ist überwiegend in
Kleinst- und Kleinbetrieben organisiert. Doch handwerkliche Kompetenzen
und Fähigkeiten gehen zunehmend verloren, die nur schwer wieder aufgebaut
werden können. Dabei macht uns die Klimakrise deutlich, dass nicht Masse
und Billig sondern Klasse, Nachhaltigkeit und Reparierbarkeit die
wichtigsten Produkteigenschaften für die Zukunft sind. Hier wird das
Handwerk für unsere regionalen Kreisläufe wieder an Bedeutung gewinnen.
Doch dem Handwerk fehlen zunehmend Auszubildende, auch weil eine
universitäre Ausbildung in der Gesellschaft eine höhere Anerkennung
erfährt. Deshalb wollen wir mehr Themen von Handwerk, Ausbildungsberufen
und Unternehmertum in die Bildungsarbeit der Schulen insbesondere der
Gymnasien integrieren. Durch Gleichstellung von betrieblicher und
akademischer Bildung sowie durch Angleichung der Rahmenbedingungen für
Azubis und Studenten (z.B. Sozialabgaben für Azubis angleichen zu
studentischen Praktika, Azubi-Bafög, Azubi-Ticket, Azubi-Wohnungen,
Erasmus für Azubis, etc.) wollen wir Ausbildung attraktiver machen. Das
duale Berufsausbildungssystem ist ein deutsches Erfolgsmodell mit
internationaler Anerkennung. Wir wollen dieses Ausbildungssystem deutlich
stärken. Kern ist hier die parallele Ausbildung in Betrieb und
Berufsschule. Beim "Lernen im Arbeitsprozess" spielen die Praktiker aus
den Unternehmen die Hauptrolle und übernehmen damit eine große soziale und
gesellschaftliche Verantwortung. Deshalb wollen wir uns dafür einsetzen,
dass die Ausbildungsleistung des Betriebes durch eine Art staatliche
Ausbildervergütung entsprechend dem gesellschaftlichen Wert dargestellt
wird. Möglich wäre das bspw. über einen staatlichen Ausbildungsfond, in
den alle Unternehmen einzahlen. Denn heute werden gut ausgebildete
Fachkräfte von der Industrie häufig abgeworben und profitieren so von der
quasi „kostenlosen“ Ausbildungsleistung des Betriebs. Die Selbstverwaltung
der betrieblichen Ausbildung ist wesentlich für die Qualität und wird
garantiert. Die Finanzierung überbetrieblicher Lehrgänge für Auszubildende
sollte staatlich gesichert sein. Wir wollen die Meisterausbildung dem
Bachelor gleichstellen und fordern, dass sie zukünftig analog nahezu
kostenlos ist. Damit Handwerksberufe wieder attraktiver werden, setzen wir
auf eine stärkere Tarifbindung und branchenspezifische Mindestvergütungen.
Die Handwerksbetriebe wollen wir bei der Gewinnung und Ausbildung von
Auszubildenden stärker unterstützen.
- Unternehmensgründung und -nachfolge erleichtern: Die Unternehmensnachfolge
ist neben der Digitalisierung und der Fachkräftesicherung derzeit wohl die
größte Herausforderung für KU. Viele Förderprogramme sind auf Gründungen
aber nicht auf Übernahmen ausgelegt. Hier braucht es neue Programme oder
eine breitere Auslegung der bestehenden Förderkriterien. Wir Grüne wollen
für Mitarbeitende frühe Beteiligungsmöglichkeiten sowie für eine
eventuelle spätere Unternehmensübernahmen spezielle Förderprogramme
entwickeln, die potenzielle Nachfolger*innen ähnlich wie Gründer*innen bei
der Unternehmensübernahme unterstützen. Neugründungen wollen wir
erleichtern, denn die Hürden sind mittlerweile so hoch, dass junge
Menschen immer mehr die zeitlichen und finanziellen Belastungen und
Risiken scheuen. Bei den flächendeckenden Anlaufstellen („One-Stop-Shops“)
für Gründungsberatung und -förderung soll auch immer die Nachfolge durch
Förderscouts kompetent beraten sowie die Vernetzung zwischen
Nachfolgesuchenden und Nachfolgewilligen gefördert werden.
- Faire Rahmenbedingungen international/national schaffen
- Faire Handelsabkommen: Wir wollen faire Handelsabkommen mit durchsetzbaren
Schutzstandards für die Umwelt, Klima und Arbeitnehmer*innen. KU sollten
nicht durch unfairen Handel im Wettbewerb verdrängt werden. Wir fordern
deshalb eine standardmäßige Risikofolgenabschätzung für den Mittelstand
insbesondere KU. Wir setzen uns für die Einführung eines deutschen und
perspektivisch eines europäischen Lieferkettengesetzes ein. Dabei müssen
praktikable Ausnahmen für KU geschaffen werden.
- Faire Rahmenbedingungen für die ökologische Transformation: Wir brauchen
eine tiefgreifende ökologische Transformation, mit fairen
Rahmenbedingungen, die KU nicht überproportional belasten. Anstatt die
Kosten der Energiewende fair zu verteilen, verteuert die Bundesregierung
seit Jahren, mit Ausnahmen für große, energieintensive Unternehmen, die
EEG-Umlage für die kleinen Unternehmen. Wir hingegen wollen, dass
nachweislich nur Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen,
Vergünstigungen erhalten. Gleichzeitig planen wir die Absenkung der
Stromsteuer im Rahmen einer fairen CO2-Bepreisung. Dies würde vor allem KU
helfen, die bisher nicht von Stromsteuer-Gutschriften profitieren. Wer
sich für die Energiewende engagiert und eigenen Strom erneuerbar erzeugt –
zum Beispiel über die Photovoltaikanlage auf dem Dach –, soll dafür keine
EEG-Umlage mehr zahlen müssen. Die kleinen Betriebe der Nahversorgung
wollen wir mit Fördermaßnahmen für energieeffiziente Anlagen unterstützen.
- Faire Bedingungen bei der digitalen Transformation: Die Digitalisierung
kann eine Chance für KU sein und Arbeitserleichterung sowie mehr Einkommen
schaffen. Doch nach Studien zählen zu den Digitalisierungsgewinnern vor
allem Großunternehmen. Wir wollen die kleineren Betriebe darin
unterstützen, sich mit innovativen digitalen / semidigitalen
Geschäftsmodellen eine Zukunft zu sichern. Wir wollen einen Rechtsrahmen
für digitale Plattformen schaffen, der einen fairen Zugang für alle
gewährleistet. Dafür muss die Marktmacht von Unternehmen wie Amazon,
Google und Co durch wirksame Regeln klar begrenzt werden. So dürfen
beispielsweise die Angebote kleiner Händler von Amazon nicht länger
gegenüber den eigenen Angeboten benachteiligt werden. Damit Geräte
verschiedener Anbieter miteinander funktionieren, setzen wir uns in allen
Sektoren für offene Standards ein. So können die Wechselkosten für KU
zwischen verschiedenen Anbieter*innen gesenkt und neues
Innovationspotential geschaffen werden.
- Faire Bedingungen im Bereich Kontrollen, Gebühren: Wir Grüne setzen uns
ein für faire Gebühren für kleine Betriebe. Das Prinzip der Kostendeckung
wollen wir aufheben und eine soziale Abfederung ermöglichen. Bei den
Schlachtgebühren bspw. zahlen kleine Betriebe mit wenig Schlachtungen
i.d.R. erheblich mehr je Tier als Große. Konkret fordern wir hier
mindestens einheitliche Schlachtgebühren für alle Betriebe. Genauso
fordern wir eine Reform bei den Kontrollgebühren in der Lebens- und die
Futtermittelwirtschaft gestaffelt nach Betriebsgröße und nicht nach Dauer
der Kontrolle. Kontrollgebühren sollten (z.B. analog Fahrzeugkontrollen)
nur bei Verstößen und nicht vollumfänglich pauschal fällig werden. Dazu
sollten sämtliche Kontrollen mehr Beratungsfunktion als eine bloße
Überwachungsfunktion übernehmen. Kontrollintervalle sollten
risikoorientiert angepasst werden. Problembetriebe könnten so häufiger
kontrolliert werden. Denn es ergibt wenig Sinn, einen unauffälligen
Betrieb, der vorbildliche Eigenkontrollen und Qualitätsmechanismen
besitzt, ständig wiederkehrend in kurzen Intervallen zu kontrollieren.
Eine einheitliche Auslegung von Richtlinien in Kreisen und Ländern ist zu
gewährleisten.
- Faire Bedingungen für Kleingewerbemieter*innen: Kleingewerbemieter*innen
müssen vor explosionsartigen Mietenanstieg und der Verdrängung aus den
Innenstädten geschützt werden. Nach aktueller Rechtslage wird angenommen,
dass Gewerbemieter*innen, anders als Mietende von Wohnraum, als
Marktteilnehmer*innen mit den Vermieter*innen „auf Augenhöhe“ agieren und
verhandeln können. Diese Annahme ist jedenfalls in angespannten
Gewerbemietmärkten, etwa in gentrifizierten Stadtgebieten, nicht mehr
zeitgemäß. Um dies zu ändern, wollen wir die Landesregierungen
ermächtigen, „Gebiete mit angespannten Gewerbemietmärkten“ nach
festgelegten Kriterien zu bestimmen. Für diese Gebiete erhalten
Kleingewerbemieter*innen Sonderrechte: Kündigungsschutz,
Verlängerungsansprüche, Mietpreisbremse. Daneben wollen wir Instrumente
schaffen, die dazu beitragen, die ortsübliche Vergleichsmiete auch mit
Blick auf Gewerbemieteinheiten bestimmen zu können. Den Neubau wollen wir
von der Anwendbarkeit der „Mietpreisbremse“ auch im Gewerbebereich
ausnehmen, sodass Investitionen in Neubau insoweit nicht behindert werden.
- Faire Bedingungen im Rechtstreit: Wir wollen, dass sich die Aufteilung der
Kosten des Verfahrens stärker an der Leistungsfähigkeit der Streitparteien
orientiert. Es darf nicht möglich sein, kleine Unternehmen durch die
Forderung unangemessen hoher Streitwerte oder immerwährenden
Verlängerungen des Verfahrens "auszuhungern".
- Ein faires Steuer- und Abgabensystem: Gemäß unseres Grundsatzprogrammes
muss ein Steuersystem, das wirtschaftliche Dynamik schaffen will, neue
Aktivitäten und Investitionen begünstigen sowie Vermögen und leistungslose
Einkommen gleichermaßen besteuern. Darüber hinaus soll die Besteuerung
progressiver werden. Unser heutiges Steuer- und Abgabensystem
benachteiligt KUs in unfairer Weise. Die Basis beruht zum Großteil auf dem
für KUs entscheidendem Faktor Arbeit, während "arbeitsfreie" Einkommen,
insbesondere Kapitaleinkommen, privilegiert werden. Darüber hinaus können
multinationale Konzerne ihre Gewinne steueroptimiert international
verlagern, jedoch müssen kleine Unternehmen ihren Steuerbeitrag vor Ort
entrichten. So zeigen Studien, dass Großkonzerne in Deutschland durch
Steuervermeidungsmodelle effektiv nur 20% statt der üblichen ca. 30% in
Deutschland versteuern. Außerdem ist unser Steuersystem außerordentlich
komplex und während sich Konzerne Steuerexperten zur Optimierung leisten
können, haben KUs hier einen erheblichen Skalierungsnachteil. Wir Grüne
setzen uns für eine nationale und globale Steuergerechtigkeit ein und
fordern, dass Digitalkonzerne entsprechend ihres Umsatzes im Land ihre
Steuern abführen müssen. Um dem Unterbietungswettbewerb einzelner Staaten
Einhalt zu gebieten, setzen wir uns für einen europäischen
Mindeststeuersatz ein. Steuerschlupflöcher müssen schnellstmöglich
geschlossen werden. Auch das Thema der Umsatzsteuergerechtigkeit im
Online-Handel muss endlich angegangen werden. Wir brauchen dringend eine
grundlegendere Reform im Steuer- und Abgabensystem in Deutschland,
konsequent progressivund mit einer deutlichen Verlagerung der Steuern und
Abgaben vom Faktor Arbeit auf "arbeitsfreie" Einkommen (z.B. Kapital und
Ressourcen).
- Vereinheitlichung und Vereinfachung von Regeln und Begriffen: Wir fordern
die Schaffung einheitlicher vereinfachter Bilanzierungsregeln unter
Beachtung des Konzepts der Wesentlichkeit analog zu den „IFRS for SME“
sowie eine Absenkung des Mindestgebührensatzes der Bilanz in der StBGebV
auf das Niveau des Satzes für die EÜR (Einnahme-Überschuss-Rechnung) um
den zeitlichen und monetären Aufwand für kleine Bilanzen auf den Aufwand
einer EÜR zu begrenzen. Durch die Schaffung einer Option hinsichtlich der
Anwendung eines einheitlichen vereinfachten Bilanzierungsrahmens inklusive
Berichtspflichten können größenklassenbedingte Wechsel von der EÜR zur
Bilanzierung weitgehend vermieden werden. Ebenfalls brauchen wir eine
gesetzesübergreifende Vereinheitlichung von Rechtsbegriffen und
Grenzwerten, z. B. Berechnung der Anzahl der Beschäftigten nach
Handelsrecht und Sozialversicherungsrecht, Festlegung der Größenklassen
von Unternehmen nach Handelsrecht und Umsatzsteuerrecht oder Grenzwerte
und Regeln für Geschenke, Sachbezüge für Arbeitnehmer, Bewirtungen und
Betriebsveranstaltungen. Gesetze sollen klar und verständlich formuliert
sein und nicht die häufig notwendige Einschaltung eines Rechtsanwaltes
oder Steuerberaters voraussetzen.
- Liquidität erhalten / Kapitalausstattung verbessern
Wir Grüne wollen eine spürbare Entlastung und Verbesserung der Liquidität von
kleinen Betrieben und Selbständigen erreichen. Dazu wollen wir steuerliche
Regelungen und Verwaltungsprozesse so ausgestalten, dass sie einfacher befolgt
werden können. Wir wollen wirksame Unterstützungsmaßnahmen aufsetzen, um
Kapitalaufzehrungen und Umsatzverluste aus Corona-Zeiten in den Betrieben jetzt
auffangen zu können und einen guten Neustart zu ermöglichen.
- Erhöhung Grundfreibetrag bei der Einkommenssteuer: Wir wollen kleine und
mittlere Einkommen durch eine Erhöhung des Grundfreibetrags bis auf die
Pfändungsfreigrenze entlasten sowie eine Verlängerung der Progression zur
Gegenfinanzierung.
- Erhöhung der Ist-Versteuerungsgrenze (Umsatzsteuer): Wir wollen eine
Vervierfachung der Ist-Versteuerungsgrenze auf 2 Mio. Euro umsetzen, so
dass Unternehmen mit weniger als 2 Mio. Euro Jahresumsatz die Umsatzsteuer
erst entrichten müssen, wenn ihr Kunde bezahlt hat. Wir wollen eine
Überprüfung des Konzeptes der Sollversteuerung insb. im Hinblick auf
übermäßige Liquiditätsbelastungen beim Wechsel von der Ist- zur
Sollversteuerung.
- Abschreibungen erleichtern: Wir wollen die Abschreibungsgrenze für
geringwertige Wirtschaftsgüter auf mindestens 1.000 Euro erhöhen und uns
für eine Sofortabschreibung für die Ausstattung von Büroarbeitsplätzen
sowie andere kurzlebige Wirtschaftsgüter auch nach der Corona-Krise
einsetzen.
- Betriebskostenpauschale: Bei Selbständigen von KU sind Betriebskosten oft
zu großen Teilen identisch mit ihren Lebenskosten, da sie ihren Beruf
„leben“. Dies gilt vor allem für Selbständige, die von zuhause arbeiten.
Eine Trennung von privaten und beruflich veranlassten Ausgaben ist oft
schwierig, was zu Problemen bei der steuerlichen Abgrenzung und zu einem
hohen Bürokratieaufwand führt. Wir plädieren daher für die Einführung
eines angemessenen Pauschbetrages für Selbständige für Betriebskosten
analog zur Werbungskostenpauschale für Arbeitnehmer. Doppelnutzen müssen
vermieden werden.
- Freibeträgen für KSt und GewSt: Eine deutliche Entlastung der KU kann
erzielt werden, indem steuerliche Freibeträge bei der Berechnung der KSt
und/oder GewSt eingeführt bzw. erhöht werden. Zur Vermeidung von
Gestaltungsmissbräuchen sind entsprechende Regelungen aufzunehmen, die
eine lediglich steuergetriebene Betriebsaufspaltung verhindern. Die Regeln
zur Organschaft sollen hier Anwendung finden.
- Ansparabschreibungen nach Unternehmensgrößen: Wir wollen die Regelungen
des § 7g EStG gestaffelt nach Unternehmensgrößen anpassen. Demnach würde
man kleinen Unternehmen mit einem Gewinn von bis zu 60.000 Euro einen 75 -
100 %igen Investitionsabzug ermöglichen, mit dem diese Unternehmen die
zukünftigen Anschaffungskosten bereits vor der eigentlichen Investition
gelten machen und die daraus freigewordene Liquidität zur Finanzierung der
Anschaffungen nutzen könnten.
- Abschaffung der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge: Wir wollen
die besonders stark von der Corona-Krise getroffenen kleinen Unternehmen
jetzt unterstützen, indem die Sozialbeiträge erst im Folgemonat und nicht
schon im laufenden Monat abgeführt werden müssen. So bekämen die KUs
gerade dann nochmal eine Liquiditätshilfe, wenn andere Rettungsmaßnahmen
auslaufen. Seit 2005 müssen Unternehmen ihre Sozialabgaben für die
Mitarbeitenden nicht mehr im Folgemonat, sondern im laufenden Monat
zahlen. Dies war als vorübergehende Liquiditätshilfe für die Sozialkassen
zulasten der Unternehmen gedacht. Die Maßnahme wurde nie zurückgenommen,
belastet die Liquidität der KU aber sehr. Darüber hinaus reduzieren wir
den organisatorischen Aufwand bei vielen Unternehmen, da für Mitarbeiter,
die kein festes Entgelt, sondern Überstunden, Zuschläge etc. ausgezahlt
bekommen, ein doppelter Aufwand vermieden wird. Aktuell müssen Unternehmer
zunächst die Sozialversicherungsbeiträge schätzen um dann im folgenden
Monat die Fehler der Schätzung zu korrigieren und mit der Schätzung des
aktuellen Monats zu verrechnen.
- Gründungs-/Nachfolgedarlehen: Zu oft scheitern Gründung und Übernahme
bestehender kleinerer Betriebe an fehlendem Eigenkapital. Wir Grüne wollen
Gründungen und Übernahmen erleichtern und fordern, dass der Bund / Land
einen wesentlichen Teil der nicht durch Sicherheiten abgedeckten
Kreditsumme verbürgt (Haftungsfreistellung). Ein entsprechendes
Wirtschaftlichkeitskonzept ist durch die lokale Hausbank zu prüfen. Um
Missbrauch vorzubeugen, dürfen Personen diese Kredite nur einmal
beantragen.
- Wir wollen alle Kosten für Forschung und Entwicklung in KMU mit einem
mindestens 15%igen steuerlichen Forschungsbonus unbürokratisch zu fördern;
- Zur Verbesserung der Kapitalausstattung von KUs wollen wir die
Gewinnthesaurierungsoptionen weiterentwickeln: Wir wollen das Eigenkapital
von Unternehmen allgemein und insbesondere für KU stärken. Eine gute
Eigenkapitalbasis macht Unternehmen krisenfester und ist eine wichtige
Basis zur Stärkung von Innovationen und Investitionen. Die
Thesaurierungsmöglichkeiten für Einzelunternehmen und
Personengesellschaften, d.h. die Steuerbegünstigung für nicht entnommene
Gewinne, wird aktuell von kleinen und mittleren Unternehmen kaum genutzt.
Dies liegt vor allem an der sogenannten Verwendungsreihenfolge „last in,
first out“, das heißt bereits vollversteuerte Gewinne können erst
entnommen werden, wenn alle thesaurierten Gewinne, die noch nachversteuert
werden müssen, aufgebraucht sind. Der Anreiz die
Thesaurierungsbegünstigung zu nutzen ist durch diesen „lock-in“ Effekt
jedoch gering. Wir wollen deshalb für KUs die Verwendungsreihenfolge mit
einer Begrenzung auf 100.000 Euro pro Jahr aussetzen. Dabei müssen
Regelungen vorgesehen werden, die eine missbräuchliche Nutzung dieser
Regelung verhindern und eine Mindestnachversteuerung gewährleisten. So
könnte bspw. die Pflicht zur unmittelbaren Nachversteuerung thesaurierter
Gewinne nach Paragraph 34a Absatz 4 EStG auf die Höhe der thesaurierten
Gewinne zuzüglich einer angemessenen Steuerrückstellung beschränkt werden.
So dass die Entnahmemöglichkeit für bereits vollversteuerte Gewinne nur um
die Steuerrückstellung für die thesaurierten Gewinne gemindert ist. Mit
diesen Maßnahmen machen wir das Instrument der Gewinnthesaurierung für KUs
nutzbar und fördern damit Innovationen und Investitionen für kleinere
Unternehmen.
- Soziale Absicherung gewährleisten
Vergleicht man die Steuer- und Abgabenanteile der drei Produktionsfaktoren
Arbeit, Kapital und Umwelt wird deutlich, dass der Anteil der Steuern und
Abgaben auf den Faktor Arbeit in den letzten Jahrzehnten am stärksten gestiegen
ist. Der Anteil von Steuern und Abgaben auf Einkünfte aus Kapital lag 2017 bei
13,2 %, demgegenüber lag der Anteil auf Einkünfte aus Arbeit bei 63,3%.
Aktuell liegen die gesetzlichen Sozialabgaben bei rund 39 Prozent. Die hohen
Sozialausgaben stellen eine große finanzielle Last für Selbständige mit geringem
Einkommen sowie für kleine personalintensive Unternehmen dar. Viele
Selbständige/Solo-Selbständige treffen keine oder eine nur unzureichende
Altersvorsorge. Die Gefahr der Altersarmut ist sehr groß. Frauen sind davon
überproportional betroffen. Und je größer der Anteil Arbeit an der Wertschöpfung
im Unternehmen ist, desto höher sind prozentual die Kosten zur SV
(Sozialversicherung) an den Stückkosten. Dies ist ein erheblicher
Wettbewerbsnachteil im Vergleich zur kapitalintensiv produzierenden Industrie.
Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung: Wir Grüne wollen die soziale
Absicherung über die Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung in der
Kranken- und der Rentenversicherung für alle Selbständige gewährleisten. Indem
alle Bevölkerungsgruppen über alle Einkunftsarten in die Finanzierung einbezogen
werden, können wir die Belastungen fair und für alle tragfähig ausgestalten.
Weil wir den Faktor Kapital in die solidarische Finanzierung mit einbeziehen,
kann der Faktor Arbeit entlastet werden. Davon würden vor allem Selbständige mit
geringem Einkommen und kleinere personalintensive Unternehmen profitieren.
Ebenso würden die geringer verdienenden Mitarbeitenden entlastet. Die
Mindestbeitragsbemessungsgrenze für Selbständige wollen wir weiter absenken,
damit kleinere Einkommen nicht überproportional belastet werden.
Weiterentwicklung der Arbeitslosenversicherung: Die Arbeitslosenversicherung
(AV) soll allen Selbständigen offenstehen sowie bezahlbar und flexibel
ausgestaltet werden. Heute können sich Selbständige in der AV nur freiwillig
versichern, wenn sie innerhalb der letzten 24 Monate 12 Monate pflichtversichert
waren. Im ersten Schritt fordern wir eine Arbeitslosenversicherung für
Selbständige unabhängig davon, ob sie vorher pflichtversichert waren oder nicht.
Wahltarife sollen dabei mehr Flexibilität für Selbständige ermöglichen. Künftig
sollte es Selbständigen deshalb möglich sein, Beiträge anhand der halben
Bezugsgröße zu zahlen. Im Falle der Arbeitslosigkeit haben sie Anspruch auf
Arbeitslosengeld entsprechend ihrer gezahlten Beiträge. Entscheiden sie sich,
die vollen Beiträge zu zahlen, haben sie Anspruch auf ein entsprechend höheres
Arbeitslosengeld. Dabei sollen die besonderen Bedingungen des jeweiligen
Berufsbildes und der gestaffelten Beiträge Auswirkungen sowohl auf den Anspruch
wie auch auf die Auszahlung der Ersatzleistungen haben. Ebenso bringt ein Zugang
zu anderen Leistungen der Arbeitsförderung insbesondere für Solo-Selbständige
eine höhere soziale Gleichheit. Langfristig sollte auch die
Arbeitslosenversicherung in das Konzept der solidarischen Bürgerversicherung
integriert werden.
Perspektivisch müssen im Rahmen einer steuerlichen Umschichtung die Faktoren
Energie- und Rohstoffverbrauch sowie Umweltbelastungen stärker in die
Finanzierung der gesamten Sozialversicherung einbezogen werden.