Sollte wirklich alle Strukturen umfassen.
Antrag zur Satzung : | Statut für eine vielfältige Partei |
---|---|
Antragsteller*in: | Nabiha Ghanem (KV Soest) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Übernahme |
Eingereicht: | 18.08.2021, 23:25 |
Antrag zur Satzung : | Statut für eine vielfältige Partei |
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Antragsteller*in: | Nabiha Ghanem (KV Soest) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Übernahme |
Eingereicht: | 18.08.2021, 23:25 |
Gruppen mindestens gemäß ihrem gesellschaftlichen Anteil auf der jeweiligen Ebene und bei der Besetzung von Ämtern, Gremien und Kandidaturen vonfür Mandaten ist unser Ziel.
I. Präambel
Die Vielfalt unserer Partei ist unsere Stärke. Wir teilen politische Macht und
verstehen uns als Bündnispartei, die auf der Grundlage gemeinsamer Überzeugungen
offen ist für unterschiedliche Erfahrungen, Vorstellungen und Ansätze. Unsere
Politik hat das Ziel, gemeinsam mit einer starken Zivilgesellschaft die
gleichberechtigte Teilhabe Aller zu erkämpfen und diskriminierende Strukturen zu
überwinden. Wir sind auf vielfältiges biographisches Erfahrungswissen und
vielfältige Perspektiven angewiesen, um als Partei umfassende Antworten auf
Fragen zu finden, die uns als gesamte Gesellschaft betreffen.
Am Beginn politischer Veränderung steht die Analyse der gesellschaftlichen
Verhältnisse. Nordrhein-Westfalen lebt seit Jahrzehnten von Einwanderung und
wird von Einwanderer*innen und ihren Nachkommen geprägt. Trotzdem sind
rassistische Ausgrenzung und Diskriminierung an der Tagesordnung und
gleichberechtigte politische und gesellschaftliche Teilhabe - etwa der
gleichberechtigte Zugang zu Bildung, Arbeit und anderen Aspekten des
Alltagslebens - steht weiter aus. Vieles hat sich in unserer Gesellschaft in den
letzten Jahren in gemeinsamer Initiative mit Akteur*innen aus der
Zivilgesellschaft und mit unserer Unterstützung zum Positiven verändert: bei der
Gleichstellung der Geschlechter, beim Staatsangehörigkeitsrecht, bei der Ehe für
alle oder bei der Inklusion. Doch trotz dieser unbestreitbaren Fortschritte sind
nach wie vor große gesellschaftliche Gruppen unterrepräsentiert, ist das
Bildungssystem noch immer nicht so, dass alle Kinder die gleichen Startchancen
haben, gibt es soziale Barrieren, fehlenden Zugang zu gesellschaftlicher
Teilhabe und Infrastruktur. Unser Leitbild ist die Gesellschaft der Vielen in
einer pluralen Demokratie. Pluralität anzuerkennen und zu leben, bedeutet nicht,
relativistisch gegenüber Haltungen und Positionierungen zu sein, die mit den
grünen Werten von Selbstbestimmung, Freiheit und Demokratie nicht in Einklang
stehen. Wir wollen, dass alle mit am Tisch sitzen und mit entscheiden. Dabei
wissen wir, dass die Anerkennung von Vielfalt mit herausfordernden
Aushandlungsprozessen verbunden ist, die wir auf Grundlage unserer Werte führen.
Diesem Selbstverständnis nach ist es unser Anspruch, dass bei uns alle Menschen,
die unsere Werte und Ziele teilen, die Möglichkeit haben, sich gleichberechtigt
einzubringen, ihre Interessen zu vertreten und ihre Themen zu repräsentieren –
ohne Barrieren, Hürden oder Vorurteile. Diese wollen wir in unseren
Parteistrukturen finden und einreißen. Dazu gehört auch, unsichtbare,
ausschließende Strukturen sichtbar zu machen. Wir wollen überwinden und den
Zugang zu gleichberechtigter politischer Teilhabe gewährleisten.
Unser Ziel ist Zusammenhalt in Vielfalt. Wir wollen, dass sich vielfältige
Perspektiven in unserer Partei abbilden. Die Repräsentation von gesellschaftlich
diskriminierten oder benachteiligten Gruppen mindestens gemäß ihrem
gesellschaftlichen Anteil auf der jeweiligen Ebene ist unser Ziel. Viele
Menschen sind jedoch aufgrund von gesellschaftlichen Verhältnissen strukturell
von Ungleichbehandlung betroffen.
Deswegen setzen wir es uns zur Aufgabe, unsere Strukturen so zu gestalten, dass
sie in Bezug auf Geschlecht, eine rassistische, antisemitische oder
antiziganistische Zuschreibung, die Religion und Weltanschauung, eine
Behinderung oder Erkrankung, das Lebensalter, die Sprache, die sexuelle
Orientierung oder geschlechtliche Identität, den sozialen oder Bildungsstatus
oder die Herkunft inklusiv und nicht-diskriminierend wirken.
Wir stellen uns Diskriminierung auch innerhalb unserer Partei entschlossen
entgegen. Durch kritische Selbstreflexion auf allen Ebenen wollen wir Wissen und
Bewusstsein über bestehende oder mögliche Diskriminierungsmechanismen – gerade
auch mehr-dimensional wirkende – in unserer Partei verankern und diese
Mechanismen abbauen. Diskriminierungsfälle innerhalb grüner Strukturen werden
wir aktiv bearbeiten und Betroffene vor Diskriminierung und Rassismus schützen.
Dafür sind wir auf die Erfahrungen und Expertise der Parteimitglieder, die
eigene Diskriminierungserfahrungen haben, angewiesen.
Wir etablieren und stärken innerhalb unserer Strukturen geschützte Räume, in
denen gerade Menschen mit Diskriminierungserfahrungen sich austauschen,
vernetzen und gegenseitig stärken können, und stellen dafür Ressourcen zur
Verfügung.
Politische Teilhabe darf nicht vom Einkommen, dem Bildungsabschluss oder der
Lebenssituation abhängen. Unsere Strukturen wollen wir so gestalten, dass sie
für alle verständlich, zugänglich und durchlässig sind.
Wir wollen dabei einen expliziten Fokus auf Menschen setzen, die Diskriminierung
aufgrund rassistischer Zuschreibung erfahren, da hier sowohl
gesamtgesellschaftlich als auch in unserer Partei besonderer Handlungsbedarf
besteht.
Durch solidarische Bündnisse unterstützen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW Vertretungen
diskriminierter Gruppen und ihr zivilgesellschaftliches Engagement.
Alle Untergliederungen und Teilorganisationen sowie Gremien und Versammlungen
sind dazu angehalten, diese Ziele zu achten und zu stärken.
§ 1 Repräsentation
(1) Wir wollen, dass sich vielfältige Perspektiven in unserer Partei abbilden.
Die Repräsentation von gesellschaftlich diskriminierten oder benachteiligten
Gruppen mindestens gemäß ihrem gesellschaftlichen Anteil auf der jeweiligen
Ebene und bei der Besetzung von Ämtern, Gremien und Kandidaturen vonfür Mandaten ist unser
Ziel.
(2) Der Landesvorstand und der Landesdiversitätsrat werden alle zwei Jahre eine
wissenschaftlich fundierte Evaluierung zur Zusammensetzung der Funktionär*innen,
Parlamentarier*innen und Angestellten auf Bezirks- und Kreisverbandsebene
durchführen. Dabei soll dargestellt werden, inwiefern sich die Vielfalt der
Gesellschaft in der Zusammensetzung der Befragten widerspiegelt und welche
Diskriminierungserfahrungen es gibt. Ein Bericht dazu wird alle zwei Jahre auf
der LDK vorgestellt und diskutiert.
(3) Der Landesdiversitätsrat und der Landesvorstand werden auf Grundlage der
Ergebnisse der Evaluierungen Instrumente, wie etwa Diversity-Trainings, Quoten
oder Empowerment- Maßnahmen, diskutieren, entwickeln und umsetzen um dem in
Absatz 1 genannten Ziel näher zu kommen.
§ 2 Versammlungen
(1) Präsidien werden divers besetzt, das bedeutet, dass sie die
gesellschaftliche Vielfalt widerspiegeln.
(2) Bei Veranstaltungen, die von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW organisiert werden,
sollen die Referent*innen die Vielfalt der Gesellschaft widerspiegeln.
(3) Alle Veranstaltungen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW sollen grundsätzlich
barrierefrei gestaltet sein. Näheres regelt der Leitfaden für Inklusion bei
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
(4) Tagungszeiten und -räume sollen nicht sozial ausschließen.
§ 3 Einstellung von Arbeitnehmer*innen
(1) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW verpflichtet sich als Arbeitgeber*in dem
Vielfaltsstatut und der Stärkung von Menschen, die diskriminierten Gruppen
angehören. Bei bezahlten Stellen soll sich auf allen Qualifikationsebenen die
gesellschaftliche Vielfalt widerspiegeln.
(2) Dazu sind Stellenausschreibungen und ihre Verbreitung so zu gestalten, dass
sie den Zielen des Vielfaltsstatuts entsprechen und Menschen, die
diskriminierten Gruppen angehören, besonders ansprechen.
(3) In Bereichen, in denen Menschen, die diskriminierten Gruppen angehören,
unterrepräsentiert sind, werden diese bei Einstellungen bei gleicher Kompetenz
bevorzugt.
(4) Bei der Zusammenarbeit mit Partner*innen und Dienstleister*innen wird darauf
geachtet, dass diese diskriminierungsfrei arbeiten.
§ 4 Empowerment und Weiterbildung
(1) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW schafft Angebote zum Empowerment von
diskriminierten oder in der Partei unterrepräsentierten Gruppen.
(2) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW schafft Angebote für die diversitätspolitische und
diskriminierungskritische Aus- und Weiterbildung der Amtsträger*innen und
Führungskräfte der Partei.
(3) Der Landesverband stellt für diese Aufgaben ausreichend Mittel und
Personalressourcen zur Verfügung. Der Landesvorstand stellt dies sicher.
II. Innerparteiliche Strukturen
§ 5 Landesdiversitätsrat
(1) Der Landesdiversitätsrat berät und/ oder beschließt über die Richtlinien der
Diversitätspolitik der Partei zwischen den Landesdelegiertenkonferenzen und
befasst sich mit Angelegenheiten, die die Landesdelegiertenkonferenz bzw. der
Landesparteirat an ihn delegiert. Der Landesdiversitätsrat kontrolliert die
Einhaltung und die Umsetzung des Diversitätsstatuts. Der Landesdiversitätsrat
koordiniert die Arbeit zwischen den Gremien der Landespartei, den Fraktionen
sowie den Bezirks- und Kreisverbänden.
(2) Dem Landesdiversitätsrat gehören an:
1. Der*die vielfaltspolitische Sprecher*in und ein weiteres Mitglied des
Landesvorstandes;
2. zwei Delegierte pro Bezirksverband, davon eine*r der
Bezirksverbandsvorsitzenden und ein weiteres Mitglied des Bezirksverbands;
3. je ein Mitglied der Landtagsfraktion, sowie der Landesgruppe im Bundestag und
im Europäischen Parlament, die von der Fraktion bzw. der Gruppe entsandt werden;
4. zwei Delegierte*r der Landesvereinigung BuntGrün NRW;
5. zwei Mitglieder der GRÜNEN JUGEND NRW, davon soll mindestens ein Mitglied aus
dem Landesvorstand sein;
6. der*die Vielfaltsreferent*in als beratendes Mitglied.
7. Der Landesdiversitätsrat zieht punktuell oder dauerhaft weitere Personen
beratend zu seinen Sitzungen hinzu.
(3) Alle Mitglieder des Landesdiversitätsrates müssen, mit Ausnahme der
beratenden Mitglieder, Mitglieder der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW sein. Die
Amtszeit der Mitglieder im Landesdiversitätsrat beträgt zwei Jahre; Wiederwahl
ist möglich. Bei der Delegation ist die Repräsentanz der Vielfalt der
Gesellschaft abzubilden. Alle Delegierten sind mindestquotiert zu wählen. Das
volle Stimmrecht im Landesdiversitätsrat erhalten nur die mindestquotiert
entsandten Delegationen.
(4) Der Landesdiversitätsrat tagt mindestens viermal jährlich. Zu weiteren
Sitzungen tritt der Landesdiversitätsrat zusammen, wenn ein Fünftel der
Mitglieder oder der Landesvorstand dies verlangen.
(5) Der Landesdiversitätsrat tagt in der Regel parteiöffentlich; er kann die
Öffentlichkeit mit einfacher Mehrheit ausschließen.
(6) Der Landesdiversitätsrat gibt sich eine Geschäftsordnung und ein jährliches
Arbeitsprogramm, das der Landesdelegiertenkonferenz vorgelegt wird.
§ 6 Entsendung in den Bundesdiversitätsrat
Der Landesvorstand entsendet aus den Reihen und unter Einbeziehung des
Landesdiversitätsrates die Delegierten bzw. Ersatzdelegiertden des
Landesverbandes in den Bundesdiversitätsrat.
§ 7 Votum
(1) Bei der Behandlung von Anträgen, die die Lebensbereiche von im
Vielfaltsstatut benannten Gruppen betreffen, hat der Landesdiversitätsrat das
Recht, auf Landesdelegiertenkonferenzen und Landesparteiräten ein Votum zu
vergeben.
(2) Der Landesdiversitätsrat hat das Recht, zu allen Anträgen an die
Landesdelegiertenkonferenz und den Landesparteirat, die die vielfaltspolitischen
Grundsätze von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW betreffen, in einem Redebeitrag
Stellung zu nehmen.
§ 8 Vielfalts-Kongress
(1) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW führt alle zwei Jahre einen Vielfalts-Kongress
durch und stellt die dafür notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung.
(2) Der Vielfalts-Kongress ist öffentlich. Er hat u.a. die Aufgabe, den Dialog
mit Multiplikator*innen, Verbänden und Vertretungen diskriminierter Gruppen zu
stärken.
(3) Der Landesdiversitätsrat bereitet den Vielfalts-Kongress zusammen mit
dem*der Vielfaltsreferent*in vor.
(4) Weitere vielfaltspolitische Veranstaltungen in Form von Aktionswochen,
Diskussionsabenden, Kampagnen, Gedenktagen werden angestrebt.
§ 9 Vielfaltsreferat
(1) In der Landesgeschäftsstelle wird ein Vielfaltsreferat eingerichtet. Hierzu
stellt der Landesvorstand eine*n Vielfaltsreferent*in ein.
(2) Das Vielfaltsreferat wird finanziell und materiell angemessen ausgestattet.
(3) Das Vielfaltsreferat entwickelt in Zusammenarbeit mit dem Landesvorstand und
dem Landesdiversitätsrat Maßnahmen, die zur angestrebten gleichberechtigten
Teilhabe und der Repräsentanz von diskriminierten Gruppen und Menschen innerhalb
von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW und in der Gesellschaft beitragen.
(4) Der*die Vielfaltsreferent*in hat Teilnahme- und Mitspracherecht in allen
landesweiten Gliederungen von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN NRW. Der*die
Vielfaltsreferent*in soll Bezirks-, Kreis- und Ortsverbände beraten.
III. Geltung
§ 10 Geltung
(1) Das Vielfalts-Statut ist Bestandteil der Satzung des Landesverbandes von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW. Es tritt am Tag seiner Beschlussfassung in Kraft.
(2) Die Bezirks-, Kreis- und Ortsverbände sind aufgefordert, Regelungen in ihre
Satzungen aufzunehmen und Maßnahmen zu ergreifen, die zur gesellschaftlichen
Vielfalt in ihren Gremien beitragen, soweit die Regelungen dieses Statuts nicht
direkt anwendbar sind.
Sollte wirklich alle Strukturen umfassen.