Antrag: | Schützen wir die Menschen in NRW vor der Klimakrise – vorsorgen, investieren, Katastrophenschutz verbessern |
---|---|
Antragsteller*in: | Michael Mittag |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Übernahme |
Eingereicht: | 18.08.2021, 16:48 |
V-4-28: Schützen wir die Menschen in NRW vor der Klimakrise – vorsorgen, investieren, Katastrophenschutz verbessern
Antragstext
Von Zeile 28 bis 30 einfügen:
zuletzt zum Schutz der eigenen Bevölkerung. Längst geht es nicht mehr darum, zum Status von vor zwanzig Jahren zurückzukehren, sondern eine unkontrollierbare Verschärfung der Klimakrise abzuwenden, damit “Jahrhundertflut“, „-sturm“ oder
Von Zeile 35 bis 37:
Kohleverstromung bis 2030 zu beenden und die Grundlagen zu schaffen, damit auch die Dörfer im Rheinischen Revier zu erhaltenerhalten werden können. Hier ist auch die Landesregierung mit konkreten Handlungen gefragt. Wie kaum ein anderes Land wird NRW von einem
Noch immer ist das Ausmaß der Schäden der verheerenden Flutkatastrophe vom 14.
Juli 2021 nicht komplett erfasst. Vor allem der Verlust von Menschenleben
berührt uns tief. Durch das Hochwasser haben in Nordrhein-Westfalen nach
aktuellem Stand 47 Menschen ihr Leben verloren, darunter auch vier
Feuerwehrleute. Bundesweit waren es mindestens 180 und immer noch werden
Menschen in Rheinland-Pfalz vermisst. Bei ihnen sind unsere Gedanken, ihren
Angehörigen und Freund*innen gilt unsere Anteilnahme.
Gleichzeitig rollt eine Welle der Hilfsbereitschaft und Solidarität durch unser
Land. Unser Dank gilt den ehren- und hauptamtlichen Einsatzkräften sowie den
unzähligen spontanen Helfenden, die seit dem 14. Juli fast pausenlos im Einsatz
sind.
Viele Menschen in NRW stehen wortwörtlich vor den Trümmern ihrer Existenz. Den
Wassermassen sind ganze Straßenzüge zum Opfer gefallen. Viele Brücken und
Schienenstränge sind komplett zerstört. Die öffentliche Infrastruktur in den
betroffenen Kommunen ist unter Schlamm, Schutt und Geröll begraben. Über 100
Schulen und Kitas sind durch das Hochwasser in Mitleidenschaft gezogen worden.
Schlamm und Umweltgifte belasten Landschaften und Gewässer.
Die Flut und ihre Folgen werden das Leben vieler Familien noch lange belasten.
Der Wiederaufbau wird immens viel Geld und noch mehr Zeit kosten. Es ist gut,
dass mit den Soforthilfen schnell und unbürokratisch Hilfe geleistet wird. Diese
muss nun auch wirklich bei den betroffenen Menschen, den Kommunen und Betrieben
ankommen. Wir GRÜNE werden diesen Weg nach Kräften unterstützen.
Ein Tag wie der 14. Juli ändert für die Menschen in den Flutregionen alles. Und
er mahnt uns alle: Wir brauchen sofort mehr Anstrengungen im Klimaschutz. Denn
wir wissen, dass durch die Klimakrise Starkregen, Fluten ebenso wie extreme
Hitze, Dürren, Waldbrände und Stürme zunehmen. NRW steht als Industrieland und
als Kohleland in besonderer Verantwortung, seinen Beitrag zu leisten – nicht
zuletzt zum Schutz der eigenen Bevölkerung. Längst geht es nicht mehr darum, zum
Status von vor zwanzig Jahren zurückzukehren, sondern eine unkontrollierbare
Verschärfung der Klimakrise abzuwenden, damit “Jahrhundertflut“, „-sturm“ oder
„-dürre“ nicht im Dreijahrestakt kommen. Deshalb unterstützen wir GRÜNE NRW
entschieden ein Klimaschutzsofortprogramm einer neuen Bundesregierung. Für NRW
bedeutet mehr Klimaschutz konkret, endlich deutlich mehr Landesflächen für
Windenergie auszuweisen, Solar zum Standard auf unseren Dächern zu machen, die
Kohleverstromung bis 2030 zu beenden und die Grundlagen zu schaffen, damit auch
die Dörfer im Rheinischen Revier zu erhaltenerhalten werden können. Hier ist auch die Landesregierung
mit konkreten Handlungen gefragt. Wie kaum ein anderes Land wird NRW von einem
„Klimapakt“ profitieren, der unserer energieintensiven Industrie Sicherheit im
Wandel und dem Handwerk Aufträge durch Investitionen gibt – und bei dem das
Energiegeld vor allem Menschen mit geringeren und mittleren Einkommen bei der
Umstellung auf klimaneutrales Leben unterstützt.
Nicht jede Naturkatastrophe ist eine unmittelbare Folge der Erderhitzung.
Starkregen, heiße Sommer, Waldbrände und Sturmfluten gab es auch in der
Vergangenheit. Aber die Heftigkeit, die Anzahl und die schnelle Abfolge der
Extremwetterereignisse sind ein untrüglicher Indikator dafür, dass die
Klimakrise längst da ist, vor unserer Haustür. Es gibt es kein Zurück mehr zum
alten Klima. Deshalb ist die Anpassung an den Klimawandel so wichtig. Um Mensch
und Umwelt in NRW vor der Klimakrise zu schützen, müssen wir Vorsorge betreiben
und unsere Art und Weise überdenken, wie wir Häuser, Städte und Straßen bauen.
Wir müssen der Natur mehr Raum geben und unser Verhältnis zur Natur neu
bestimmen. Und nicht zuletzt stehen wir in der Pflicht, unseren
Katastrophenschutz deutlich zu verbessern, um Menschenleben bei solchen
schrecklichen Ereignissen zu schützen.
Im Mittelpunkt steht für uns dabei die Vorsorge als Leitprinzip von Politik. Das
fällt nicht immer leicht, weil Investitionen und Vorkehrungen getroffen werden,
von denen unmittelbar niemand zu profitieren scheint, die aber in der Zukunft
großen Schaden abwenden können. Das erzeugt auch politische und wirtschaftliche
Zielkonflikte, etwa um die Nutzung von Flächen. Diese anzugehen und politische
Lösungen zu finden, ist alles andere als leicht – aber es ist unser Auftrag.
Stärken wir den Hochwasserschutz und geben der
Natur mehr Raum
Um für künftige Starkregen und Überschwemmungen besser gewappnet zu sein,
intensiveren wir den Hochwasserschutz. Dafür setzen wir auf bessere
Risikobewertungen, verstärken den technischen Hochwasserschutz und bieten der
Natur mehr Raum, damit sie zusätzliches Wasser aufnehmen kann, ohne Menschen zu
gefährden.
Hochwasserrisiken besser einschätzen und Warnsystem ausbauen: Hochwasserrisiken
wollen wir im gesamten Land neu bewerten. Denn die Klimakrise verändert die
Maßstäbe. Vielerorts haben die Wassermassen und Pegelstände alle Szenarien
übertroffen. Die beste Risikoberechnungen und Warnungen helfen aber nichts, wenn
sie nicht richtig interpretiert werden und in konkreten Handlungsanweisungen für
die Bevölkerung, Einsätzen oder auch Evakuierungen münden. Wichtig ist daher die
Verzahnung unterschiedlicher Fachleute in den Verwaltungen sowie die
Vorbereitung der Kreise und kreisfreien Städte auf möglichen
Katastrophenszenarien. Wir brauchen schnellstmöglich wieder flächendeckend
funktionstüchtige Sirenen und ein System von Warn-Nachrichten auf das Handy
(Cell Broadcasting) zusätzlich zu den bestehenden Warnsystemen. Warnungen müssen
klar und verständlich sein sowie Handlungsanweisungen enthalten.
Selbstverständlich ist der Staat in der Verantwortung, für den Schutz seiner
Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. Im Katastrophenfall ist es aber wichtig, dass
die Menschen wissen, wie sie sich am besten verhalten sollen. Deshalb wollen wir
die Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung durch innovative Informationskampagnen
stärken.
Hochwasserschutz mit der Natur, nicht gegen sie: Wir müssen das Wasser in der
Landschaft halten. Denn wo Regen in unversiegelten Böden versickern kann und
Flüsse sich auf unbebaute Gebiete ausdehnen können, werden Hochwasser
abgeschwächt. Weder in großflächigen Siedlungs- und Gewerbegebieten noch auf
tief entwässerten Flächen der intensiven Landwirtschaft kann der Boden das
Wasser mehr in ausreichendem Maß aufnehmen und eine Flutwelle so nicht mehr
entscheidend reduzieren. Und wo Häuser zu nah an Gewässern stehen, sind die
Menschen großen Risiken ausgesetzt.
Die schwarz-gelbe Landesregierung hat im Rahmen ihrer Deregulierungspolitik in
den letzten Jahren zahlreiche Verschlechterungen beschlossen, die am Ende vor
allem das Risiko erneuter Hochwasser und Flutkatastrophen erhöhen könnten. So
soll die Bebauung in Rückhalteflächen wieder erlaubt werden. Das Ziel, den
landesweiten Flächenverbrauch auf 5 ha/Tag zu begrenzen, wurde hingegen aus dem
Landesentwicklungsplan gestrichen. Schwarz-gelb entzieht den Behörden sowohl die
Möglichkeit, risikoreiche Bauvorhaben in Überschwemmungsgebieten zu verhindern
und eine besondere Schutzzone entlang von Gewässern auszuweisen
(Gewässerrandstreifen), als auch ein Vorkaufsrecht von Flächen zugunsten der
naturnahen Gewässerentwicklung auszuüben. Dabei brauchen Land und Kommunen mehr
Kompetenzen, um präventiven Hochwasserschutz zu betreiben, nicht weniger. Wir
werden diese Änderungen wieder rückgängig machen. Zudem geht der Umbau zu
naturnahen Gewässern viel zu langsam voran. Wir wollen die Europäische
Wasserrahmenrichtlinie konsequent umsetzen und unseren Flüssen wieder mehr Raum
geben. Denn naturnahe Gewässer mit intakten, strukturreichen Auenlandschaften
sind ein wirksamer Beitrag zum Hochwasserschutz.
Technischen Hochwasserschutz stärken: Ergänzend zu ökologischen Hochwasserschutz
müssen wir auch technische Möglichkeiten nutzen, um kurzfristig Wassermassen von
bewohnten Gebieten fernzuhalten. Das Juli-Hochwasser hat unkontrolliert
Kiesgruben und den Braunkohletagebau geflutet, mit großen Schäden für Mensch und
Natur. Um Siedlungen zu schützen, brauchen wir mehr Möglichkeiten, solche
Rückhaltebecken kontrolliert zu fluten. Deiche und Wälle müssen ertüchtigt
werden.
Klimavorsorge für unsere Städte, Gemeinden und Infrastruktur: Auch wenn wir
Überschwemmungen nicht allein durch einen besseren Städtebau verhindern können,
so wissen wir doch: Jeder Kubikmeter, der versickert oder kontrolliert abläuft,
kann helfen, das Fass nicht zum Überlaufen zu bringen. Schwammstädte mit
unterirdischen Wasserspeichern und mehr Grünflächen, bepflanzte Dächer und Bäume
in unseren Städten und Dörfern helfen nicht nur, große Wassermassen aufzufangen.
Sie bilden auch einen Vorrat in Hitze- und Dürrephasen und spenden Kühlung. Wir
wollen mit einem Grünen Zukunftspakt NRW nachhaltige Investitionen stärken,
insbesondere bei der Klimaanpassung in den Kommunen. Beim Wiederaufbau der
Dörfer und Städte in den Flutgebieten kommt es jetzt darauf an, dass Häuser und
Infrastruktur so gebaut werden, dass sich die Fehler der Vergangenheit nicht
wiederholen und die neue Infrastruktur und neuen Häuserwiderstandsfähiger gegen
die Auswirkungen der Klimakrise und die vermehrt zu erwartenden Katastrophen
werden. Die Flut hat auch zehntausende Heizungen zerstört und die Menschen
müssen jetzt über die Investition in eine neue Heizungsanlage entscheiden. Dazu
brauchen wir klare Förderanreize, damit in der Not eine zerstörte Ölheizung vor
dem Winter nicht einfach nur durch eine neue Ölheizung, sondern z. B. durch eine
klimafreundliche, effiziente Wärmepumpe ersetzt wird.
Private Vorsorge und Absicherung stärken: Wir wollen Bürger*innen gezielt
unterstützen, ihre Häuser und Wohnungen widerstandsfähig zu machen. Dafür
braucht es Förderprogramme ähnlich wie bei der ökologischen Gebäudesanierung,
flankiert von entsprechenden Beratungsangeboten. Die Versicherung für
Elementarschäden sollte Standard werden.
Stärken wir den Katastrophenschutz
Der Katastrophenschutz ist laut Grundgesetz zuallererst Aufgabe der Länder. In
den Ländern sind die Kreise und kreisfreien Städte die zuständigen
Katastrophenschutzbehörden. Die konkrete Koordination und politische
Verantwortung im Krisenstab in einer Großschadenslage oder eine Katastrophe
obliegen zunächst den Oberbürgermeister*innen oder Landrät*innen. Das Rückgrat
des Katastrophenschutzes bilden die überwiegend ehrenamtlichen Mitglieder der
Hilfsorganisationen, der Feuerwehren und des Technischen Hilfswerks.
Die dezentrale Organisation ist grundsätzlich sinnvoll, damit Hilfe schnell
überall verfügbar ist und an die lokalen Besonderheiten angepasst werden kann.
Die Akteure leisten großartige Arbeit. Es ist aber offensichtlich, dass beim
Juli-Hochwasser das Zusammenspiel von Bund, Ländern und den Kommunen nicht
ausreichend funktioniert hat. Das Ineinandergreifen des Gesamtsystems muss zur
Rettung von Menschenleben und auch von Eigentum und Infrastruktur besser werden.
Denn bereits mehrere Tage im Voraus hatte das Europäische Hochwasserwarnsystem
(EFAS) vor Starkregen und Überflutungen gewarnt. Die Warnungen wurden aber
offensichtlich nicht überall wahrgenommen, interpretiert und die entsprechenden
Entscheidungen, etwa zur Evakuierung, getroffen. Die Landesregierung kann die
Verantwortung dafür nicht allen auf die Kommunen schieben und auf das
funktionierende Warnsystem verweisen. Auch sie hat es versäumt, die Warnungen
des Deutschen Wetterdienstes inhaltlich zu bewerten und Kontakt zu den Kommunen
aufzunehmen. Das Innenministerium als für den Katastrophenschutz zuständiges
Ministerium hätte Kontakt mit dem Umweltministerium in Fragen des
Hochwasserschutzes, etwa bezüglich der Talsperren, aufnehmen müssen. Die
Landesregierung hat darauf verzichtet, selbst Warnungen auszusprechen und dies
allein den Kommunen überlassen. Es braucht eine gründliche, systematische und
unabhängige Aufarbeitung der Flutkatastrophe, ihrer Ursachen und Folgen und
Vorschläge für notwendige Strukturänderungen.
Gleichzeitig sehen wir schon jetzt, dass es an der Zeit ist, angesichts von
großen Unwettern und Pandemien das Katastrophenschutzsystem grundsätzlich
weiterzuentwickeln. Der Grundsatz für die künftige Zusammenarbeit zwischen Bund,
Ländern und Kommunen im Katastrophenschutz muss weiterhin Dezentralität sein –
aber mit einer starken Koordinierung.
Katastrophenschutzbedarfspläne zum Standard machen. Kommunen müssen sich besser
auf unterschiedliche Katastrophenfälle vorbereiten und dabei von Landesseite
unterstützt werden. Während für die alltägliche Gefahrenabwehr durch die
Feuerwehren bereits in jeder Kommune Bedarfspläne erstellt und politisch
beschlossen werden, ist das beim Katastrophenschutz in den Kreistagen und
Stadträten der kreisfreien Städte noch nicht der Fall. Verpflichtende
Risikoanalysen müssen die Basis für die Planungen der Kreise sein.
Katastrophenschutzbedarfspläne sollen für unterschiedliche
Katastrophenszenarien, wie etwa Hochwasser oder langanhaltende Stromausfälle,
vorplanen. Daraus werden Personal, Ausstattung und finanzieller Bedarf
abgeleitet. Der Plan sollte mindestens alle fünf Jahre politisch beschlossen und
damit eine politische Legitimation und öffentliche Beachtung finden. Wir wollen
das Katastrophenschutzgesetz ändern, um die Katastrophenschutzbedarfspläne
verbindlich einzuführen.
Mehr Kompetenz und Verantwortung auf Landesebene als Unterstützung der Kommunen
Das Land NRW muss die Kommunen besser unterstützen und im Fall größerer
Katastrophen Kompetenzen an sich ziehen können. Kreise und kreisfreie Städte
dürfen in einer solchen Lage nicht allein gelassen werden. Deshalb werden wir
die Möglichkeit des landesweiten Katastrophenfalls gesetzlich festschreiben.
Damit verbunden ist eine Katastrophenschutzplanung für das Land notwendig. Um
die Kompetenzübertragung in einer Katastrophe von den Kreisen und kreisfreien
Städte auf die Landesebene ausführen zu können, muss auf Landesebene die
entsprechende Struktur geschaffen werden. Eine Katastrophenschutzbehörde kann
dafür eine gute Lösung sein.
Zusammenarbeit von Bund und Ländern verbessern: Das Bundesamt für
Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe wollen wir zu einer Zentralstelle
umbauen, die eine stärkere koordinierende Funktion ausfüllt. Damit einhergehen
u.a. verpflichtende Meldungen aus den Ländern, um in einer Lage Hilfe, z.B.
Einsatzmittel besser und schneller koordinieren zu können. Das Land NRW muss
seine bisherige Verweigerungshaltung aufgeben und für eine stärkere
Zusammenarbeit von Bund und Ländern sorgen.
Schon lange ist klar, dass keine Region in Deutschland vor den Folgen der
Klimakrise verschont bleiben wird. Auch NRW nicht. Die Klimakrise verschiebt die
Risiko-Maßstäbe. Wir werden mit einer Politik der Vorsorge darauf reagieren.
Von Zeile 28 bis 30 einfügen:
zuletzt zum Schutz der eigenen Bevölkerung. Längst geht es nicht mehr darum, zum Status von vor zwanzig Jahren zurückzukehren, sondern eine unkontrollierbare Verschärfung der Klimakrise abzuwenden, damit “Jahrhundertflut“, „-sturm“ oder
Von Zeile 35 bis 37:
Kohleverstromung bis 2030 zu beenden und die Grundlagen zu schaffen, damit auch die Dörfer im Rheinischen Revier zu erhaltenerhalten werden können. Hier ist auch die Landesregierung mit konkreten Handlungen gefragt. Wie kaum ein anderes Land wird NRW von einem
Noch immer ist das Ausmaß der Schäden der verheerenden Flutkatastrophe vom 14.
Juli 2021 nicht komplett erfasst. Vor allem der Verlust von Menschenleben
berührt uns tief. Durch das Hochwasser haben in Nordrhein-Westfalen nach
aktuellem Stand 47 Menschen ihr Leben verloren, darunter auch vier
Feuerwehrleute. Bundesweit waren es mindestens 180 und immer noch werden
Menschen in Rheinland-Pfalz vermisst. Bei ihnen sind unsere Gedanken, ihren
Angehörigen und Freund*innen gilt unsere Anteilnahme.
Gleichzeitig rollt eine Welle der Hilfsbereitschaft und Solidarität durch unser
Land. Unser Dank gilt den ehren- und hauptamtlichen Einsatzkräften sowie den
unzähligen spontanen Helfenden, die seit dem 14. Juli fast pausenlos im Einsatz
sind.
Viele Menschen in NRW stehen wortwörtlich vor den Trümmern ihrer Existenz. Den
Wassermassen sind ganze Straßenzüge zum Opfer gefallen. Viele Brücken und
Schienenstränge sind komplett zerstört. Die öffentliche Infrastruktur in den
betroffenen Kommunen ist unter Schlamm, Schutt und Geröll begraben. Über 100
Schulen und Kitas sind durch das Hochwasser in Mitleidenschaft gezogen worden.
Schlamm und Umweltgifte belasten Landschaften und Gewässer.
Die Flut und ihre Folgen werden das Leben vieler Familien noch lange belasten.
Der Wiederaufbau wird immens viel Geld und noch mehr Zeit kosten. Es ist gut,
dass mit den Soforthilfen schnell und unbürokratisch Hilfe geleistet wird. Diese
muss nun auch wirklich bei den betroffenen Menschen, den Kommunen und Betrieben
ankommen. Wir GRÜNE werden diesen Weg nach Kräften unterstützen.
Ein Tag wie der 14. Juli ändert für die Menschen in den Flutregionen alles. Und
er mahnt uns alle: Wir brauchen sofort mehr Anstrengungen im Klimaschutz. Denn
wir wissen, dass durch die Klimakrise Starkregen, Fluten ebenso wie extreme
Hitze, Dürren, Waldbrände und Stürme zunehmen. NRW steht als Industrieland und
als Kohleland in besonderer Verantwortung, seinen Beitrag zu leisten – nicht
zuletzt zum Schutz der eigenen Bevölkerung. Längst geht es nicht mehr darum, zum
Status von vor zwanzig Jahren zurückzukehren, sondern eine unkontrollierbare
Verschärfung der Klimakrise abzuwenden, damit “Jahrhundertflut“, „-sturm“ oder
„-dürre“ nicht im Dreijahrestakt kommen. Deshalb unterstützen wir GRÜNE NRW
entschieden ein Klimaschutzsofortprogramm einer neuen Bundesregierung. Für NRW
bedeutet mehr Klimaschutz konkret, endlich deutlich mehr Landesflächen für
Windenergie auszuweisen, Solar zum Standard auf unseren Dächern zu machen, die
Kohleverstromung bis 2030 zu beenden und die Grundlagen zu schaffen, damit auch
die Dörfer im Rheinischen Revier zu erhaltenerhalten werden können. Hier ist auch die Landesregierung
mit konkreten Handlungen gefragt. Wie kaum ein anderes Land wird NRW von einem
„Klimapakt“ profitieren, der unserer energieintensiven Industrie Sicherheit im
Wandel und dem Handwerk Aufträge durch Investitionen gibt – und bei dem das
Energiegeld vor allem Menschen mit geringeren und mittleren Einkommen bei der
Umstellung auf klimaneutrales Leben unterstützt.
Nicht jede Naturkatastrophe ist eine unmittelbare Folge der Erderhitzung.
Starkregen, heiße Sommer, Waldbrände und Sturmfluten gab es auch in der
Vergangenheit. Aber die Heftigkeit, die Anzahl und die schnelle Abfolge der
Extremwetterereignisse sind ein untrüglicher Indikator dafür, dass die
Klimakrise längst da ist, vor unserer Haustür. Es gibt es kein Zurück mehr zum
alten Klima. Deshalb ist die Anpassung an den Klimawandel so wichtig. Um Mensch
und Umwelt in NRW vor der Klimakrise zu schützen, müssen wir Vorsorge betreiben
und unsere Art und Weise überdenken, wie wir Häuser, Städte und Straßen bauen.
Wir müssen der Natur mehr Raum geben und unser Verhältnis zur Natur neu
bestimmen. Und nicht zuletzt stehen wir in der Pflicht, unseren
Katastrophenschutz deutlich zu verbessern, um Menschenleben bei solchen
schrecklichen Ereignissen zu schützen.
Im Mittelpunkt steht für uns dabei die Vorsorge als Leitprinzip von Politik. Das
fällt nicht immer leicht, weil Investitionen und Vorkehrungen getroffen werden,
von denen unmittelbar niemand zu profitieren scheint, die aber in der Zukunft
großen Schaden abwenden können. Das erzeugt auch politische und wirtschaftliche
Zielkonflikte, etwa um die Nutzung von Flächen. Diese anzugehen und politische
Lösungen zu finden, ist alles andere als leicht – aber es ist unser Auftrag.
Stärken wir den Hochwasserschutz und geben der
Natur mehr Raum
Um für künftige Starkregen und Überschwemmungen besser gewappnet zu sein,
intensiveren wir den Hochwasserschutz. Dafür setzen wir auf bessere
Risikobewertungen, verstärken den technischen Hochwasserschutz und bieten der
Natur mehr Raum, damit sie zusätzliches Wasser aufnehmen kann, ohne Menschen zu
gefährden.
Hochwasserrisiken besser einschätzen und Warnsystem ausbauen: Hochwasserrisiken
wollen wir im gesamten Land neu bewerten. Denn die Klimakrise verändert die
Maßstäbe. Vielerorts haben die Wassermassen und Pegelstände alle Szenarien
übertroffen. Die beste Risikoberechnungen und Warnungen helfen aber nichts, wenn
sie nicht richtig interpretiert werden und in konkreten Handlungsanweisungen für
die Bevölkerung, Einsätzen oder auch Evakuierungen münden. Wichtig ist daher die
Verzahnung unterschiedlicher Fachleute in den Verwaltungen sowie die
Vorbereitung der Kreise und kreisfreien Städte auf möglichen
Katastrophenszenarien. Wir brauchen schnellstmöglich wieder flächendeckend
funktionstüchtige Sirenen und ein System von Warn-Nachrichten auf das Handy
(Cell Broadcasting) zusätzlich zu den bestehenden Warnsystemen. Warnungen müssen
klar und verständlich sein sowie Handlungsanweisungen enthalten.
Selbstverständlich ist der Staat in der Verantwortung, für den Schutz seiner
Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. Im Katastrophenfall ist es aber wichtig, dass
die Menschen wissen, wie sie sich am besten verhalten sollen. Deshalb wollen wir
die Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung durch innovative Informationskampagnen
stärken.
Hochwasserschutz mit der Natur, nicht gegen sie: Wir müssen das Wasser in der
Landschaft halten. Denn wo Regen in unversiegelten Böden versickern kann und
Flüsse sich auf unbebaute Gebiete ausdehnen können, werden Hochwasser
abgeschwächt. Weder in großflächigen Siedlungs- und Gewerbegebieten noch auf
tief entwässerten Flächen der intensiven Landwirtschaft kann der Boden das
Wasser mehr in ausreichendem Maß aufnehmen und eine Flutwelle so nicht mehr
entscheidend reduzieren. Und wo Häuser zu nah an Gewässern stehen, sind die
Menschen großen Risiken ausgesetzt.
Die schwarz-gelbe Landesregierung hat im Rahmen ihrer Deregulierungspolitik in
den letzten Jahren zahlreiche Verschlechterungen beschlossen, die am Ende vor
allem das Risiko erneuter Hochwasser und Flutkatastrophen erhöhen könnten. So
soll die Bebauung in Rückhalteflächen wieder erlaubt werden. Das Ziel, den
landesweiten Flächenverbrauch auf 5 ha/Tag zu begrenzen, wurde hingegen aus dem
Landesentwicklungsplan gestrichen. Schwarz-gelb entzieht den Behörden sowohl die
Möglichkeit, risikoreiche Bauvorhaben in Überschwemmungsgebieten zu verhindern
und eine besondere Schutzzone entlang von Gewässern auszuweisen
(Gewässerrandstreifen), als auch ein Vorkaufsrecht von Flächen zugunsten der
naturnahen Gewässerentwicklung auszuüben. Dabei brauchen Land und Kommunen mehr
Kompetenzen, um präventiven Hochwasserschutz zu betreiben, nicht weniger. Wir
werden diese Änderungen wieder rückgängig machen. Zudem geht der Umbau zu
naturnahen Gewässern viel zu langsam voran. Wir wollen die Europäische
Wasserrahmenrichtlinie konsequent umsetzen und unseren Flüssen wieder mehr Raum
geben. Denn naturnahe Gewässer mit intakten, strukturreichen Auenlandschaften
sind ein wirksamer Beitrag zum Hochwasserschutz.
Technischen Hochwasserschutz stärken: Ergänzend zu ökologischen Hochwasserschutz
müssen wir auch technische Möglichkeiten nutzen, um kurzfristig Wassermassen von
bewohnten Gebieten fernzuhalten. Das Juli-Hochwasser hat unkontrolliert
Kiesgruben und den Braunkohletagebau geflutet, mit großen Schäden für Mensch und
Natur. Um Siedlungen zu schützen, brauchen wir mehr Möglichkeiten, solche
Rückhaltebecken kontrolliert zu fluten. Deiche und Wälle müssen ertüchtigt
werden.
Klimavorsorge für unsere Städte, Gemeinden und Infrastruktur: Auch wenn wir
Überschwemmungen nicht allein durch einen besseren Städtebau verhindern können,
so wissen wir doch: Jeder Kubikmeter, der versickert oder kontrolliert abläuft,
kann helfen, das Fass nicht zum Überlaufen zu bringen. Schwammstädte mit
unterirdischen Wasserspeichern und mehr Grünflächen, bepflanzte Dächer und Bäume
in unseren Städten und Dörfern helfen nicht nur, große Wassermassen aufzufangen.
Sie bilden auch einen Vorrat in Hitze- und Dürrephasen und spenden Kühlung. Wir
wollen mit einem Grünen Zukunftspakt NRW nachhaltige Investitionen stärken,
insbesondere bei der Klimaanpassung in den Kommunen. Beim Wiederaufbau der
Dörfer und Städte in den Flutgebieten kommt es jetzt darauf an, dass Häuser und
Infrastruktur so gebaut werden, dass sich die Fehler der Vergangenheit nicht
wiederholen und die neue Infrastruktur und neuen Häuserwiderstandsfähiger gegen
die Auswirkungen der Klimakrise und die vermehrt zu erwartenden Katastrophen
werden. Die Flut hat auch zehntausende Heizungen zerstört und die Menschen
müssen jetzt über die Investition in eine neue Heizungsanlage entscheiden. Dazu
brauchen wir klare Förderanreize, damit in der Not eine zerstörte Ölheizung vor
dem Winter nicht einfach nur durch eine neue Ölheizung, sondern z. B. durch eine
klimafreundliche, effiziente Wärmepumpe ersetzt wird.
Private Vorsorge und Absicherung stärken: Wir wollen Bürger*innen gezielt
unterstützen, ihre Häuser und Wohnungen widerstandsfähig zu machen. Dafür
braucht es Förderprogramme ähnlich wie bei der ökologischen Gebäudesanierung,
flankiert von entsprechenden Beratungsangeboten. Die Versicherung für
Elementarschäden sollte Standard werden.
Stärken wir den Katastrophenschutz
Der Katastrophenschutz ist laut Grundgesetz zuallererst Aufgabe der Länder. In
den Ländern sind die Kreise und kreisfreien Städte die zuständigen
Katastrophenschutzbehörden. Die konkrete Koordination und politische
Verantwortung im Krisenstab in einer Großschadenslage oder eine Katastrophe
obliegen zunächst den Oberbürgermeister*innen oder Landrät*innen. Das Rückgrat
des Katastrophenschutzes bilden die überwiegend ehrenamtlichen Mitglieder der
Hilfsorganisationen, der Feuerwehren und des Technischen Hilfswerks.
Die dezentrale Organisation ist grundsätzlich sinnvoll, damit Hilfe schnell
überall verfügbar ist und an die lokalen Besonderheiten angepasst werden kann.
Die Akteure leisten großartige Arbeit. Es ist aber offensichtlich, dass beim
Juli-Hochwasser das Zusammenspiel von Bund, Ländern und den Kommunen nicht
ausreichend funktioniert hat. Das Ineinandergreifen des Gesamtsystems muss zur
Rettung von Menschenleben und auch von Eigentum und Infrastruktur besser werden.
Denn bereits mehrere Tage im Voraus hatte das Europäische Hochwasserwarnsystem
(EFAS) vor Starkregen und Überflutungen gewarnt. Die Warnungen wurden aber
offensichtlich nicht überall wahrgenommen, interpretiert und die entsprechenden
Entscheidungen, etwa zur Evakuierung, getroffen. Die Landesregierung kann die
Verantwortung dafür nicht allen auf die Kommunen schieben und auf das
funktionierende Warnsystem verweisen. Auch sie hat es versäumt, die Warnungen
des Deutschen Wetterdienstes inhaltlich zu bewerten und Kontakt zu den Kommunen
aufzunehmen. Das Innenministerium als für den Katastrophenschutz zuständiges
Ministerium hätte Kontakt mit dem Umweltministerium in Fragen des
Hochwasserschutzes, etwa bezüglich der Talsperren, aufnehmen müssen. Die
Landesregierung hat darauf verzichtet, selbst Warnungen auszusprechen und dies
allein den Kommunen überlassen. Es braucht eine gründliche, systematische und
unabhängige Aufarbeitung der Flutkatastrophe, ihrer Ursachen und Folgen und
Vorschläge für notwendige Strukturänderungen.
Gleichzeitig sehen wir schon jetzt, dass es an der Zeit ist, angesichts von
großen Unwettern und Pandemien das Katastrophenschutzsystem grundsätzlich
weiterzuentwickeln. Der Grundsatz für die künftige Zusammenarbeit zwischen Bund,
Ländern und Kommunen im Katastrophenschutz muss weiterhin Dezentralität sein –
aber mit einer starken Koordinierung.
Katastrophenschutzbedarfspläne zum Standard machen. Kommunen müssen sich besser
auf unterschiedliche Katastrophenfälle vorbereiten und dabei von Landesseite
unterstützt werden. Während für die alltägliche Gefahrenabwehr durch die
Feuerwehren bereits in jeder Kommune Bedarfspläne erstellt und politisch
beschlossen werden, ist das beim Katastrophenschutz in den Kreistagen und
Stadträten der kreisfreien Städte noch nicht der Fall. Verpflichtende
Risikoanalysen müssen die Basis für die Planungen der Kreise sein.
Katastrophenschutzbedarfspläne sollen für unterschiedliche
Katastrophenszenarien, wie etwa Hochwasser oder langanhaltende Stromausfälle,
vorplanen. Daraus werden Personal, Ausstattung und finanzieller Bedarf
abgeleitet. Der Plan sollte mindestens alle fünf Jahre politisch beschlossen und
damit eine politische Legitimation und öffentliche Beachtung finden. Wir wollen
das Katastrophenschutzgesetz ändern, um die Katastrophenschutzbedarfspläne
verbindlich einzuführen.
Mehr Kompetenz und Verantwortung auf Landesebene als Unterstützung der Kommunen
Das Land NRW muss die Kommunen besser unterstützen und im Fall größerer
Katastrophen Kompetenzen an sich ziehen können. Kreise und kreisfreie Städte
dürfen in einer solchen Lage nicht allein gelassen werden. Deshalb werden wir
die Möglichkeit des landesweiten Katastrophenfalls gesetzlich festschreiben.
Damit verbunden ist eine Katastrophenschutzplanung für das Land notwendig. Um
die Kompetenzübertragung in einer Katastrophe von den Kreisen und kreisfreien
Städte auf die Landesebene ausführen zu können, muss auf Landesebene die
entsprechende Struktur geschaffen werden. Eine Katastrophenschutzbehörde kann
dafür eine gute Lösung sein.
Zusammenarbeit von Bund und Ländern verbessern: Das Bundesamt für
Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe wollen wir zu einer Zentralstelle
umbauen, die eine stärkere koordinierende Funktion ausfüllt. Damit einhergehen
u.a. verpflichtende Meldungen aus den Ländern, um in einer Lage Hilfe, z.B.
Einsatzmittel besser und schneller koordinieren zu können. Das Land NRW muss
seine bisherige Verweigerungshaltung aufgeben und für eine stärkere
Zusammenarbeit von Bund und Ländern sorgen.
Schon lange ist klar, dass keine Region in Deutschland vor den Folgen der
Klimakrise verschont bleiben wird. Auch NRW nicht. Die Klimakrise verschiebt die
Risiko-Maßstäbe. Wir werden mit einer Politik der Vorsorge darauf reagieren.