Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz 29./30. Juni 2024 in Oberhausen |
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Tagesordnungspunkt: | Dringlichkeitsanträge |
Antragsteller*in: | Petra Lippegaus (KV Paderborn) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 28.06.2024, 19:01 |
V19: Keine Abschiebungen nach Afghanistan oder Syrien, Keine Asylverfahren in Drittstaaten, Keine Abschiebung bei Likes!
Antragstext
Keine Abschiebungen nach Afghanistan oder
Syrien, Keine Asylverfahren in Drittstaaten,
Keine Abschiebung bei Likes!
- Bündnis 90/Die Grünen NRW lehnt mit Verweis auf die Menschenrechte
Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien ab.
- Wir lehnen Modelle zur Auslagerung von Asylverfahren ab und verteidigen
konsequent das Grundrecht auf Asyl.
- Wir lehnen den Gesetzentwurf zur Verschärfung des Ausweisungsrechts im
Aufenthaltsgesetz ab.
Keine Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien
Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien sind menschenrechtswidrig. In beiden
Ländern gibt es Folter und andere schwere Menschenrechtsverletzungen, die
jegliche Abschiebungen völkerrechtlich verbieten. So verweist Pro Asyl auf die
Rechtslage: „Niemand darf abgeschoben werden, wenn nach der Abschiebung Folter
oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht. Das
ergibt sich aus dem absoluten Folterverbot, das unter anderem in Artikel 3 der
Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und Artikel 4 der EU-
Grundrechtecharta normiert ist. Dieses Verbot ist absolut und gilt
uneingeschränkt für alle Menschen – auch für Personen, die Straftaten begangen
haben. Ihre Strafen müssen sie in Deutschland verbüßen.“
Auch der frühere CDU-Ministerpräsident des Saarlandes und ehemalige
Verfassungsrichter Peter Müller spricht von "billigem Populismus". Wir fordern:
Die Asyl- und Migrationspolitik der Bundesrepublik muss im Rahmen der
unveräußerlichen und unverletzlichen Menschenrechte bleiben. Die
Lageeinschätzung in Afghanistan darf nicht schon wieder politisch unrealistisch
gefälscht werden, um Abschiebungen zu ermöglichen. Die aktuelle Lage lässt laut
Gerichtsurteilen in Deutschland und des EGMR keine Rückführungen nach
Afghanistan oder Syrien zu.
Abgeschobene, Rückkehrer*innen und ihre Familien sind in Afghanistan in großer
Gefahr, das belegt eine Studie von der Diakonie und Brot für die Welt. Sie kommt
zu dem Ergebnis, dass für diese Personengruppe ein erhöhtes Risiko für
Verfolgung besteht.
Auch für Syrien stellt laut Tagesschau das Auswärtige Amt in einem Bericht fest:
"Eine sichere Rückkehr Geflüchteter kann derzeit für keine Region Syriens und
für keine Personengruppe gewährleistet, vorhergesagt oder gar überprüft werden".
Wir lehnen es zudem ab, Geld an die Taliban zu zahlen oder sie diplomatisch als
legitime Regierung anzuerkennen, um über Abschiebungen zu verhandeln. Der
Counterpart von Nancy Faeser - der afghanische de-facto Innenminister - Haqqani
ist ein international gesuchter islamistischer Topterrorist. Auf seine
Ergreifung sind 10 Millionen US-Dollar Kopfgeld vom FBI ausgesetzt.
Abschiebungen über Nachbarländer wie Usbekistan oder Pakistan haben die Taliban
bereits ausgeschlossen.
Ablehnung der Modelle zur Auslagerung von Asylverfahren in
Drittstaaten („Ruanda-Modelle“)
Großbritannien versucht seit Jahren erfolglos, Asylverfahren an Ruanda
auszulagern. Selbst wenn Gerichte das ermöglichen würden, sind die exorbitanten
Kosten von 500.000-2.000.000 Euro pro Abgeschobener Person ein Beleg dafür, dass
es sich hier um eine asylpolitische, populistische Sackgasse handelt. Das
Albanien-Modell, das von der postfaschistischen Regierung Italiens
vorangetrieben wird, ist auf Deutschland nicht übertragbar, da die betroffenen
Personen dafür in internationalen Gewässern aufgegriffen werden müssen. Eine
Gerichtsentscheidung zur rechtlichen Zulässigkeit des Modells in Italien steht
noch aus.
Wir lehnen Modelle zur Auslagerung von Asylverfahren ab und verteidigen
konsequent das Grundrecht auf Asyl. Damit schließen wir Grüne NRW uns den
Positionierungen zahlreicher Sachverständiger, des UNHCR und
Menschenrechtsorganisationen an, die vor menschenrechtlichen Problemen warnen.
Die Erfahrung mit bisherigen Modellen zeigt einer Stellungnahme vom Amnesty
zufolge, dass bisher kein Versuch der Auslagerung von Asylverfahrungen ohne
Menschenrechtsverletzungen auskam.
Wir stimmen Pro Asyl zu: „Mit diesem Vorschlag würde das Asylrecht in Europa
faktisch abgeschafft. Denn Menschen, die vor Kriegen und Verfolgung fliehen,
könnten auf dieser Basis in Deutschland und der Europäischen Union keinen Schutz
mehr bekommen. Die Bundesregierung sollte von diesem Irrweg klar Abstand nehmen
und sich stattdessen für die Achtung internationaler und europäischer
Schutzstandards, für eine effektive Unterstützung der Kommunen und für sichere
Fluchtwege einsetzen.“
Es muss Schluss sein, mit dem gegenseitigen Überbietungswettbewerb mit immer
noch radikaleren Forderungen.
Rechtsstaatliche Grundsätze müssen unangetastet bleiben:
Mehr Ressourcen für die Strafverfolgung statt Like-Polizei
Hasskriminalität, Desinformation und Radikalisierung im Netz sollte stärker
bekämpft werden. Deswegen begrüßen wir im Grundsatz die Initiative der
Bundesregierung, einen verstärkten Fokus darauf zu legen. Der aktuelle
Gesetzentwurf zur Verschärfung des Ausweisungsrechts wirft jedoch erhebliche
Fragen auf. Das eigentliche Ziel, Terror und Hass im Netz zu bekämpfen, wird
dieser Gesetzentwurf unserer Auffassung nach so nicht erreichen.
Die "Billigung", das Verbreiten von terrorverherrlichenden Inhalten, soll laut
Gesetzentwurf ausreichen, damit ein „schweres Ausweisungsinteresse“ vorliegt.
Diese sehr unspezifische Formulierung könnte übereinstimmenden Medienberichten
zufolge und unter Berufung auf ein Gerichtsurteil im Anhang des Gesetzentwurfes
auch Likes und Kommentare in sozialen Netzwerken einbeziehen. Eine
strafrechtliche Verurteilung soll vor einer Ausweisung nicht notwendig sein. Wir
wollen in unserem Rechtsstaat keine Like-Polizei, die Bürgerinnen und Bürger
massiv überwacht und Strafen verhängt, wenn man aus Versehen die falschen
Beiträge liked. Stattdessen brauchen wir endlich genügend Ressourcen, um die
wirklichen Verbrecher dingfest zu machen.
Wer schon einmal mit Hassverbrechen im Netz konfrontiert war, weiß, wie
überlastet und überfordert die Strafverfolgungsbehörden sind. Kaum ein Täter
wird gefasst. Hier braucht es endlich eine angemessene Ausstattung der
Strafverfolgungsbehörden, damit Straftäter sich durch Straflosigkeit nicht
länger in ihren Taten bestärkt fühlen, Hass schüren und Menschen mit
extremistischer Ideologie verführen können.
Wir fordern die Bundestagsfraktion auf, im parlamentarischen Verfahren dafür zu
sorgen, dass hier keine Regeln geschaffen werden, die willkürliches
Behördenhandeln fördern oder rechtliche Unklarheiten verschärfen. Law-and-Order-
Schnellschüssen sollten wir klare Absagen erteilen.
Die aktuellen Debatten um Auslagerung und Abschiebung leisten keinen ernsthaften
Beitrag zur Lösung der Fragen von Migration oder Asyl und erst nicht zu
Herausforderungen bei der Aufnahme und Integration von Geflüchteten. Der Abbau
von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit wird nicht zu Verbesserungen
beitragen, sondern das vorhandene Chaos und Leid noch verschärfen
Wir stellen uns klar gegen eine Politik der unrealistischen Polemik, die
Erwartungen weckt, die sie nie erfüllen kann. Stattdessen brauchen wir einen
ernsthaften Politikstil, der die Arme hochkrempelt, die Menschenwürde in Sprache
und Praxis achtet und sich der Lösung konkreter Probleme widmet. Weniger
sinnlose Bürokratie, mehr Investments in die Integration und einen Turbo für die
Arbeitsmarktintegration sind ebenso wichtig, wie eine Infrastruktur bei Bildung,
Gesundheit und Wohnen, die dem Einwanderungsland Deutschland gerecht wird.
Begründung
Begründung der Dringlichkeit
Die Beschlüsse der Ministerpräsident*innenkonferenz wurden erst am 20.06. gefasst. Der Kabinettsbeschluss zur Verschärfung des Ausweisungsrechts wurde am 26.06. gefasst. Relevante Stimmen zur Unterstützung von Rückführungen nach Afghanistan wurden erst in den letzten Tagen lauter, sodass hier eine Diskussion und Positionierung drängt.
Unterstützer*innen
- Sabine Yündem (KV Remscheid)
- Cim Kartal (KV Bielefeld)
- Dennis Nawrot (KV Gelsenkirchen)
- Patrick Jedamzik (KV Gelsenkirchen)
- Helena Jamal (KV Essen)
- Meike Gerwin (KV Gelsenkirchen)
- Petra Balje (LV Grüne Jugend NRW)
- Günther Bunte-Esders (KV Düsseldorf)
- Gaby Grosser-Tatoglu (KV Bielefeld)
- Emelie Segler (KV Minden-Lübbecke)
- Salvatore Mancuso (KV Köln)
- Denise Frings (KV Wuppertal)
- Theda de Morais Dourado (KV Düsseldorf)
- René Knott (KV Minden-Lübbecke)
- Svenja Bloom (KV Münster)
- Judith Erichlandwehr (KV Kleve)
- Jenny-Mai Guse (KV Düsseldorf)
- Lilli Hampeter (KV Düsseldorf)
- Clara Padberg (KV Bochum)
- Irmgard Pehle (KV Herford)
- Anja Boenke (KV Leverkusen)
- Selim Korkutan (KV Recklinghausen)
- Yousra El Makrini (KV Düsseldorf)
- Fabian Schalm (KV Düsseldorf)
- Sanjev Vijayakumar (KV Recklinghausen)