Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz 24./25. Mai 2025 in Köln |
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Tagesordnungspunkt: | 8. Verschiedenes |
Antragsteller*in: | LAG Gesundheit (dort beschlossen am: 09.04.2025) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 10.04.2025, 21:02 |
V8: Green Hospital Strategie - Der ökonomische Weg zum nachhaltigen Krankenhaus
Antragstext
Gesunde Menschen gibt es nur auf einem gesunden Planeten. Mit knapp 6% hat der
Gesundheitssektor einen hohen Anteil am deutschen bzw. globalen CO2-Ausstoß.
Dies ist unter anderem bedingt durch den hohen Energieverbrauch von
Gesundheitseinrichtungen, hohe Abfallmengen, ineffiziente Lieferketten und
umständliche Prozesse.
In Deutschland tragen teilstationäre und stationäre Gesundheitseinrichtungen
etwa 24,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente zu den nationalen Emissionen bei. Sie
sind damit relevanter Treiber von Umweltschäden und einer Verschärfung der
Klimakrise. Entsprechend des Planetary Health Konzeptes ist es notwendig, dass
wir Krankenhäuser befähigen, die medizinische Versorgung innerhalb der
planetaren Grenzen zu gewährleisten. Zudem bietet die Strategie mittelfristig
enorme Möglichkeiten, das Gesundheitssystem auch wirtschaftlich zu
stabilisieren.
In Zeiten von Fachkräftemangel werden klimaneutrale und klimaresiliente
Krankenhäuser zum attraktiven Arbeitsplatz und machen – als Begegnungsräume für
alle Teile unserer Gesellschaft – positive Zukunftsvisionen erlebbar. Die
deutschen Krankenhäuser können so ein Vorbild für andere Sektoren auf dem Weg
zur Klimaneutralität sein.
Wichtige Akteure im Deutschen Gesundheitssystem haben den hohen Stellenwert
dieses Themas erkannt. So hat der Deutsche Ärztetag bereits 2021 einen Beschluss
zu Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen gefasst. Auch die Deutsche
Krankenhausgesellschaft, die Bundesärztekammer und der Deutsche Pflegerat
betonen die Wichtigkeit klimaneutraler Gesundheitseinrichtungen.
Über das Energieeffizienzgesetz sind alle Unternehmen und auch Krankenhäuser
dazu verpflichtet Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer Einsparung des
Endenergieverbrauchs führen. Konkret bedeutet dies für alle Krankenhäuser mit
einem jährlichen Verbrauch von mehr als 7,5 GWh die Einführung eines
Energiemanagementsystems. Es ist davon auszugehen, dass dies nahezu alle
Krankenhäuser in Deutschland betrifft. Einrichtungen mit einem geringeren
Verbrauch sind jedoch bei einem jährlichen Verbrauch von mehr als 2,5 GWh
ebenfalls dazu verpflichtet, Umsetzungspläne für Endenergieeinsparmaßnahmen zu
erstellen und zu veröffentlichen. Öffentliche Stellen, zu denen z.B. die
Universitätskliniken zählen, müssen zudem jährliche Einsparungen des
Endenergieverbrauchs in Höhe von 2% bis 2045 erzielen.
Die Krankenhäuser stehen in Anbetracht der angespannten wirtschaftlichen
Situation bei der Umsetzung des Energieeffizienzgesetzes vor großen
Herausforderungen. Insbesondere investive Maßnahmen zur Verbesserung der
Energieeffizienz werden vielfach erschwert zu realisieren sein. Für die
wirtschaftliche Stabilität der Krankenhäuser und das Ziel der Klimaneutralität
ist ein effizienter Umgang mit der Ressource Energie jedoch entscheidend. Einige
Energie- und Umweltmanagementsysteme (z.B. EMAS) bieten zudem die Chance, die
Einhaltung der relevanten Umweltrechtsvorschriften strukturiert zu überwachen,
und optimieren somit die Rechtssicherheit für Krankenhäuser.
Wir möchten die Krankenhäuser dabei unterstützen, investive Maßnahmen zur
Optimierung der Energieeffizienz umzusetzen, die unter Berücksichtigung der
gesetzlichen Definition im Energieeffizienzgesetz als wirtschaftlich gelten. In
der kommunalen Wärmeplanung wollen wir die Anbindung von Krankenhäusern
priorisieren. Zusätzlich wollen wir Krankenhäuser dabei unterstützen,
regenerative Energiequellen mit wenig bürokratischem Aufwand zu installieren und
zu nutzen.
Zahlreiche Krankenhäuser in Deutschland müssen ab dem Bilanzjahr 2025 einen
Nachhaltigkeitsbericht erstellen. Grundlage ist die Corporate Sustainability
Reporting Directive (CSRD) der Europäischen Union. In diesen Berichten werden
erstmalig zahlreiche Kennzahlen zu sozialen und ökologischen
Nachhaltigkeitsthemen systematisch, digital und verpflichtend veröffentlicht.
Die CSRD ist primär eine Berichterstattung und gibt ohne eine Auswertung und
einen Vergleich der Kennzahlen keinen Hinweis darauf, wie nachhaltig ein
Krankenhaus tatsächlich ist.
Wir wollen die CRSD-Berichterstattung nutzen und weiterentwickeln, um auf
Grundlage der Berichte eine Vergleichbarkeit und ein transparentes Benchmarking
für deutsche Krankenhäuser zu entwickeln. So können realistische Ziele zur
Reduktion von Emissionen im Krankenhaussektor formuliert werden. Dies soll die
Grundlage für Entscheidungen und Reformen bilden. An der Entwicklung werden wir
zentrale Stakeholder im System beteiligen.
Krankenhäuser sollen nachhaltige Architektur und Bauweise im Sinne der
zirkulären Bauwirtschaft in allen Bauplanungen/-prozessen, insbesondere bei
Renovierungen und Neubauten, verpflichtend integrieren. Dies umfasst neben der
Nutzung umweltfreundlicher Materialien die Etablierung energieeffizienter
Gebäudekonzepte, die Umsetzung von Klimaschutz- und Klimaresilienzkonzepten
sowie die baulichen Voraussetzungen für ein umfassend inklusives, barrierefreies
Krankenhaus.
Die Gebäudestruktur der meisten deutschen Krankenhäuser ist nicht
energieeffizient. Dadurch ist der Weg zur Klimaneutralität deutlich erschwert
und mit hohen Kosten verbunden. Um dieser Herausforderung gerecht zu werden,
wollen wir die Investitionsmittel auf Landesebene aufstocken und die Erhöhungen
zweckgebunden für Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen vergeben. So werden
wir die Anwendung nachhaltiger Bau- und Renovierungsstandards (z.B. DGNB), den
Einsatz energieeffizienter Beleuchtungs-, Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen,
die Implementierung von Resilienzmaßnahmen (z.B. Hitze- und Hochwasserschutz)
unterstützen.
Einen großen Schritt haben wir Bündnisgrüne z.B. in Nordrhein-Westfalen bereits
im Rahmen der Krankenhausplanung erreicht: Die Landesregierung stellt insgesamt
2,5 Milliarden Euro zusätzlich für die Strukturveränderungen in der
Krankenhauslandschaft zur Verfügung. Ein Drittel der Gelder, also mehr als 800
Millionen Euro, sind dabei für Maßnahmen für Klimaschutz und Klimaanpassung
reserviert.
Die bisher genannten regulatorischen Rahmenbedingungen sind aktuell nicht
ausreichend, um die Transformation zum klimaneutralen Krankenhaussektor
umzusetzen. Gleichzeitig ist die Vielzahl unterschiedlicher Regularien und
Berichterstattungen schon jetzt eine erhebliche Belastung. In der Gesetzgebung
werden wir explizit darauf achten, dass neue Gesetze bestehende sinnvoll
ergänzen und die bürokratischen Belastungen durch die Nutzung von Synergien
verringert werden.
In Beschaffungs-, Aufbereitungs- und Abfallprozessen müssen energieeffiziente
Produkte und umweltfreundliche Materialien priorisiert werden. Krankenhäuser
müssen den gesamten Lebenszyklus von Produkten bewerten (Life-Cycle-
Assessments), um ökologisch sinnvolle Entscheidungen zwischen Einweg- und
Mehrwegartikeln zu treffen.
Bestehende Verpflichtungen zu konsequenter Mülltrennung müssen auch in
Krankenhäusern umgesetzt werden. Digitale Abfallmanagement- und
Aufbereitungssysteme können dabei unterstützen. Hierdurch können beispielsweise
kleinere OP-Siebe für den bedarfsgerechten Einsatz gepackt werden. Die Nutzung
von ökologischen, biologisch abbaubaren Reinigungsmitteln sollte konsequent
etabliert werden
Auch die planetare Grenze „Trinkwasser“ kann durch Reduktion des
Wasserverbrauchs, die Nutzung alternativer Wasserressourcen und
Wasserkreislaufsysteme in Krankenhäusern positiv beeinflusst werden. Dies sollte
im technologieoffenen Setting durch den Einsatz moderner, ressourcenschonender
Aufbereitungsverfahren wie Niedertemperatur-Sterilisation, UV-C-Aufbereitung und
zirkuläre und digitale Wasseraufbereitungs- und -managementsysteme gefördert
werden. Zudem sollte die Nutzung von Regen- und Grauwasser (z.B. für die
Toilettenspülung oder Bewässerung der Grünanalagen) etabliert werden.
Behandlungsstandards sind nach dem Kriterium des Ressourcenverbrauchs zu
bewerten. So zeigt beispielsweise die S2k-Leitlinie „klimabewusste Verordnung
von Inhalativa“, dass ressourcenschonender Einsatz von Medikamenten auch für die
Behandelten Vorteile bringen. Wir fordern die Vermeidung klimaschädlicher
Narkosegase (z.B. Desfluran) und Durchführung von Narkosegas-Recycling.
Die Ernährung im Krankenhaus ist nicht nur ein gesundheitlicher, sondern auch,
im Sinne der planetaren Ernährung, ein ökologischer Faktor. Sie hat einen hohen
Anteil an den Krankenhausemissionen. Dadurch bestehen erhebliche
Reduktionsmöglichkeiten, die gleichzeitig zu einer Imageverbesserung beitragen
können.
- Bereitstellung von Fahrradinfrastruktur und Dienstradleasing
- Installation von Ladesäulen für Elektrofahrzeuge
- Barrierefreie Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und Förderung
von Jobtickets - Anschaffung von Elektrofahrzeugen für innerbetriebliche Verkehre und
im Rettungsdienst - Anbieten von digitalen Sprechstunden zur Vermeidung von unnötigen
Transportwegen
Auch die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) wird in Zukunft den
Ressourcenverbrauch in Krankenhäusern entscheidend beeinflussen. Neben dem
möglichen Einsparen von personellen und finanziellen Ressourcen, muss der hohe
Energieverbrauch von KI-gestützten Maßnahmen in die Planung einbezogen werden.
Durch die Gestaltung ihrer Außenanlagen sollten Krankenhäuser zur Förderung der
ökologischen Vielfalt beitragen. Außerdem sind vielfältige Grünanlagen ein
effizienter und kostensparender Ansatz, um Krankenhäuser bei
Extremwetterereignissen, wie Hitze und Starkregen, resilienter zu machen.
Hierfür können beispielsweise folgende Maßnahmen umgesetzt werden:
Die Transformation zum klimaneutralen Krankenhaus erfordert Zeit und
Fachkompetenz. Diese kann nicht allein durch bestehende Strukturen abgedeckt
werden, sondern muss als neuer Fachbereich fest in der Krankenhausstruktur,
beispielsweise als Stabsstelle, verankert werden. Mittel- und langfristig werden
sich Neuanstellungen hier amortisieren. In Ländern und Bund wollen wir durch
Förderprogramme eine Anschubfinanzierung anstreben.
In vielen Krankenhäusern hat sich für die Umsetzung von Klimaschutz- und
Klimaanpassungsmaßnahmen die Etablierung eines Klimateams mit niederschwelligen
Angeboten durchgesetzt. Krankenhäuser müssen Fort- und Weiterbildungen anbieten,
um das Wissen und Bewusstsein der Mitarbeitenden für nachhaltige Praktiken und
die faire Teilhabe am Gesundheitssystem in Zeiten der Klimakrise zu stärken.
Darüber hinaus sollen Klinik regelmäßig und transparent (intern und extern) über
die Fortschritte bei der Umsetzung der Green Hospital Strategie berichten, um
Mitarbeitende, Patient:innen und Angehörige für die Ziele zu sensibilisieren.
Dies erfordert, dass die Green Hospital Strategie konsequent und in allen
Bereichen als Ziel für die Krankenhausgesetzgebung bzw. Krankenhausplanung
aufgenommen wird. Entsprechende Förderprogramme auf Landes- und Bundesebene sind
zu etablieren, um den Transformationsprozess zu beschleunigen. Das Empowerment
der Mitarbeitenden ist Schlüssel zum Erfolg.
Wir wollen soziale und ökologische Nachhaltigkeit als Qualitätselement
anerkennen. Mittelfristig wird dadurch auch die Wirtschaftlichkeit des (teil-
)stationären Sektors gestärkt. Entsprechend fordern wir, dass der
Transformationsfonds im Rahmen der Krankenhausreform um entsprechende Kriterien
erweitert wird. Außerdem wollen wir Klimaneutralität und -anpassung zum
Kernprinzip der Krankenhausplanung aller Bundesländer machen.
Begründung
Die LAG Gesundheit stellt diesen Antrag in dieser Ausführlichkeit, um der Komplexität der Thematik gerecht zu werden. Krankenhäuser sind hochkomplexe Systeme, deren ökologischer Fußabdruck durch Energieverbrauch, Materialeinsatz, Ernährung, Mobilität und bauliche Infrastruktur geprägt ist. Eine wirksame Transformation zur Klimaneutralität kann daher nur durch ein systemisches, ressortübergreifendes Vorgehen gelingen. Jeder Abschnitt des Antrags adressiert essenzielle Hebel, um die planetaren Belastungsgrenzen nicht weiter zu überschreiten – wie es das Konzept Planetary Health fordert.
Zugleich stehen Krankenhäuser vor ökonomischen und personellen Herausforderungen und brauchen daher eine systematische politische Flankierung. Die im Antrag enthaltenen Maßnahmen bilden daher die Grundlage und einen Baustein, um im Gesundheitssektor gezielt auf die Pariser Klimaziele hinzuwirken – durch Reduktion der Emissionen, Förderung von Klimaresilienz und ökologisch-soziale Innovationen. Die Länge des Antrags ist Ausdruck der Notwendigkeit, ganzheitliche Lösungen zu beschreiben und praktikable politische Instrumente zu entwickeln, die eine nachhaltige Transformation im Gesundheitssektor ermöglichen.