Antrag: | Zusammen das Beste geben: Mit Qualifikation, Teilhabe und Einwanderung mehr Fachkräfte gewinnen |
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Antragsteller*in: | Jürgen Klug |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Übernahme |
Eingereicht: | 11.04.2023, 17:51 |
ZU-01-32: Zusammen das Beste geben: Mit Qualifikation, Teilhabe und Einwanderung mehr Fachkräfte gewinnen
Antragstext
Von Zeile 32 bis 34 einfügen:
Ein Mangel an Ärzt*innen auf dem Land macht die Wege weit und gefährdet dort die Daseinsvorsorge insbesondere für ältere und mobilitätseingeschränkte Menschen. Gleichermaßen stellen Engpässe in den Pflegeberufen eine alternde Gesellschaft vor große Herausforderungen und erschweren die
Der Fach- und Arbeitskräftemangel in Nordrhein-Westfalen ist keine
branchenspezifische, sondern branchenübergreifende Herausforderung, die von der
Pflege, dem Gesundheitswesen, über die Industrie und die Unternehmen, das
Handwerk bis hin zu den Sozial-, Lehr- und Erziehungsberufen sowie öffentliche
Verwaltung und Justiz nahezu jeden Bereich betrifft. Der Fachkräftemangel ist
eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Denn er betrifft viele
systemkritische und lebenswichtige Leistungen der Daseinsvorsorge.
Der Mangel an Fach- und Arbeitskräften ist bereits jetzt deutlich spürbar. In
NRW fehlen schon heute über 400.000 Fachkräfte – überwiegend aus dem Bereich der
beruflich Qualifizierten. Bis zum Jahr 2030 werden es schon über 700.000
fehlende Fachkräfte in NRW sein. Die Situation wird sich in den nächsten Jahren
verschärfen, wenn wir nicht jetzt mittel- und langfristige Maßnahmen ergreifen.
Die Gründe für den Fachkräftemangel sind vielfältig: der demografische Wandel,
die Digitalisierung, die Dekarbonisierung und der Trend zur Akademisierung, der
nicht immer den tatsächlichen Bedarf des Arbeitsmarktes und die Bedürfnisse der
Menschen selbst widerspiegelt, sind wesentliche Gründe dafür.
Schon heute führt der Fach- und Arbeitskräftemangel zu großen Herausforderungen
in den verschiedenen Sektoren und besonders im ländlichen Raum. Der
Fachkräftemangel hat sich in den Sozial-, Erziehungs- und Lehrberufen dramatisch
verschärft und hat dabei unweigerlich Auswirkungen auf die Qualität der
pädagogischen Arbeit. Das Fachkräftedefizit in den Sozialberufen gefährdet nicht
nur das sichere Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen, etwa durch fehlendes
Personal in den Kitas, in der offenen Kinder- und Jugendarbeit und in der
Jugendhilfe, sondern auch die individuelle Chancengerechtigkeit insbesondere der
Kinder und Jugendlichen, die auf hochwertige Angebote aus Bildung, Erziehung und
Betreuung angewiesen sind. Für die Betreuung von Geflüchteten, die Schutz und
Unterstützung benötigen, braucht es zusätzlich ausreichend und gut
qualifiziertes Personal. Fehlende Fachkräfte in den Erziehungsberufen bedeuten
weniger Kita-Plätze, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unmöglich oder
zu einem regelmäßigen aufreibenden Drahtseilakt werden lassen – was wiederum zur
Folge hat, dass in anderen Bereichen Fachkräfte fehlen.
Ein Mangel an Ärzt*innen auf dem Land macht die Wege weit und gefährdet dort die
Daseinsvorsorge insbesondere für ältere und mobilitätseingeschränkte Menschen. Gleichermaßen stellen Engpässe in den Pflegeberufen eine
alternde Gesellschaft vor große Herausforderungen und erschweren die
Vereinbarkeit von Beruf und Sorgearbeit. Der Fachkräftemangel im öffentlichen
Dienst, ob in der Verwaltung, der Justiz, in den Jobcentern, im Schuldienst, in
den Krankenhäusern, Rettungsdiensten oder Feuerwehr und Polizei, hat massive
Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit und Daseinsvorsorge der Menschen und des
Staates. Förderverfahren, Hilfen und Zuschüsse können nur von einer personell
ausreichend ausgestatteten Verwaltung erfüllt werden. Wir alle profitieren
davon, wenn Förderanträge schneller bearbeitet werden, aber insbesondere für
Menschen, die ihn dringend benötigen, ist es eine existenzielle Frage, ob
beispielsweise ihr Wohngeldantrag zeitnah bewilligt oder ihnen rechtzeitig eine
Aufenthaltsgenehmigung ausgestellt wird. Der Fachkräftemangel im öffentlichen
Dienst schränkt schon heute die Handlungsfähigkeit der Behörden ein, die
unausweichliche Auswirkungen auf die Qualität und Quantität der Arbeit und das
gemeinschaftliche Zusammenleben hat.
In der Wirtschaft und Industrie belastet der Fach- und Arbeitskräftemangel fast
die Hälfte der Unternehmen. So erschwert der Mangel in der Logistik die
pünktliche Belieferung mit Rohstoffen und Vorarbeit der Industrie. Der Mangel an
Fachkräften im Handwerk bremst die Energiewende aus, sei es beim Einbau von
Wärmepumpen, bei der Montage von Photovoltaikanlagen oder beim Aufbau von
Windparks. Wir GRÜNE NRW sehen im Handwerk einen zentralen Verbündeten für den
Klimaschutz, genügend und gut geschulte Handwerker*innen sind für die Erfüllung
der Klimaschutzziele unabdingbar.
Je mehr Fachkräfte wegfallen und nicht nachkommen, desto mehr lastet die viele
Arbeit und der Druck auf den Schultern ein paar Weniger, die im Beruf geblieben
sind – womit wiederum das Risiko steigt, dass auch diese verbliebenen
Arbeitskräfte erschöpft den Beruf verlassen. Der Fachkräftemangel ist also nicht
nur eine Bedrohung für den Wohlstand unseres Landes, er ist auch für die
Menschen in unserem Land ein Risikofaktor. Klar ist, nicht nur für das Meistern
der Transformation zu klimaneutralem Wohlstand braucht es genügend und gut
qualifizierte Fachkräfte, sondern auch für eine starke soziale Infrastruktur,
die in diesem Transformationsprozess einer Verschärfung von sozialen
Ungleichheiten entgegenwirkt. In allen Bereichen gehen die Beschäftigten nach
wie vor bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit – und darüber hinaus – und
leisten großartige und hochmotivierte Arbeit. Diese Menschen werden wir nicht
allein lassen.
Fachkräftepotenzial wecken
NRW braucht viele und gut qualifizierte Fachkräfte – für ein gut
funktionierendes Sozial-, Bildungs- und Gesundheitssystem, für wirtschaftliches
Wachstum und den Erhalt des Wohlstands und für konsequenten Klimaschutz. Um den
Fachkräftemangel zu bekämpfen, bedarf es eines ganzheitlichen Ansatzes. Wir
GRÜNE NRW wollen das Fachkräftepotenzial in NRW wecken. Dafür starten wir eine
Fachkräfteoffensive, denn nur mit offensiven Maßnahmen lässt sich das Problem
dauerhaft und somit nachhaltig lösen. Dabei adressieren die folgenden fünf
Lösungsansätze den Fachkräftemangel aus den verschiedensten Bereichen.
So wollen Bündnis 90/Die Grünen NRW das Fach- und Arbeitskräftepotenzial in NRW
wecken:
- Erwerbspotenziale wirksamer heben.
- Einwanderung von Fachkräften aus dem Ausland durch ein modernes
Einwanderungsrecht ermöglichen.
- Berufliche Ausbildung stärken.
- Weiterbildung und Seiteneinstieg fördern.
- Arbeitsplätze attraktiver machen.
Chancen am Arbeitsmarkt für Alle schaffen
In NRW gibt es viel Potenzial, um die Erwerbsbeteiligung zu erhöhen: Eltern in
der Familienphase, Alleinerziehende, Menschen, die Angehörige pflegen und
Menschen mit Einwanderungsgeschichte. In der überwiegenden Zahl sind es Frauen,
die für die Betreuung der Familie oder die Pflege der Angehörigen in der
Erwerbsarbeit kürzertreten und unbezahlte Sorgearbeit leisten. Das führt dazu,
dass sie in ihrem Erwerbsleben weniger verdienen, sich weniger beruflich
entfalten können und sich das Risiko für Altersarmut erhöht. Wir GRÜNE NRW
erkennen an, dass vor allem Frauen durch eine mangelnde Vereinbarung von Care-
Arbeit und Beruf massive Nachteile erleiden, die wir entschieden bekämpfen
wollen. Viele möchten (wieder) in ihren alten Beruf einsteigen oder mittels
Quereinstiegs einen neuen Beruf bestreiten. Andere wiederum möchten eine
Aufstockung ihrer Arbeitsstunden. Wir müssen diejenigen entlasten, die unter der
Belastung leiden, Beruf und Care-Arbeit gleichzeitig zu stemmen und sie in ihrer
beruflichen Laufbahn unterstützen. Die Vereinbarkeit von Sorgearbeit und Beruf
kann nur dann vollständig und zufriedenstellend funktionieren, wenn
bürokratische Hürden und systematische Benachteiligungen beendet werden. Auf
Landesebene braucht es hierfür eine starke Infrastruktur für Vereinbarkeit durch
ausreichend Betreuungsplätze und qualitative, flexible Kinderbetreuung. Die Lage
in den Kindertageseinrichtungen, den stationären Jugendhilfeeinrichtungen und
Krankenhäusern ist zum jetzigen Zeitpunkt zum Teil dramatisch. Besonders deshalb
bedarf es in diesem Sektor ganzheitliche, zukunftsgewandte Lösungsansätze. Zudem
müssen Unternehmen dabei unterstützt werden, flexible Arbeitszeitmodelle – wo
möglich – anzubieten, damit sich Mitarbeiter*innen nicht entscheiden müssen, ob
sie sich um ein Familienmitglied kümmern oder Erwerbsarbeit leisten. Care-Arbeit
wird überdurchschnittlich von Frauen ausgeführt, die hierfür nicht entlohnt
werden. Diese Aufteilung ist nicht fair und es braucht hier ein
gesellschaftliches Umdenken.
Um noch mehr Menschen für Ausbildung und Qualifizierung zu gewinnen, bauen wir
Hürden ab, die Menschen mit Behinderungen im Wege stehen. Denn häufig sind sie
von hoher Arbeitslosigkeit oder prekären Arbeitsbedingungen betroffen. Dabei
sollten Ausbildungsangebote für ihre Bedarfe angepasst werden, z. B. durch eine
theoriereduzierte Ausbildung oder eine adäquate Ausstattung in den
Berufsschulen. Für einen inklusiven Arbeitsmarkt setzen wir uns für eine faire
Belohnung von Menschen mit Behinderung ein und unterstützen Unternehmen und
Betriebe darin, sie einzustellen. Eine selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit
Behinderungen am Arbeitsmarkt ist Grundlage einer inklusiven Gesellschaft.
Das Fachkräftepotenzial müssen wir auch für die bereits hier lebenden Menschen
mit Einwanderungsgeschichte heben, indem wir die Anerkennung von ausländischen
Abschlüssen verbessern und Menschen einen fairen Zugang entsprechend ihrer
Qualifikationen zum Arbeitsmarkt gewähren. Dabei gilt es auch strukturelle
Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt und bei der Vermittlung von Arbeit zu
bekämpfen, um Karrierewege zu eröffnen und Perspektiven zu geben. Die
Fachkräfteoffensive erfordert nicht nur einen Blick ins Ausland, um Chancen aus
der Zuwanderung zu nutzen.
Fachkraft braucht Bildung: Für ein starkes und faires Bildungsland NRW
Wir müssen auf dem Arbeitsmarkt jüngeren Generationen Chancen ermöglichen. Das
beginnt mit der frühkindlichen Bildung, benötigt auch einen sicheren
Schulabschluss und geht mit einer erfolgreichen beruflichen Ausbildung weiter.
Mit einem Schulabschluss ist die Chance, einen Ausbildungsplatz zu bekommen,
deutlich größer. Zehntausende verlassen die Schulen in NRW ohne Schulabschluss –
das werten wir als staatlichen Misserfolg; weitere junge Menschen bringen ihre
Ausbildung nicht zu Ende. Wir brauchen mehr individuelle Hilfsangebote, aber vor
allem mehr Chancen, die sich durch jeden Schul- und Ausbildungsabschluss
ergeben.
Wir von Bündnis 90/Die Grünen NRW wollen:
- uns auf Landesebene dafür einsetzen, dass mehr Möglichkeiten für bezahlte
Praktika geschaffen werden. Denn wer ohne finanzielle Not die Möglichkeit
bekommt, sich in verschiedenen Berufen zu orientieren, erweitert seine
eigenen Kompetenzen und hat mehr Möglichkeiten zur beruflichen
Orientierung.
- gendersensible Berufsorientierung stärken, um das Berufswahlspektrum zu
vergrößern, Orientierungstage und Praxisabschnitte verstärkter fördern.
- es für Unternehmen attraktiver machen mit Unterstützungsprogrammen von
beispielsweise IHKen, auch Menschen mit einem geringeren Bildungsabschluss
durch Aus- und Weiterbildung eine berufliche Zukunft bieten.
- Prüfen, wie eine Ausbildungsperspektive in die Vergabe öffentlicher
Aufträge eingebettet werden kann.
- mehr niedrigschwellige Beratungen in den Schulen zur Prävention von
psychischen Belastungssituationen ermöglichen.
- den Fokus auf schulabstinente Jugendliche verstärken und vermehrt
Programme zur Reintegration in den Schulalltag entwickeln und
unterstützen.
Ein modernes Einwanderungsrecht ermöglichen
NRW ist seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland. Von dieser Einwanderung
profitieren wir auf vielfältige Weise. Um dem Fachkräftemangel zukünftig zu
begegnen, sind wir so auch auf Zuwanderung noch stärker angewiesen. Damit sich
NRW als attraktiver Standort für Fachkräfte aus dem Ausland positioniert, ist
eine gesamtgesellschaftliche Wertschätzung unserer neuen Mitbürger*innen
besonders wichtig. So müssen wir ein modernes Einwanderungsrecht schaffen. Dazu
gehört eine unbürokratische und beschleunigte Anerkennung ausländischer
Abschlüsse und Berufsqualifikationen, ohne geltende Qualitätsstandards
einzubüßen. Wir begrüßen daher die Bemühungen der Bundesregierung, etwa durch
das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, die Erwerbsmigration zu vereinfachen und
Deutschland für ausländische Fachkräfte attraktiv zu machen. Flächendeckende,
leicht zugängliche und zielgruppenspezifische Sprach- und Integrationskurse sind
der Schlüssel für die schnelle Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Insbesondere
Sprachkurse, die in enger Verzahnung mit der jeweiligen Arbeitsstelle angeboten
werden, unterstützen nicht nur die schnelle Eingliederung in das Unternehmen,
sondern vereinfachen auch das Ankommen. Der Familienzuzug muss zudem
unkompliziert möglich sein. Darüber hinaus sind gut ausgestattete
Migrationsberatungsstellen entscheidend.
Geduldeten Menschen soll der Abschluss eines Ausbildungsvertrags sowie der
Einstieg auf dem Arbeitsmarkt selbst erleichtert werden. Wir GRÜNE NRW sehen in
der 3+2-Regelung des Aufenthaltsgesetzes ein wichtiges Instrument, um geduldeten
Menschen einen gesicherten Aufenthaltsstatus für die Zeit der Ausbildung zu
geben und zunächst für die darauffolgenden zwei Jahre der Beschäftigung, um in
den erlernten Beruf einzusteigen. Mit der 3+2-Regelung geben wir nicht nur
Menschen mit Duldung die nötige Sicherheit, ihre Ausbildung in Ruhe
abzuschließen und ins Berufsleben zu starten, sondern auch den
Handwerksbetrieben und mittelständischen Unternehmen Gewissheit, dass sie nicht
mit dem plötzlichen Verlust der neu eingestellten Mitarbeiter*innen rechnen
müssen. Der sogenannte „Spurwechsel“ ist damit nicht nur aus humanitären Gründen
richtig, sondern auch aus volkswirtschaftlichen Gründen notwendig.
Wir von Bündnis 90/Die Grünen NRW wollen:
- das Fachkräfteeinwanderungsgesetz der Bundesregierung gut in NRW umsetzen
und dafür die notwendigen Strukturen schaffen.
- ein flächendeckendes Angebot von Sprach- und Integrationskursen -
insbesondere durch das BAMF - in der Stadt und auf dem Land schaffen und
prüfen, wo Kurse in enger Kooperation mit dem Arbeitsmarkt verzahnt werden
können, um einen Praxisbezug und Kontakte zu Unternehmen und Einrichtungen
herzustellen.
- uns für eine volle Ausschöpfung und Stärkung der 3+2-Regelung des
Aufenthaltsgesetzes einsetzen, um Menschen mit Duldung und Unternehmen
eine klare Perspektive zu geben.
- den Spurwechsel im Aufenthaltsrecht ermöglichen.
- dass Abschlüsse und Berufserfahrungen von Geflüchteten bereits frühzeitig
erfasst werden und Hilfe bei der Anerkennung dieser geleistet wird.
Berufliche Ausbildung stärken
Wir brauchen eine moderne und leistungsfähige Berufsausbildung, damit die
Sozial- und Gesundheitswirtschaft, die Unternehmen, das Handwerk und der
öffentliche Dienst wettbewerbs- und handlungsfähig bleiben. Dafür müssen wir
weiterhin alle nötigen Maßnahmen ergreifen, um die Berufsausbildung wieder
attraktiver zu machen. Eine Fachkräfteoffensive geht nicht ohne eine
Ausbildungsoffensive. Allein in NRW waren im letzten Jahr 17.000 junge Menschen
auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz, 40.000 junge Menschen waren in
Übergangsprogrammen. Wir GRÜNE NRW wollen allen jungen Menschen eine sichere
Perspektive bieten, daher setzen wir uns für eine Lösung ein, die es allen
jungen Menschen ermöglicht, einen vollwertigen Berufsabschluss zu erreichen. Auf
Bundesebene und auf Landesebene machen wir uns dafür stark, dass mehr
Unternehmen Ausbildungsplätze bereitstellen. Wir unterstützen die GRÜNEN
Bemühungen für eine Ausbildungsgarantie auf Bundesebene, wie es im
Koalitionsvertrag auf Bundesebene verankert wurde. Gerade für die schulische
Ausbildung in Bereichen des akuten Fachkräftebedarfs, wie den Erziehungs- sowie
Gesundheits- und Pflegeberufen, dürfen keine zusätzlichen finanziellen Lasten
entstehen. Wir GRÜNE NRW stehen weiterhin für die Schulgeldfreiheit
vollzeitschulischer Berufsausbildung und eine faire Vergütung. Hierfür gilt es,
die tarifliche Bindung in der beruflichen Ausbildung zu stärken.
Zudem sind potenzielle Vorurteile gegenüber der beruflichen Ausbildung
abzubauen. Kinder aus Akademiker*innenhaushalten machen seltener eine
Berufsausbildung. Erst wenn das Bild der Gesellschaft geradegerückt ist, werden
wir das Fachkräftepotenzial heben. Die Ausbildung ist eine Bildungsbiografie
erster Klasse.
Damit das deutlich wird, müssen Schüler*innen an allen Schulformen über die
Chancen und Vorteile einer Berufsausbildung informiert werden, natürlich auch an
Gymnasien. Wir GRÜNE NRW tragen als Partei die Aufgabe, ein
gesamtgesellschaftliches Umdenken anzustoßen. Denn fest steht: Gerade die
berufliche Bildung eröffnet Chancen auf attraktive Karrieren, Handwerk hat
goldenen Boden. Auch in der Wirtschaft muss es hier ein Umdenken geben, denn
nicht für jeden Beruf muss man zwingend studiert haben. Für GRÜNE NRW gilt:
Berufliche und akademische Bildung ist gleichwertig! Ein wichtiger Impuls, dies
Realität werden zu lassen, ist die klare Verständigung im Koalitionsvertrag mit
der CDU NRW, die Anerkennung der Gleichwertigkeit von akademischer und
beruflicher Bildung im Rahmen des Deutschen Qualifikationsrahmens für
lebenslanges Lernen (DQR) verbindlich zu machen. Gleichwertigkeit äußert sich
auch in den Kosten, daher ist es das Ziel, die Kosten der Meisterausbildung für
die Teilnehmer*innen deutlich zu senken. Am Ende muss die Kostenfreiheit für die
Teilnehmer*innen der Weiterbildung zum Meister sowie zu gleichgestellten
Weiterbildungen stehen.
Wir von Bündnis 90/Die Grünen NRW wollen:
- mehr Ausbildungsbotschafter*innen an die Schulen bringen, die den
Schüler*innen aller Schulformen über persönliche Erfahrungen einer dualen
Ausbildung informieren, Austausch auf Augenhöhe bieten und Neugierde
wecken.
- eine Anpassung der Ausbildungsrahmenpläne über das Bundesinstitut für
Berufsbildung (BIBB) mit Blick auf Fähigkeiten der zukünftigen
Arbeitswelten.
- das Erfolgsmodell „Kein Abschluss ohne Anschluss“ weiterentwickeln und für
Jugendliche mit besonderem Unterstützungsbedarf anpassen.
- Azubiwohnheime ausbauen und die Möglichkeit zur Teilzeitausbildung
erhöhen, um die berufliche Ausbildung für mehr Menschen realisierbar zu
machen.
- die Finanzierung außerbetrieblicher und schulischer Ausbildungszentren
stärken und Bildungsorte modernisieren.
- eine größere Unterstützung von überbetrieblichen Ausbildungszentren in
Zusammenschluss von Unternehmen, gerade für kleinere Unternehmen, um
Ausbildung auch dort besser zu ermöglichen.
- prüfen, wie in Mangelberufen Ausbildungs- und Studienplatzkapazitäten
erhöht werden können.
Arbeit anpackbar machen
Vor dem Hintergrund der Transformation hin zur ersten klimaneutralen
Industrieregion Europas, werden Weiterbildung und Seiteneinstieg zentrale Rollen
bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels zukommen. Die Arbeitsfelder vieler
Berufe wandeln sich schon heute stark durch Dekarbonisierung und
Digitalisierung. Für die Menschen ist Weiterbildung ein zentrales Mittel, um
erwerbsfähig zu bleiben und nicht durch technischen Fortschritt und den
Strukturwandel abgehängt zu werden. Wo für die einen die Weiterbildung zur
Notwendigkeit wird, verspüren die anderen den freiwilligen Wunsch nach
beruflicher Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten.
Der Seiteneinstieg bietet Chancen, dem Wunsch nach beruflicher Neuorientierung
nachzukommen oder auf persönliche Umbrüche reagieren zu können und weiterhin
erwerbsfähig zu bleiben. In allen Berufsbereichen, in denen akuter Fachkräfte-
und Arbeitskräftemangel herrscht, und besonders in den Sozial-, Erziehungs- und
Pflegeberufen, wollen wir prüfen, durch welche weiteren akademischen und nicht-
akademischen Abschlüsse wir Quer- und Seiteneinsteiger*innen gewinnen.
Weiterbildung ist ein Zeichen der Stärke, der Wechsel in Arbeitsbiografien die
neue Normalität.
Wir von Bündnis 90/Die Grünen NRW wollen:
- bei den essenziellen Branchen für unseren Strukturwandel eine
Informationskampagne für mehr Weiterbildung starten und eine größere
finanzielle Unterstützung ermöglichen.
- die Fördermöglichkeiten des Bürgergeldes nutzen, um mehr Menschen eine
Weiterbildung zu ermöglichen.
- prüfen, welche akademischen und nicht-akademischen Abschlüsse in den
verschiedenen Sektoren einen Quer- und Seiteneinstieg möglich machen
können.
- mehr modularisierte Ausbildungsformen stärken und Anrechenbarkeit von
bereits erbrachten Leistungen berücksichtigen.
Arbeitsplätze attraktiver machen
Das Fachkräftepotenzial können wir nur wecken, wenn Erwerbstätige gute
Arbeitsbedingungen auf dem Arbeitsmarkt vorfinden. Zukunftsfeste Jobs,
tarifliche Bezahlung, flexible Arbeitszeiten, Aufstiegsmöglichkeiten und guter
Arbeits- und Gesundheitsschutz sind hierfür essenzielle Rahmenbedingungen. Dabei
bietet die in so vielen Bereichen unserer Gesellschaft zwingend notwendige
Transformation große Chancen für die Unternehmen, nicht nur ihr Geschäftsmodell
zukunftsfähig aufzustellen, sondern in Zeiten des Fachkräftemangels vor allem
eine Chance attraktive Arbeitsplätze bieten zu können. Wir GRÜNE NRW wollen
hierzu weiterhin im engen Austausch mit den Arbeitnehmer*innenverbänden, den
Gewerkschaften sowie den Unternehmen stehen. Zusätzlich müssen wir
Unterstützungsmaßnahmen ausbauen, um die Fachkräfte zu halten, die in den
betroffenen Bereichen bereits arbeiten. In den Sozial- und Erziehungsberufen
leistet der Einsatz der Alltagshelfer*innen bereits große Unterstützung. So
sorgen wir nicht nur für neue Fachkräfte, sondern entlasten auch die, die
bereits in dem Beruf tätig sind.
Nicht zuletzt müssen wir als Gesellschaft dazu beitragen, die Attraktivität der
Berufe durch eine wertschätzende Haltung zu steigern. Die Corona-Pandemie hat
uns stärker als je zuvor den essenziellen gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Stellenwert der Gesundheits-, Pflege-, Erziehungs- und
Lehrberufen vor Augen geführt. Gleichzeitig wurde hier auch für alle sichtbar,
welche strukturellen Schwierigkeiten in der Versorgung durch fehlende
Arbeitskräfte in den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen herrschen. In Zeiten
des akuten Mangels an Handwerker*innen merkt spätestens jetzt jede*r, wie
systemrelevant auch diese Berufszweige für das wirtschaftliche Gefüge und das
Meistern der großen Transformationsaufgaben sind. Erst wenn wir diesen
Berufsgruppen mehr gesellschaftliche Anerkennung zollen und gute
Arbeitsbedingungen schaffen, werden sich – vor allem jüngere Menschen –
verstärkter diese Berufszweige bei ihrer Berufswahl in Erwägung ziehen.
Digitalisierung, KI und Robotik für die Menschen
Digitalisierung, KI und Robotik hat das Potenzial den Fachkräftemangel zu
reduzieren. Dabei geht es uns GRÜNEN NRW darum, Menschen von Arbeiten zu
entlasten und nicht Menschen bei der Arbeit zu ersetzen. Digitalisierung und vor
allem Künstliche Intelligenz kann von Routineaufgaben auch in Handwerksbetrieben
entlasten, z. B. bei der Buchhaltung, Personalverwaltung oder der
Angebotserstellung. Die Start-Up-Landschaft in NRW nimmt hierbei eine
potenzielle Innovationsfunktion ein, die wir als Land unterstützen wollen.
Der digitale Produktpass wird für eingesetzte Materialien nicht nur
Weiterverkauf und Recycling erleichtern, sondern erlaubt auch, in Bezug auf
eingesetzte Produkte, informierte Entscheidungen zu treffen, z. B. zur
Kompatibilität verschiedener Materialien.
Fortschritte im Bereich der Robotik bieten die Chance, körperlich anstrengende
oder auch gefährliche Arbeiten zu erleichtern, sicherer zu machen oder sogar
ganz abzunehmen und kann so zu Gesundheit und Arbeitszufriedenheit von
Handwerker*innen, Pflegenden, Lagerist*innen beitragen. Um diese Vorteile nutzen
zu können, ist eine Vermittlung notwendiger Kompetenzen in Aus- und
Weiterbildung wichtig. Kooperationen zwischen Unternehmen, Handwerksbetrieben,
Hochschulen und Forschungseinrichtungen tragen dazu bei, aktuelle
Technologieentwicklungen zügig zum Einsatz in der Praxis zu bringen. Diese
Kooperationen wollen wir als Land NRW unterstützen.
Wir von Bündnis 90/Die Grünen NRW wollen:
- wo möglich und sinnvoll, die vorhandenen Fachkräfte in den verschiedenen
Sektoren in ihrem Alltag durch individuelle Helfer*innenmodelle gezielt
und dauerhaft verlässlich entlasten, etwa durch den Einsatz von
Verwaltungsassistent*innen. Diese Möglichkeit wollen wir durch
verpflichtende Weiterbildungsprogramme für Quereinsteiger*innen in den
systemrelevanten Branchen ermöglichen.
- das Kita-Helfer-Programm verstetigen, damit sich pädagogische Fachkräfte
auf ihre pädagogische Arbeit konzentrieren können.
- gezielte Anreize schaffen, z. B. durch flexible Arbeitszeitmodelle, um
Arbeitsplätze attraktiv zu machen.
- uns dafür einsetzen, dass frauendominierte Berufe durch bessere Aufstiegs-
und Weiterbildungsperspektiven gestärkt und durch eine bessere Bezahlung
aufgewertet werden.
- ein Umdenken in der Gesellschaft anstoßen, etwa durch Imagekampagnen, um
den systemrelevanten Berufszweigen die Anerkennung und Wertschätzung zu
zollen, die ihnen gebührt.
- den Präventionsaspekt in der täglichen Arbeit mehr in den Mittelpunkt
stellen. Es muss gelingen die aktuellen Fachkräfte gesund in ihrem System
zu halten oder wiedereinzugliedern.
Unterstützer*innen
- Lennard Schlöffel (KV Soest)
- Andrea Piro (KV Rhein-Sieg)
- René Adiyaman (KV Ennepe-Ruhr)
- Peter Kubath (KV Soest)
- Koi Katha Blaeser (KV Düren)
- Nabiha Ghanem (KV Soest)
- Andreas Franco (KV Köln)
- Holger Künemund (KV Soest)
- Wilhelm Roer (KV Soest)
- Anastasia Hansen (KV Rhein-Sieg)
- Thomas Reimann (KV Soest)
- Michael Aßmann (KV Steinfurt)
- Ulrike Osman-Christen (KV Soest)
- Mathilde Heise (KV Soest)
- Marc Kersten (KV Köln)
- Annette Von dem Bottlenberg (KV Soest)
- Andrea Klose-Kremp (KV Soest)
- Dani Marie Brück (KV Oberberg)
- Christine Dembinsky (KV Soest)
- Brigitte Kemnitz (KV Rhein-Sieg)
Von Zeile 32 bis 34 einfügen:
Ein Mangel an Ärzt*innen auf dem Land macht die Wege weit und gefährdet dort die Daseinsvorsorge insbesondere für ältere und mobilitätseingeschränkte Menschen. Gleichermaßen stellen Engpässe in den Pflegeberufen eine alternde Gesellschaft vor große Herausforderungen und erschweren die
Der Fach- und Arbeitskräftemangel in Nordrhein-Westfalen ist keine
branchenspezifische, sondern branchenübergreifende Herausforderung, die von der
Pflege, dem Gesundheitswesen, über die Industrie und die Unternehmen, das
Handwerk bis hin zu den Sozial-, Lehr- und Erziehungsberufen sowie öffentliche
Verwaltung und Justiz nahezu jeden Bereich betrifft. Der Fachkräftemangel ist
eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Denn er betrifft viele
systemkritische und lebenswichtige Leistungen der Daseinsvorsorge.
Der Mangel an Fach- und Arbeitskräften ist bereits jetzt deutlich spürbar. In
NRW fehlen schon heute über 400.000 Fachkräfte – überwiegend aus dem Bereich der
beruflich Qualifizierten. Bis zum Jahr 2030 werden es schon über 700.000
fehlende Fachkräfte in NRW sein. Die Situation wird sich in den nächsten Jahren
verschärfen, wenn wir nicht jetzt mittel- und langfristige Maßnahmen ergreifen.
Die Gründe für den Fachkräftemangel sind vielfältig: der demografische Wandel,
die Digitalisierung, die Dekarbonisierung und der Trend zur Akademisierung, der
nicht immer den tatsächlichen Bedarf des Arbeitsmarktes und die Bedürfnisse der
Menschen selbst widerspiegelt, sind wesentliche Gründe dafür.
Schon heute führt der Fach- und Arbeitskräftemangel zu großen Herausforderungen
in den verschiedenen Sektoren und besonders im ländlichen Raum. Der
Fachkräftemangel hat sich in den Sozial-, Erziehungs- und Lehrberufen dramatisch
verschärft und hat dabei unweigerlich Auswirkungen auf die Qualität der
pädagogischen Arbeit. Das Fachkräftedefizit in den Sozialberufen gefährdet nicht
nur das sichere Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen, etwa durch fehlendes
Personal in den Kitas, in der offenen Kinder- und Jugendarbeit und in der
Jugendhilfe, sondern auch die individuelle Chancengerechtigkeit insbesondere der
Kinder und Jugendlichen, die auf hochwertige Angebote aus Bildung, Erziehung und
Betreuung angewiesen sind. Für die Betreuung von Geflüchteten, die Schutz und
Unterstützung benötigen, braucht es zusätzlich ausreichend und gut
qualifiziertes Personal. Fehlende Fachkräfte in den Erziehungsberufen bedeuten
weniger Kita-Plätze, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unmöglich oder
zu einem regelmäßigen aufreibenden Drahtseilakt werden lassen – was wiederum zur
Folge hat, dass in anderen Bereichen Fachkräfte fehlen.
Ein Mangel an Ärzt*innen auf dem Land macht die Wege weit und gefährdet dort die
Daseinsvorsorge insbesondere für ältere und mobilitätseingeschränkte Menschen. Gleichermaßen stellen Engpässe in den Pflegeberufen eine
alternde Gesellschaft vor große Herausforderungen und erschweren die
Vereinbarkeit von Beruf und Sorgearbeit. Der Fachkräftemangel im öffentlichen
Dienst, ob in der Verwaltung, der Justiz, in den Jobcentern, im Schuldienst, in
den Krankenhäusern, Rettungsdiensten oder Feuerwehr und Polizei, hat massive
Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit und Daseinsvorsorge der Menschen und des
Staates. Förderverfahren, Hilfen und Zuschüsse können nur von einer personell
ausreichend ausgestatteten Verwaltung erfüllt werden. Wir alle profitieren
davon, wenn Förderanträge schneller bearbeitet werden, aber insbesondere für
Menschen, die ihn dringend benötigen, ist es eine existenzielle Frage, ob
beispielsweise ihr Wohngeldantrag zeitnah bewilligt oder ihnen rechtzeitig eine
Aufenthaltsgenehmigung ausgestellt wird. Der Fachkräftemangel im öffentlichen
Dienst schränkt schon heute die Handlungsfähigkeit der Behörden ein, die
unausweichliche Auswirkungen auf die Qualität und Quantität der Arbeit und das
gemeinschaftliche Zusammenleben hat.
In der Wirtschaft und Industrie belastet der Fach- und Arbeitskräftemangel fast
die Hälfte der Unternehmen. So erschwert der Mangel in der Logistik die
pünktliche Belieferung mit Rohstoffen und Vorarbeit der Industrie. Der Mangel an
Fachkräften im Handwerk bremst die Energiewende aus, sei es beim Einbau von
Wärmepumpen, bei der Montage von Photovoltaikanlagen oder beim Aufbau von
Windparks. Wir GRÜNE NRW sehen im Handwerk einen zentralen Verbündeten für den
Klimaschutz, genügend und gut geschulte Handwerker*innen sind für die Erfüllung
der Klimaschutzziele unabdingbar.
Je mehr Fachkräfte wegfallen und nicht nachkommen, desto mehr lastet die viele
Arbeit und der Druck auf den Schultern ein paar Weniger, die im Beruf geblieben
sind – womit wiederum das Risiko steigt, dass auch diese verbliebenen
Arbeitskräfte erschöpft den Beruf verlassen. Der Fachkräftemangel ist also nicht
nur eine Bedrohung für den Wohlstand unseres Landes, er ist auch für die
Menschen in unserem Land ein Risikofaktor. Klar ist, nicht nur für das Meistern
der Transformation zu klimaneutralem Wohlstand braucht es genügend und gut
qualifizierte Fachkräfte, sondern auch für eine starke soziale Infrastruktur,
die in diesem Transformationsprozess einer Verschärfung von sozialen
Ungleichheiten entgegenwirkt. In allen Bereichen gehen die Beschäftigten nach
wie vor bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit – und darüber hinaus – und
leisten großartige und hochmotivierte Arbeit. Diese Menschen werden wir nicht
allein lassen.
Fachkräftepotenzial wecken
NRW braucht viele und gut qualifizierte Fachkräfte – für ein gut
funktionierendes Sozial-, Bildungs- und Gesundheitssystem, für wirtschaftliches
Wachstum und den Erhalt des Wohlstands und für konsequenten Klimaschutz. Um den
Fachkräftemangel zu bekämpfen, bedarf es eines ganzheitlichen Ansatzes. Wir
GRÜNE NRW wollen das Fachkräftepotenzial in NRW wecken. Dafür starten wir eine
Fachkräfteoffensive, denn nur mit offensiven Maßnahmen lässt sich das Problem
dauerhaft und somit nachhaltig lösen. Dabei adressieren die folgenden fünf
Lösungsansätze den Fachkräftemangel aus den verschiedensten Bereichen.
So wollen Bündnis 90/Die Grünen NRW das Fach- und Arbeitskräftepotenzial in NRW
wecken:
- Erwerbspotenziale wirksamer heben.
- Einwanderung von Fachkräften aus dem Ausland durch ein modernes
Einwanderungsrecht ermöglichen.
- Berufliche Ausbildung stärken.
- Weiterbildung und Seiteneinstieg fördern.
- Arbeitsplätze attraktiver machen.
Chancen am Arbeitsmarkt für Alle schaffen
In NRW gibt es viel Potenzial, um die Erwerbsbeteiligung zu erhöhen: Eltern in
der Familienphase, Alleinerziehende, Menschen, die Angehörige pflegen und
Menschen mit Einwanderungsgeschichte. In der überwiegenden Zahl sind es Frauen,
die für die Betreuung der Familie oder die Pflege der Angehörigen in der
Erwerbsarbeit kürzertreten und unbezahlte Sorgearbeit leisten. Das führt dazu,
dass sie in ihrem Erwerbsleben weniger verdienen, sich weniger beruflich
entfalten können und sich das Risiko für Altersarmut erhöht. Wir GRÜNE NRW
erkennen an, dass vor allem Frauen durch eine mangelnde Vereinbarung von Care-
Arbeit und Beruf massive Nachteile erleiden, die wir entschieden bekämpfen
wollen. Viele möchten (wieder) in ihren alten Beruf einsteigen oder mittels
Quereinstiegs einen neuen Beruf bestreiten. Andere wiederum möchten eine
Aufstockung ihrer Arbeitsstunden. Wir müssen diejenigen entlasten, die unter der
Belastung leiden, Beruf und Care-Arbeit gleichzeitig zu stemmen und sie in ihrer
beruflichen Laufbahn unterstützen. Die Vereinbarkeit von Sorgearbeit und Beruf
kann nur dann vollständig und zufriedenstellend funktionieren, wenn
bürokratische Hürden und systematische Benachteiligungen beendet werden. Auf
Landesebene braucht es hierfür eine starke Infrastruktur für Vereinbarkeit durch
ausreichend Betreuungsplätze und qualitative, flexible Kinderbetreuung. Die Lage
in den Kindertageseinrichtungen, den stationären Jugendhilfeeinrichtungen und
Krankenhäusern ist zum jetzigen Zeitpunkt zum Teil dramatisch. Besonders deshalb
bedarf es in diesem Sektor ganzheitliche, zukunftsgewandte Lösungsansätze. Zudem
müssen Unternehmen dabei unterstützt werden, flexible Arbeitszeitmodelle – wo
möglich – anzubieten, damit sich Mitarbeiter*innen nicht entscheiden müssen, ob
sie sich um ein Familienmitglied kümmern oder Erwerbsarbeit leisten. Care-Arbeit
wird überdurchschnittlich von Frauen ausgeführt, die hierfür nicht entlohnt
werden. Diese Aufteilung ist nicht fair und es braucht hier ein
gesellschaftliches Umdenken.
Um noch mehr Menschen für Ausbildung und Qualifizierung zu gewinnen, bauen wir
Hürden ab, die Menschen mit Behinderungen im Wege stehen. Denn häufig sind sie
von hoher Arbeitslosigkeit oder prekären Arbeitsbedingungen betroffen. Dabei
sollten Ausbildungsangebote für ihre Bedarfe angepasst werden, z. B. durch eine
theoriereduzierte Ausbildung oder eine adäquate Ausstattung in den
Berufsschulen. Für einen inklusiven Arbeitsmarkt setzen wir uns für eine faire
Belohnung von Menschen mit Behinderung ein und unterstützen Unternehmen und
Betriebe darin, sie einzustellen. Eine selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit
Behinderungen am Arbeitsmarkt ist Grundlage einer inklusiven Gesellschaft.
Das Fachkräftepotenzial müssen wir auch für die bereits hier lebenden Menschen
mit Einwanderungsgeschichte heben, indem wir die Anerkennung von ausländischen
Abschlüssen verbessern und Menschen einen fairen Zugang entsprechend ihrer
Qualifikationen zum Arbeitsmarkt gewähren. Dabei gilt es auch strukturelle
Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt und bei der Vermittlung von Arbeit zu
bekämpfen, um Karrierewege zu eröffnen und Perspektiven zu geben. Die
Fachkräfteoffensive erfordert nicht nur einen Blick ins Ausland, um Chancen aus
der Zuwanderung zu nutzen.
Fachkraft braucht Bildung: Für ein starkes und faires Bildungsland NRW
Wir müssen auf dem Arbeitsmarkt jüngeren Generationen Chancen ermöglichen. Das
beginnt mit der frühkindlichen Bildung, benötigt auch einen sicheren
Schulabschluss und geht mit einer erfolgreichen beruflichen Ausbildung weiter.
Mit einem Schulabschluss ist die Chance, einen Ausbildungsplatz zu bekommen,
deutlich größer. Zehntausende verlassen die Schulen in NRW ohne Schulabschluss –
das werten wir als staatlichen Misserfolg; weitere junge Menschen bringen ihre
Ausbildung nicht zu Ende. Wir brauchen mehr individuelle Hilfsangebote, aber vor
allem mehr Chancen, die sich durch jeden Schul- und Ausbildungsabschluss
ergeben.
Wir von Bündnis 90/Die Grünen NRW wollen:
- uns auf Landesebene dafür einsetzen, dass mehr Möglichkeiten für bezahlte
Praktika geschaffen werden. Denn wer ohne finanzielle Not die Möglichkeit
bekommt, sich in verschiedenen Berufen zu orientieren, erweitert seine
eigenen Kompetenzen und hat mehr Möglichkeiten zur beruflichen
Orientierung.
- gendersensible Berufsorientierung stärken, um das Berufswahlspektrum zu
vergrößern, Orientierungstage und Praxisabschnitte verstärkter fördern.
- es für Unternehmen attraktiver machen mit Unterstützungsprogrammen von
beispielsweise IHKen, auch Menschen mit einem geringeren Bildungsabschluss
durch Aus- und Weiterbildung eine berufliche Zukunft bieten.
- Prüfen, wie eine Ausbildungsperspektive in die Vergabe öffentlicher
Aufträge eingebettet werden kann.
- mehr niedrigschwellige Beratungen in den Schulen zur Prävention von
psychischen Belastungssituationen ermöglichen.
- den Fokus auf schulabstinente Jugendliche verstärken und vermehrt
Programme zur Reintegration in den Schulalltag entwickeln und
unterstützen.
Ein modernes Einwanderungsrecht ermöglichen
NRW ist seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland. Von dieser Einwanderung
profitieren wir auf vielfältige Weise. Um dem Fachkräftemangel zukünftig zu
begegnen, sind wir so auch auf Zuwanderung noch stärker angewiesen. Damit sich
NRW als attraktiver Standort für Fachkräfte aus dem Ausland positioniert, ist
eine gesamtgesellschaftliche Wertschätzung unserer neuen Mitbürger*innen
besonders wichtig. So müssen wir ein modernes Einwanderungsrecht schaffen. Dazu
gehört eine unbürokratische und beschleunigte Anerkennung ausländischer
Abschlüsse und Berufsqualifikationen, ohne geltende Qualitätsstandards
einzubüßen. Wir begrüßen daher die Bemühungen der Bundesregierung, etwa durch
das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, die Erwerbsmigration zu vereinfachen und
Deutschland für ausländische Fachkräfte attraktiv zu machen. Flächendeckende,
leicht zugängliche und zielgruppenspezifische Sprach- und Integrationskurse sind
der Schlüssel für die schnelle Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Insbesondere
Sprachkurse, die in enger Verzahnung mit der jeweiligen Arbeitsstelle angeboten
werden, unterstützen nicht nur die schnelle Eingliederung in das Unternehmen,
sondern vereinfachen auch das Ankommen. Der Familienzuzug muss zudem
unkompliziert möglich sein. Darüber hinaus sind gut ausgestattete
Migrationsberatungsstellen entscheidend.
Geduldeten Menschen soll der Abschluss eines Ausbildungsvertrags sowie der
Einstieg auf dem Arbeitsmarkt selbst erleichtert werden. Wir GRÜNE NRW sehen in
der 3+2-Regelung des Aufenthaltsgesetzes ein wichtiges Instrument, um geduldeten
Menschen einen gesicherten Aufenthaltsstatus für die Zeit der Ausbildung zu
geben und zunächst für die darauffolgenden zwei Jahre der Beschäftigung, um in
den erlernten Beruf einzusteigen. Mit der 3+2-Regelung geben wir nicht nur
Menschen mit Duldung die nötige Sicherheit, ihre Ausbildung in Ruhe
abzuschließen und ins Berufsleben zu starten, sondern auch den
Handwerksbetrieben und mittelständischen Unternehmen Gewissheit, dass sie nicht
mit dem plötzlichen Verlust der neu eingestellten Mitarbeiter*innen rechnen
müssen. Der sogenannte „Spurwechsel“ ist damit nicht nur aus humanitären Gründen
richtig, sondern auch aus volkswirtschaftlichen Gründen notwendig.
Wir von Bündnis 90/Die Grünen NRW wollen:
- das Fachkräfteeinwanderungsgesetz der Bundesregierung gut in NRW umsetzen
und dafür die notwendigen Strukturen schaffen.
- ein flächendeckendes Angebot von Sprach- und Integrationskursen -
insbesondere durch das BAMF - in der Stadt und auf dem Land schaffen und
prüfen, wo Kurse in enger Kooperation mit dem Arbeitsmarkt verzahnt werden
können, um einen Praxisbezug und Kontakte zu Unternehmen und Einrichtungen
herzustellen.
- uns für eine volle Ausschöpfung und Stärkung der 3+2-Regelung des
Aufenthaltsgesetzes einsetzen, um Menschen mit Duldung und Unternehmen
eine klare Perspektive zu geben.
- den Spurwechsel im Aufenthaltsrecht ermöglichen.
- dass Abschlüsse und Berufserfahrungen von Geflüchteten bereits frühzeitig
erfasst werden und Hilfe bei der Anerkennung dieser geleistet wird.
Berufliche Ausbildung stärken
Wir brauchen eine moderne und leistungsfähige Berufsausbildung, damit die
Sozial- und Gesundheitswirtschaft, die Unternehmen, das Handwerk und der
öffentliche Dienst wettbewerbs- und handlungsfähig bleiben. Dafür müssen wir
weiterhin alle nötigen Maßnahmen ergreifen, um die Berufsausbildung wieder
attraktiver zu machen. Eine Fachkräfteoffensive geht nicht ohne eine
Ausbildungsoffensive. Allein in NRW waren im letzten Jahr 17.000 junge Menschen
auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz, 40.000 junge Menschen waren in
Übergangsprogrammen. Wir GRÜNE NRW wollen allen jungen Menschen eine sichere
Perspektive bieten, daher setzen wir uns für eine Lösung ein, die es allen
jungen Menschen ermöglicht, einen vollwertigen Berufsabschluss zu erreichen. Auf
Bundesebene und auf Landesebene machen wir uns dafür stark, dass mehr
Unternehmen Ausbildungsplätze bereitstellen. Wir unterstützen die GRÜNEN
Bemühungen für eine Ausbildungsgarantie auf Bundesebene, wie es im
Koalitionsvertrag auf Bundesebene verankert wurde. Gerade für die schulische
Ausbildung in Bereichen des akuten Fachkräftebedarfs, wie den Erziehungs- sowie
Gesundheits- und Pflegeberufen, dürfen keine zusätzlichen finanziellen Lasten
entstehen. Wir GRÜNE NRW stehen weiterhin für die Schulgeldfreiheit
vollzeitschulischer Berufsausbildung und eine faire Vergütung. Hierfür gilt es,
die tarifliche Bindung in der beruflichen Ausbildung zu stärken.
Zudem sind potenzielle Vorurteile gegenüber der beruflichen Ausbildung
abzubauen. Kinder aus Akademiker*innenhaushalten machen seltener eine
Berufsausbildung. Erst wenn das Bild der Gesellschaft geradegerückt ist, werden
wir das Fachkräftepotenzial heben. Die Ausbildung ist eine Bildungsbiografie
erster Klasse.
Damit das deutlich wird, müssen Schüler*innen an allen Schulformen über die
Chancen und Vorteile einer Berufsausbildung informiert werden, natürlich auch an
Gymnasien. Wir GRÜNE NRW tragen als Partei die Aufgabe, ein
gesamtgesellschaftliches Umdenken anzustoßen. Denn fest steht: Gerade die
berufliche Bildung eröffnet Chancen auf attraktive Karrieren, Handwerk hat
goldenen Boden. Auch in der Wirtschaft muss es hier ein Umdenken geben, denn
nicht für jeden Beruf muss man zwingend studiert haben. Für GRÜNE NRW gilt:
Berufliche und akademische Bildung ist gleichwertig! Ein wichtiger Impuls, dies
Realität werden zu lassen, ist die klare Verständigung im Koalitionsvertrag mit
der CDU NRW, die Anerkennung der Gleichwertigkeit von akademischer und
beruflicher Bildung im Rahmen des Deutschen Qualifikationsrahmens für
lebenslanges Lernen (DQR) verbindlich zu machen. Gleichwertigkeit äußert sich
auch in den Kosten, daher ist es das Ziel, die Kosten der Meisterausbildung für
die Teilnehmer*innen deutlich zu senken. Am Ende muss die Kostenfreiheit für die
Teilnehmer*innen der Weiterbildung zum Meister sowie zu gleichgestellten
Weiterbildungen stehen.
Wir von Bündnis 90/Die Grünen NRW wollen:
- mehr Ausbildungsbotschafter*innen an die Schulen bringen, die den
Schüler*innen aller Schulformen über persönliche Erfahrungen einer dualen
Ausbildung informieren, Austausch auf Augenhöhe bieten und Neugierde
wecken.
- eine Anpassung der Ausbildungsrahmenpläne über das Bundesinstitut für
Berufsbildung (BIBB) mit Blick auf Fähigkeiten der zukünftigen
Arbeitswelten.
- das Erfolgsmodell „Kein Abschluss ohne Anschluss“ weiterentwickeln und für
Jugendliche mit besonderem Unterstützungsbedarf anpassen.
- Azubiwohnheime ausbauen und die Möglichkeit zur Teilzeitausbildung
erhöhen, um die berufliche Ausbildung für mehr Menschen realisierbar zu
machen.
- die Finanzierung außerbetrieblicher und schulischer Ausbildungszentren
stärken und Bildungsorte modernisieren.
- eine größere Unterstützung von überbetrieblichen Ausbildungszentren in
Zusammenschluss von Unternehmen, gerade für kleinere Unternehmen, um
Ausbildung auch dort besser zu ermöglichen.
- prüfen, wie in Mangelberufen Ausbildungs- und Studienplatzkapazitäten
erhöht werden können.
Arbeit anpackbar machen
Vor dem Hintergrund der Transformation hin zur ersten klimaneutralen
Industrieregion Europas, werden Weiterbildung und Seiteneinstieg zentrale Rollen
bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels zukommen. Die Arbeitsfelder vieler
Berufe wandeln sich schon heute stark durch Dekarbonisierung und
Digitalisierung. Für die Menschen ist Weiterbildung ein zentrales Mittel, um
erwerbsfähig zu bleiben und nicht durch technischen Fortschritt und den
Strukturwandel abgehängt zu werden. Wo für die einen die Weiterbildung zur
Notwendigkeit wird, verspüren die anderen den freiwilligen Wunsch nach
beruflicher Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten.
Der Seiteneinstieg bietet Chancen, dem Wunsch nach beruflicher Neuorientierung
nachzukommen oder auf persönliche Umbrüche reagieren zu können und weiterhin
erwerbsfähig zu bleiben. In allen Berufsbereichen, in denen akuter Fachkräfte-
und Arbeitskräftemangel herrscht, und besonders in den Sozial-, Erziehungs- und
Pflegeberufen, wollen wir prüfen, durch welche weiteren akademischen und nicht-
akademischen Abschlüsse wir Quer- und Seiteneinsteiger*innen gewinnen.
Weiterbildung ist ein Zeichen der Stärke, der Wechsel in Arbeitsbiografien die
neue Normalität.
Wir von Bündnis 90/Die Grünen NRW wollen:
- bei den essenziellen Branchen für unseren Strukturwandel eine
Informationskampagne für mehr Weiterbildung starten und eine größere
finanzielle Unterstützung ermöglichen.
- die Fördermöglichkeiten des Bürgergeldes nutzen, um mehr Menschen eine
Weiterbildung zu ermöglichen.
- prüfen, welche akademischen und nicht-akademischen Abschlüsse in den
verschiedenen Sektoren einen Quer- und Seiteneinstieg möglich machen
können.
- mehr modularisierte Ausbildungsformen stärken und Anrechenbarkeit von
bereits erbrachten Leistungen berücksichtigen.
Arbeitsplätze attraktiver machen
Das Fachkräftepotenzial können wir nur wecken, wenn Erwerbstätige gute
Arbeitsbedingungen auf dem Arbeitsmarkt vorfinden. Zukunftsfeste Jobs,
tarifliche Bezahlung, flexible Arbeitszeiten, Aufstiegsmöglichkeiten und guter
Arbeits- und Gesundheitsschutz sind hierfür essenzielle Rahmenbedingungen. Dabei
bietet die in so vielen Bereichen unserer Gesellschaft zwingend notwendige
Transformation große Chancen für die Unternehmen, nicht nur ihr Geschäftsmodell
zukunftsfähig aufzustellen, sondern in Zeiten des Fachkräftemangels vor allem
eine Chance attraktive Arbeitsplätze bieten zu können. Wir GRÜNE NRW wollen
hierzu weiterhin im engen Austausch mit den Arbeitnehmer*innenverbänden, den
Gewerkschaften sowie den Unternehmen stehen. Zusätzlich müssen wir
Unterstützungsmaßnahmen ausbauen, um die Fachkräfte zu halten, die in den
betroffenen Bereichen bereits arbeiten. In den Sozial- und Erziehungsberufen
leistet der Einsatz der Alltagshelfer*innen bereits große Unterstützung. So
sorgen wir nicht nur für neue Fachkräfte, sondern entlasten auch die, die
bereits in dem Beruf tätig sind.
Nicht zuletzt müssen wir als Gesellschaft dazu beitragen, die Attraktivität der
Berufe durch eine wertschätzende Haltung zu steigern. Die Corona-Pandemie hat
uns stärker als je zuvor den essenziellen gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Stellenwert der Gesundheits-, Pflege-, Erziehungs- und
Lehrberufen vor Augen geführt. Gleichzeitig wurde hier auch für alle sichtbar,
welche strukturellen Schwierigkeiten in der Versorgung durch fehlende
Arbeitskräfte in den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen herrschen. In Zeiten
des akuten Mangels an Handwerker*innen merkt spätestens jetzt jede*r, wie
systemrelevant auch diese Berufszweige für das wirtschaftliche Gefüge und das
Meistern der großen Transformationsaufgaben sind. Erst wenn wir diesen
Berufsgruppen mehr gesellschaftliche Anerkennung zollen und gute
Arbeitsbedingungen schaffen, werden sich – vor allem jüngere Menschen –
verstärkter diese Berufszweige bei ihrer Berufswahl in Erwägung ziehen.
Digitalisierung, KI und Robotik für die Menschen
Digitalisierung, KI und Robotik hat das Potenzial den Fachkräftemangel zu
reduzieren. Dabei geht es uns GRÜNEN NRW darum, Menschen von Arbeiten zu
entlasten und nicht Menschen bei der Arbeit zu ersetzen. Digitalisierung und vor
allem Künstliche Intelligenz kann von Routineaufgaben auch in Handwerksbetrieben
entlasten, z. B. bei der Buchhaltung, Personalverwaltung oder der
Angebotserstellung. Die Start-Up-Landschaft in NRW nimmt hierbei eine
potenzielle Innovationsfunktion ein, die wir als Land unterstützen wollen.
Der digitale Produktpass wird für eingesetzte Materialien nicht nur
Weiterverkauf und Recycling erleichtern, sondern erlaubt auch, in Bezug auf
eingesetzte Produkte, informierte Entscheidungen zu treffen, z. B. zur
Kompatibilität verschiedener Materialien.
Fortschritte im Bereich der Robotik bieten die Chance, körperlich anstrengende
oder auch gefährliche Arbeiten zu erleichtern, sicherer zu machen oder sogar
ganz abzunehmen und kann so zu Gesundheit und Arbeitszufriedenheit von
Handwerker*innen, Pflegenden, Lagerist*innen beitragen. Um diese Vorteile nutzen
zu können, ist eine Vermittlung notwendiger Kompetenzen in Aus- und
Weiterbildung wichtig. Kooperationen zwischen Unternehmen, Handwerksbetrieben,
Hochschulen und Forschungseinrichtungen tragen dazu bei, aktuelle
Technologieentwicklungen zügig zum Einsatz in der Praxis zu bringen. Diese
Kooperationen wollen wir als Land NRW unterstützen.
Wir von Bündnis 90/Die Grünen NRW wollen:
- wo möglich und sinnvoll, die vorhandenen Fachkräfte in den verschiedenen
Sektoren in ihrem Alltag durch individuelle Helfer*innenmodelle gezielt
und dauerhaft verlässlich entlasten, etwa durch den Einsatz von
Verwaltungsassistent*innen. Diese Möglichkeit wollen wir durch
verpflichtende Weiterbildungsprogramme für Quereinsteiger*innen in den
systemrelevanten Branchen ermöglichen.
- das Kita-Helfer-Programm verstetigen, damit sich pädagogische Fachkräfte
auf ihre pädagogische Arbeit konzentrieren können.
- gezielte Anreize schaffen, z. B. durch flexible Arbeitszeitmodelle, um
Arbeitsplätze attraktiv zu machen.
- uns dafür einsetzen, dass frauendominierte Berufe durch bessere Aufstiegs-
und Weiterbildungsperspektiven gestärkt und durch eine bessere Bezahlung
aufgewertet werden.
- ein Umdenken in der Gesellschaft anstoßen, etwa durch Imagekampagnen, um
den systemrelevanten Berufszweigen die Anerkennung und Wertschätzung zu
zollen, die ihnen gebührt.
- den Präventionsaspekt in der täglichen Arbeit mehr in den Mittelpunkt
stellen. Es muss gelingen die aktuellen Fachkräfte gesund in ihrem System
zu halten oder wiedereinzugliedern.
Unterstützer*innen
- Lennard Schlöffel (KV Soest)
- Andrea Piro (KV Rhein-Sieg)
- René Adiyaman (KV Ennepe-Ruhr)
- Peter Kubath (KV Soest)
- Koi Katha Blaeser (KV Düren)
- Nabiha Ghanem (KV Soest)
- Andreas Franco (KV Köln)
- Holger Künemund (KV Soest)
- Wilhelm Roer (KV Soest)
- Anastasia Hansen (KV Rhein-Sieg)
- Thomas Reimann (KV Soest)
- Michael Aßmann (KV Steinfurt)
- Ulrike Osman-Christen (KV Soest)
- Mathilde Heise (KV Soest)
- Marc Kersten (KV Köln)
- Annette Von dem Bottlenberg (KV Soest)
- Andrea Klose-Kremp (KV Soest)
- Dani Marie Brück (KV Oberberg)
- Christine Dembinsky (KV Soest)
- Brigitte Kemnitz (KV Rhein-Sieg)