Veranstaltung: | Landesparteirat GRÜNE NRW am 15.02.2020 in Dorsten |
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Tagesordnungspunkt: | 3. Verschiedenes |
Antragsteller*in: | LAG Ökologie (dort beschlossen am: 11.01.2020) |
Status: | Eingereicht |
Verfahrensvorschlag: | Abstimmung |
Eingereicht: | 28.01.2020, 19:51 |
V1: Einsetzung einer Kommission, die bis zur LDK 2021 ein Konzept für eine wirksame und moderne Umweltverwaltung für NRW erarbeiten soll
Titel
Antragstext
Der Landesparteirat beschließt die Einsetzung einer Kommission, die bis zur
Landesdelegiertenkonferenz im Jahr 2021 ein Konzept für eine wirksame und
moderne Umweltverwaltung für NRW erarbeiten soll. Dabei sollen neben dem
Landesvorstand und der Landtagsfraktion die betroffenen
Landesarbeitsgemeinschaften einbezogen werden. Der Kommission wird es erlaubt,
in geeignetem Umfang externe Expert:innen einzubeziehen.
Begründung
Eine wirksame Umweltverwaltung für NRW ist Voraussetzung für die Umsetzung grüner Politikkonzepte
Eine zentrale Erwartung der Gesellschaft an die Grünen ist, Umwelt- und Naturschutzprobleme zu lösen und den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen zu gewährleisten. Um grüne Konzepte in den Bereichen Klimaschutz, nachhaltige Wirtschaftsweise, Biodiversitätsschutz und Lebensqualität umsetzen zu können, kommt der Wiederherstellung einer funktionierenden und wirkungsvollen Umweltverwaltung für NRW eine entscheidende Rolle zu. Ausreichende Planungskapazitäten und ein vorsorgender umweltpolitischer Ansatz sind wichtige Voraussetzungen grüner Umweltpolitik.
Ein Rechtsstaat kann zudem nur funktionieren, wenn bestehende Gesetze und Verordnungen auch entsprechend durch- und umgesetzt werden. Leider beobachten wir im Umwelt- und Naturschutzrecht seit Jahren ein bedenkliches Vollzugsdefizit, das insbesondere auf fehlende Kapazitäten der Umweltverwaltungen zurückzuführen ist, sowohl auf Landesebene als auch bei den Unteren Naturschutz-, Wasser- und Immissionsschutzbehörden auf Ebene der Städte und Landkreise – aber auch in den Justizverfolgungsbehörden. So werden allzu häufig Aufgaben und wichtige Kontrollfunktionen auf das Ehrenamt im Naturschutz abgewälzt, die eigentlich durch die öffentliche Hand zu erfüllen sind.
Systematische Schwächung der Umweltverwaltung
Im Kontext des neoliberalen Mainstreams („privat vor Staat“) wurde in den letzten 15 Jahren mit mehreren Verwaltungsreformen die Umweltverwaltung systematisch geschwächt und die engagierten Mitarbeiter:innen mit den wachsenden Aufgaben allein gelassen:
* im Gelegenheitsfenster des Haushaltsdrucks wurde ein massiver Stellenabbau vorgenommen
* qualifizierte und spezialisierte Verwaltungen wie die Staatlichen Umweltämter wurden aufgelöst
* zahlreiche Aufgaben der Staatlichen Umweltämter wurden bei unzureichender Übertragung der dafür notwendigen Personalkapazitäten und sonstigen Ressourcen kommunalisiert
* die Ahndung von Umweltkriminalität erfolgt aufgrund mangelhafter Strukturen und Personalkapazitäten bei den Staatsanwaltschaften in völlig unzureichendem Umfang
Trotz einiger Maßnahmen zu ihrer Stärkung durch das bis 2017 grün geführte Landesumweltministerium (z. B. Umweltinspektionserlass, Schaffung von 300 Stellen) befindet sich die staatliche Umweltverwaltung in NRW in Folge dieser – propagandistisch als „Reformen“ bezeichneten – Schwächungsmaßnahmen in einem teilweise sehr schlechten Zustand. Mit der Abschaffung der Stabsstelle Umweltkriminalität im Jahr 2017 durch die schwarz-gelbe Landesregierung wurde zudem die Bekämpfung von Gesetzesverstößen im gesamten Bereich des Natur- und Umweltschutzes im Ansatz erstickt.
Der Abbau der Umweltverwaltung ist zudem noch voll im Gange, da viele Mitarbeitende in nächster Zeit in den Ruhestand gehen und somit viele Stellenstreichungen aus früheren Jahren oft erst jetzt wirksam werden. Zudem wurde kaum Nachwuchs ausgebildet. Nicht zuletzt wird der Fachkräftemangel, vor dem Berufsverbände der Umweltbranche schon lange warnen und der gerade die öffentlichen Arbeitgeber besonders treffen wird, die Neubesetzung der verbliebenen Stellen zusätzlich erschweren. Hinzu kommen Schwierigkeiten bei der Gewinnung qualifizierten Personals auf dem Arbeitsmarkt, was auch mit einer regelmäßig unattraktiven Bezahlung insbesondere in den Kommunen zusammenhängt.
Folgen der Schwächung der Umweltverwaltung
Der Vollzug der Umweltgesetze findet nur noch eingeschränkt statt, Planungskapazitäten für Maßnahmen des Natur- und Umweltschutzes sind kaum noch vorhanden, so dass die verbliebenen Finanzmittel kaum noch abfließen:
* auf kommunaler Ebene gibt es häufig viel zu wenig fachkundiges Personal, und nicht selten ist auch politisch kein ernsthafter Natur- und Umweltschutz gewollt;
* es bestehen zahlreiche Interessenskonflikte, so dass die politische Rückendeckung für konsequenten Gesetzesvollzug fehlt;
* im technischen Umweltschutz finden kaum noch Regelüberwachungen statt, sondern nur noch anlassbezogene Prüfungen („wenn die toten Fische im Fluss schwimmen“), häufig erst nach Hinweisen aus der Bevölkerung;
* es gibt kaum noch eine vorsorgende regionale oder kommunale Umweltpolitik, die neue Umweltgefährdungen frühzeitig erkennt und Schutzstrategien entwickelt;
Insgesamt ist festzustellen, dass ein nachhaltiger und vor allem vorsorgender Umweltschutz im Verwaltungsvollzug auf Landes- und insbesondere kommunaler Ebene eine zu geringe Priorität hat. Eine Folge ist die stetige Zunahme von Umweltskandalen. Selbst wenn es in Zukunft durch starke GRÜNE Fraktionen politische Mehrheiten für echte umweltpolitische Reformen gibt, wird es vor dem Hintergrund der aktuellen Situation schwierig, diese in der Praxis kurzfristig umzusetzen, da ein Neuaufbau verloren gegangener Strukturen und Kompetenzen aufwändig ist und lange dauern wird. Wenn dann Wahlversprechen für einen besseren Umwelt- und Naturschutz aufgrund dieser strukturellen Defizite trotz guten Willens aller Beteiligten nicht eingelöst werden können, trägt dies sicher zu einer weiteren „Politikverdrossenheit“ bei. Umso wichtiger ist es, die nötigen Veränderungen frühzeitig konkret zu benennen und deren Umsetzung vorzubereiten.
Konzeptionelle Vorarbeit ist jetzt notwendig
Vor dem Hintergrund der Bedeutung für die Glaubwürdigkeit und Lösungskompetenz von Bündnis90/Grüne im Bereich der gesamten Umweltpolitik und der auch unter optimalen Rahmenbedingungen erwartbar langwierigen Umsetzungsdauer muss schon jetzt ein durchdachtes Konzept für eine moderne und wirkungsvolle Umweltverwaltung erarbeitet werden, um dieses dann später in Wahlprogrammen und nachfolgenden Koalitionsverhandlungen einbringen und zeitnah nach einer Regierungsübernahme implementieren zu können. Dazu gehört auch die Schaffung angemessener Strukturen in der Judikativen – z. B. durch Bildung kompetenter Schwerpunktstaatsanwaltschaften.
Antragsteller:innen
Dr. Jan Boomers
Kurt Eggeling
Dr. Diana Hein
Peter Knitsch
Hans-Christian Markert
Dr. Andreas Müller
Norwich Rüße
Dr. Annemone Spallek
Anna von Spiczak
Dr. Matthias Welpmann
Dr. Volkhard Wille
Unterstützer*innen
Änderungsanträge
- Globalalternative: V1-neu (Landesvorstand (dort beschlossen am: 10.02.2020), Eingereicht)
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