Antrag: | Vorsorge, Verlässlichkeit und gute Arbeit: Das Gesundheitssystem von morgen gestalten |
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Antragsteller*in: | Landesvorstand (dort beschlossen am: 16.08.2021) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Übernahme |
Eingereicht: | 17.08.2021, 09:11 |
G-1-186: Vorsorge, Verlässlichkeit und gute Arbeit: Das Gesundheitssystem von morgen gestalten
Antragstext
Von Zeile 186 bis 187 einfügen:
nicht profitable Fachabteilungen und Versorgungsaufgaben im Interesse ihrer Bevölkerung erbringen. Auch konfessionell und weiteren freigemeinnützig getragenen Krankenhäuser sind für uns ein wichtiger Bestandteil der Öffentlichen Daseinsvorsorge.
Deutschland und NRW haben nach wie vor eines der besten Gesundheitssysteme der
Welt. Doch schon vor der Corona-Krise war deutlich, dass wir vieles ändern
müssen, damit alle Menschen in unserem Land gut versorgt sind und gleichen
Zugang zu Gesundheitsleistungen haben - in allen Wohnorten und Lebenslagen,
unabhängig vom Geldbeutel, Alter, sexueller Identität oder Herkunft. Wir müssen
entschieden handeln, damit diejenigen, die tagtäglich für unser aller Gesundheit
sorgen, bei ihrer Arbeit selbst dauerhaft gesund und zufrieden bleiben und
angemessen entlohnt werden. Deshalb streiten wir für gute Arbeit für alle, die
im Gesundheitssektor arbeiten - von der Reinigungskraft über den Altenpfleger
bis zur Ärztin im Gesundheitsamt.
Gesundheit ist ein hohes Gut und mehr als die Abwesenheit von Krankheit. Wir
GRÜNE wollen die gesundheitspolitischen Weichen neu stellen. Wir setzen uns für
das Ende der Zwei-Klassen-Medizin und eine solidarische Bürger*innenversicherung
ein. Ökonomischen Druck zu Lasten des Patient*innenwohls und des Personals
wollen wir aus dem Weg räumen. Finanzielle Anreize müssen das belohnen, was sich
für die Gesundheit auszahlt. Wir streiten für eine Aufwertung und faire
Entlohnung aller Gesundheitsberufe. Und wir setzen für eine neue,
bedarfsorientierte Planung mit Strukturen jenseits der starren Trennung von
stationärer und ambulanter Versorgung ein, damit die Menschen überall in NRW gut
versorgt sind.
Die Pandemie führt uns vor Augen, dass weitsichtige Gesundheitspolitik schon
weit vor der Versorgung ansetzt. Sie hat gezeigt, wie wichtig Vorsorge und
Prävention sind. Damit wir möglichst gar nicht krank werden, braucht es einen
Staat, der die Ursachen von Krankheiten - etwa Armut, schlechte
Arbeitsbedingungen und krankmachende Umweltbedingungen - bekämpft und
vorausschauend handelt. Ein funktionierender Gesundheitsschutz ist - wie die
Gesundheitsversorgung - eine der zentralen Aufgaben öffentlicher
Daseinsvorsorge. Doch schon vor der Pandemie waren die Strukturen von Kommune
über Land und Bund in erster Linie auf das Verwalten und viel zu sehr auf
reaktive und reparierende Muster angelegt. Wir brauchen stattdessen einen aktiv
handelnden Staat, der die Vielfältigkeit des Föderalismus nutzt, aktiven
Gesundheitsschutz betreibt, Krisen vorbeugt und auch aktiv Einfluss auf alle
politischen Bereiche nimmt.
Lehren aus der Pandemie ziehen
Entscheidend für eine gute Versorgung in Krisen wie der Corona-Pandemie sind
eine abgestimmte, gestufte regionale Versorgung, eine gute Strukturqualität
sowie spezielle Kenntnisse zum Beispiel bei der Behandlung und Pflege
beatmungspflichtiger Patient*innen. Um in Krisenzeiten auf besondere Bedarfe
reagieren zu können, müssen deshalb zusätzliche Kapazitäten sowohl räumlich,
aber vor allem auch personell vorgehalten werden, die aktuell nicht in die Logik
passgenauer Abrechnung nach Fallzahlen passen.
Die Corona-Krise verdeutlicht vor allem die Notwendigkeit einer stärkeren
Bündelung von Kapazitäten und Kompetenzen und einer besseren Erfassung von
Gesundheitsdaten, um Behandlungspfade zu optimieren oder Behandlungserfolge
schneller zu teilen. Erforderlich ist auch die Stärkung von Gesundheitskompetenz
und Gesundheitsförderung und bessere Prävention. Gemäß dem „Health in All
Policies“-Ansatz müssen Gesundheitsaspekte in allen Politikbereichen
berücksichtigt werden.
Gesundheit schützen, Prävention stärken
Prävention hält gesund und entlastet damit das Gesundheitssystem, wenn sie
umfassend in allen Politik- und Lebensbereichen umgesetzt wird. Stadtentwicklung
und Verkehrsplanung gestalten wir deshalb so, dass Kinder sich frei bewegen
können. In Kindergärten und Schule geben wir Sport, Ernährung und
Gesundheitswissen in allen Bereichen einen größeren Stellenwert. Mit einem
Gesunde-Kantinen-Programm machen wir regionale Ernährung, möglichst Bio, zum
Standard in Kantinen und Mensen. In unseren Städten und Dörfern entwickeln wir
Quartiere für Menschen im Alter, die in einer Stadtteilgemeinschaft statt in
Isolation leben wollen.
Wir machen uns für eine Arbeitswelt stark, die Arbeitsschutz sichert und in der
Freizeit, Familie, Pflege und Beruf miteinander vereinbar sind. Wir fördern die
Vermittlung von Gesundheitsinformationen, unterstützen weiterhin
niedrigschwellige Angebote und offene Selbsthilfestrukturen in NRW und sorgen
dafür, dass sie mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens Schritt halten.
Nicht zuletzt muss Prävention auch bei Krankheit, Rehabilitation und Pflege
fester und vorrangiger Bestandteil der Versorgung sein. So können
Multimorbidität reduziert und schwerere Krankheitsverläufe verzögert oder
abgeschwächt werden. Pflegebedürftigkeit kann bei guten Konzepten zu
Rehabilitation und Prävention reduziert und Eigenständigkeit sowie
Lebensqualität zurückgewonnen werden. Dies wollen wir in der Pflegepolitik des
Landes stärker als bisher verankern.
Regionale Versorgung ausbauen - Vorfahrt für
Gesundheitsregionen
Um die Versorgung in Stadt und Land zu stärken, wollen wir, dass ambulante und
stationäre Angebote in Zukunft übergreifend geplant und organisiert werden und
Gesundheitsregionen mit enger Anbindung an die Kommunen gefördert werden können.
Vor allem für unterversorgte Regionen wollen wir die Möglichkeiten zur
Sicherstellung einer sektorenübergreifenden Versorgung ausbauen, zum Beispiel
auch durch verbindliche Entscheidungen des 90a-Gremiums auf Landesebene.
Durch Gesundheitsregion wollen wir die starre Trennung zwischen den Sektoren
aufbrechen, Kooperation und gute Versorgung belohnen. In NRW wollen wir
gemeinsam mit allen Akteur*innen auf der Grundlage des Konzeptes der Grünen
Bundestagsfraktion ein Konzept zur Förderung von Gesundheitsregionen entwickeln.
Die Etablierung von Gesundheitsregionen ist ein Angebot an die Regionen,
Kommunen und Kreise.
Wir setzen dabei auf das Engagement und die Kreativität der Akteure vor Ort und
werden dieses in geeigneter Weise unterstützen.
Denn die bisherige Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung verengt
den Blick der Leistungserbringer*innen auf das jeweils eigene wirtschaftliche
Ergebnis. Das schadet vor allem chronisch kranken Patient*innen. Durch die
regionale Verankerung entstehen mehr Möglichkeiten, die Versorgung abseits
starrer Regelungen von der Bundesebene vor Ort zu gestalten und in
Quartierskonzepte zu integrieren. Besonders wichtig ist dies bei der Versorgung
hochbetagter Menschen, die zumeist neben der medizinischen Versorgung Pflege und
alltagsunterstützende Leistungen brauchen. Auch das Entlassmanagement nach einem
Krankenhausaufenthalt sowie die Unterstützung bei der Wiederaufnahme der
selbstständigen Lebensführung in der häuslichen Umgebung können so weitaus
passgenauer und zielgerichteter organisiert werden. Dabei muss schrittweise auch
die engere Vernetzung mit anderen Leistungen etwa der Pflege, der
Eingliederungshilfe oder der Rehabilitation in den Blick genommen werden. Auch
eine engere Zusammenarbeit mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst ist notwendig.
Die Vernetzung von Praxen, Ärztenetzen, Krankenhäusern, Krankenkassen,
Gesundheits- und Pflegezentren, Apotheken, Reha-Einrichtungen und weiteren
Gesundheitsbereichen wollen wir aktiv unterstützen und das Interesse am
gemeinsamen Handeln für die Gesundheit der Menschen fördern. Die Patient*innen
haben Anspruch auf eine verlässliche, qualitativ hochwertige und möglichst
wohnortnahe Versorgung – ganz gleich ob diese in Krankenhäusern,
Gesundheitszentren oder Arztpraxen stattfindet. Mithilfe von Versorgungszentren
gerade in von Unterversorgung bedrohten oder betroffenen Regionen und anderen
Gesundheitseinrichtungen auch in eigener Trägerschaft können Kommunen zudem
direkten Einfluss auf die Daseinsvorsorge vor Ort nehmen.
Für eine verlässliche Krankenhausversorgung
überall sorgen
Nur eine verlässliche und leistungsstarke Krankenhausstruktur kann ihrer Rolle
als eine der drei Säulen des Gesundheitssystems - neben der ambulanten
Versorgung und dem Öffentlichen Gesundheitsdienst - gerecht werden. Wir wollen,
dass Krankenhäuser weiterhin gut erreichbar sind und überall in NRW über eine
hohe Qualität und ausreichend Personal verfügen. Die Finanzierung der
Krankenhäuser muss sich in Zukunft an diesem gesellschaftlichen Auftrag
orientieren, nicht mehr vorrangig an der Fallzahl.
Die Corona-Krise hat bestehende Defizite in der Gesundheitsversorgung im
Allgemeinen und der Krankenhausversorgung im Speziellen aufgezeigt. In einigen
Regionen gibt es echte Versorgungslücken in bestimmten Disziplinen, in anderen
eine Über- und Fehlversorgung mit einer nicht bedarfsgerechten Anzahl und
Verteilung von Krankenhausstandorten und -betten sowie im internationalen
Vergleich sehr vielen medizinisch nicht notwendigen stationären
Behandlungsfällen.
Wir GRÜNE sind der Auffassung, dass wir Krankenhausplanung und -finanzierung
grundlegend reformieren müssen. Wir wollen die stationäre Versorgung reformieren
und orientieren uns dabei an den Bedürfnissen der Patient*innen, an einer guten
Erreichbarkeit für jede*n, an Qualität und Verlässlichkeit. Qualität fördern wir
gezielt durch klare Vorgaben zur bedarfsgerechten Personalausstattung im
Krankenhausgesetz, durch Anreize in der Vergütung sowie durch mehr
Qualitätstransparenz.
Darüber hinaus ist eine stärkere Spezialisierung und Stufung der
Krankenhausversorgung nötig. Nicht jedes Krankenhaus kann und muss alle
Leistungen anbieten. Aber jedes bedarfsnotwendige Krankenhaus muss seinen
jeweiligen Versorgungsauftrag qualitativ gut und angemessen finanziert erfüllen
können. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn versorgungsrelevante Bereiche auch
tatsächlich angeboten werden können. Viele Krankenhäuser in ländlichen Räumen
haben daher nur dann eine Zukunft, wenn sie Bestandteil einer
sektorübergreifenden und stärker regional verankerten Versorgung werden und
sowohl mit ambulanten Einrichtungen, als auch mit Krankenhäusern anderer
Versorgungsstufen sowie mit der Reha und der Pflege eng zusammenarbeiten.
Kennzeichen solcher Versorgungsverbünde muss die Zusammenarbeit aller
Gesundheitsberufe auf Augenhöhe und in abgestimmten Behandlungspfaden sein. Aber
auch die Anbindung an das komplexe Wissen und die Erfahrung von
Universitätskliniken und hoch spezialisierten Maximalversorgern oder
Fachkliniken durch telemedizinische Unterstützungsangebote (Stichwort
“Virtuelles Krankenhaus”) muss auf- und ausgebaut werden. So können kleine
Häuser im ländlichen Raum das geballte Fachwissen in ihre Behandlungen
integrieren und somit auf qualitativ höherem Niveau Menschen versorgen.
Eine grundlegende Reform des Krankenhausentgeltsystems ist ebenfalls
unausweichlich. Es braucht eine starke Komponente einer fallzahlunabhängigen
Absicherung der notwendigen Vorhaltekosten für kleine Häuser der
Grundversorgung. Dies dient gerade der Sicherstellung der Grundversorgung
ländlicher Räume, der Notfallversorgung und der pädiatrischen Versorgung in
besonderer Weise
Krankenhausplanung an Bedürfnissen der Patient*innen
ausrichten
Damit die Menschen überall in NRW und Deutschland verlässlich, bedarfsgerecht
und qualitativ hochwertig versorgt werden, braucht es bundesweit gültige
Grundsätze für die Versorgungs- und Krankenhausplanung. Dies erfordert, den
Versorgungsbedarf fortlaufend zu analysieren, neue ambulante und
sektorübergreifende Strukturen zu entwickeln, das Angebot regional aufeinander
abzustimmen und Doppelstrukturen, insbesondere in den urbanen Zentren, zu
vermeiden.
Leistungen der Grundversorgung - etwa eine Abteilung für innere Medizin sowie
für allgemeine Chirurgie - müssen jederzeit für alle gut erreichbar sein. Sollte
kein Grundversorger mehr vor Ort sein, braucht es zumindest ein
sektorübergreifendes Zentrum mit einem verpflichtend vorhandenen internistischen
Bereich, IMC-Betten zur Notfallversorgung und ggf. zur Vorbereitung der
Weiterverlegung. Für fachärztliche und spezialisierte Angebote bzw.
Schwerpunktleistungen der stationären Versorgung durch Maximalversorger oder
Universitätskliniken soll hingegen großräumiger geplant werden. Die
Sektorentrennung bei der Planung wollen wir überwinden.
Investitionsfinanzierung auf eine stabile Basis stellen
Eine Reform der Investitionsfinanzierung ist zwingend notwendig. Der Bund muss
dauerhaft die Hälfte der Krankenhausinvestitionen finanzieren. Hierzu sollte der
Bund auch eine Mindestinvestitionsquote bestimmen. Die Finanzierung von
Investitionen soll überdies künftig über fallzahlunabhängige und nach
Versorgungsstufen differenzierte Pauschalen erfolgen.
Nur so verhindern wir, dass Krankenhäuser wegen fehlender Investitionsförderung
weiter Defizite machen und Kommunen zur Privatisierung ihrer Krankenhäuser
gezwungen werden. Wir wollen weitere Privatisierungen abwenden und Krankenhäuser
in kommunaler Trägerschaft erhalten, da diese auch im Sinne der Daseinsvorsorge
nicht profitable Fachabteilungen und Versorgungsaufgaben im Interesse ihrer
Bevölkerung erbringen. Auch konfessionell und weiteren freigemeinnützig getragenen Krankenhäuser sind für uns ein wichtiger Bestandteil der Öffentlichen Daseinsvorsorge.
In Digitalisierung und Smart Green Hospitals investieren
Wir wollen Krankenhäuser in die Lage versetzen, ihre IT zu modernisieren und die
Anbindung an Breitbandnetze zu investieren. Wir setzen auf langfristige
Finanzierungsvereinbarungen, damit die Systeme laufend an den neuesten Stand der
Technik angepasst werden.
Das Krankenhaus der Zukunft ist grün und barrierefrei. Öffentliche Fördermittel
wollen wir gezielt für nachhaltige Konzepte bereitstellen. Ein tiefgreifende
Systemwandel hin zu "Smart Green Hospitals" ist im Angesicht der Klimakrise
notwendig und muss sich in der Investitionsfinanzierung und der
Krankenhausplanung widerspiegeln.
Geschlechtergerechte Gesundheitsversorgung
gewährleisten
Geburtshilfe und Hebammen stärken
Eine gute Schwangerschaftsbegleitung und Geburtshilfe sind für den Start ins
Leben und für selbstbestimmte Entscheidungen von Frauen und Familien
unerlässlich. Deshalb setzen uns für eine bessere Vergütung der
verantwortungsvollen Tätigkeiten von Hebammen ein und wollen, dass die hohe
Berufshaftpflichtversicherung reformiert wird und die Beiträge deutlich
reduziert werden. Die Förderung von selbstständigen Hebammen ist ein adäquates
Mittel, um insbesondere im ländlichen Raum Lücken in der Geburtshilfe zu
schließen. Die Reform der Hebammenausbildung muss mit einer Aufwertung des
Berufs einhergehen.
Bei der Krankenhausplanung muss die Möglichkeit, Patientinnen jederzeit an gut
erreichbare Krankenhäuser verweisen zu können ebenso berücksichtigt werden wie
die Tatsache, dass gute Qualität in der stationären Geburtshilfe eine
hinreichende Zahl von jährlichen Geburten voraussetzt. Mit dem Ziel der
Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Geburtshilfe sollten deshalb
Tarifsteigerungen für in Geburtskliniken mit hoher Auslastung angestellte
Hebammen refinanziert werden, gebunden an verbindliche Qualitätskriterien wie
etwa eine 1:1-Betreuung in den wesentlichen Phasen der Geburt. Aber auch neue
Strukturen, wie der hebammengeführte Kreißsaal, sollen in NRW ausgebaut und
refinanziert werden.
Selbstbestimmung garantieren
Alle Menschen, auch Mädchen und Frauen, haben das Recht auf Selbstbestimmung
über ihren Körper und ihr Leben. Dazu gehört auch die Entscheidung, ob eine Frau
eine Schwangerschaft abbricht. Dies gehört zu den schwierigsten Lebenssituation
und erfordert zwingend eine gute Unterstützung. Schwangere müssen schnell an
gesicherte Informationen gelangen - auch von Ärzt*innen, die den Eingriff
durchführen. Deshalb wollen wir § 219a endlich aus dem Strafgesetzbuch
streichen. Auch in NRW muss der flächendeckende Zugang zu
Schwangerschaftsabbrüchen und eine generelle Kostenübernahme überall
gewährleistet sein. Der Schwangerschaftsabbruch muss in die Ausbildung von
Ärzt*innen nach international anerkannten Standards integriert werden.
Freiwillige Beratungsangebote müssen abgesichert und ausgebaut werden.
Geschlechtsspezifische und diskriminierungsfreie Medizin
fördern
Fehlt im Gesundheitssystem und in der Gesundheitspolitik der Blick auf das
biologische und soziale Geschlecht, kommt unterm Strich eine
Gesundheitsversorgung heraus, die niemandem gerecht wird. Schon 2000 gab es im
Landtag NRW auf Initiative der Grünen Landtagsfraktion eine Enquetekommission
zum Thema "Zukunft einer frauengerechten Gesundheitsversorgung in NRW". Seitdem
liegen zahlreiche Erkenntnisse auf dem Tisch, bei der Implementierung im
Gesundheitssystem geht es aber nach wie vor zu langsam voran. Noch immer haben
Frauen bei einem Herzinfarkt je nach Klinik eine schlechtere Überlebenschance,
weil dort Diagnostik und Therapie immer noch auf den männlichen “Normkörper”
ausgerichtet sind. Deshalb setzen wir uns weiterhin für eine Stärkung der
Geschlechterperspektive im Gesundheitswesen und der Ausbildung ein, etwa bei der
Entwicklung von Medikamenten, Ermittlung geschlechtsspezifischer
Gesundheitsrisiken oder bei Präventionsangeboten. Förderungen des Landes im
Gesundheitsbereich sollen grundsätzlich die Geschlechterperspektive
berücksichtigen müssen, Daten geschlechterdifferenziert erfasst und ausgewertet
werden und Projekte und Initiativen des Landes dies durchgängig berücksichtigen.
Gerade die Zukunftsbereiche der Telemedizin und Digitalisierung dürfen die
Fehler der analogen Vergangenheit nicht in die Gegenwart übertragen. Denn mit
der Digitalisierung des Gesundheitssystems besteht nicht nur die Gefahr, die
Erkenntnisse geschlechterdifferenzierter Bedarfe bei Prävention, Diagnose,
Kurration, Rehabilitation und Pharmakologie auf dem Weg der Entwicklung und
Programmierung von Anwendungen wie Apps oder Algorithmen/KI wieder aus dem Blick
zu verlieren. Der „Gender Bias“ könnte sogar noch größer werden. Denn KI-Systeme
bilden die Vergangenheit und Gegenwart auf rückblickenden Datenbasen ab, um in
die Gegenwart und Zukunft Diagnosen und Prognosen zu erstellen. Das bedeutet,
sie bilden alle bestehenden Ungleichheiten der Vergangenheit ab und
reproduzieren sie. Deswegen braucht es auch eine entsprechende Sensibilisierung
der Unternehmen, die im Gesundheitsbereich Anwendungen entwickeln.
Die systematische Diskriminierung queerer Menschen im Gesundheitssystem müssen
wir abbauen. So müssen Ärzt*innen und anderes medizinischer Personal
sensibilisiert werden für die Belange von LGBTIQ*, hier muss es sowohl in der
Ausbildung als auch in Fortbildungen ein verpflichtendes Angebot geben. Der
Zugang zur Gesundheitsversorgung muss für queere Menschen verbessert werden. Ob
somatische, psychosomatische, psychotherapeutische und psychiatrische
Versorgung: sie muss niedrigschwellig erreichbar sein und den individuellen
Bedarfen gerecht werden.
Psychische Gesundheit verbessern
Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder in einer psychischen Krise
brauchen schnelle und leicht zugängliche Hilfen, damit ihr Leid sich nicht
verschlimmert. Doch unser Gesundheitssystem wird dem individuellen Bedarf von
Menschen in einer psychischen Krise sehr häufig nicht gerecht. Das wollen wir
ändern! Dafür braucht es ausreichend niedrigschwellige Krisenangebote und mehr
ambulante Psychotherapieplätze ohne lange Wartezeiten durch mehr
Kassenzulassungen von Psychotherapeut*innen. Ambulante Angebote der, auch von
Selbsthilfestrukturen und gemeindenaher Psychiatrie, können eine zusätzliche
Säule sein.
Wir setzen uns für eine gemeindenahe und personenzentrierte Versorgung und eine
verbesserte sektorübergreifende Zusammenarbeit ein. Dabei müssen auch die
Besonderheiten der Versorgung von Kindern und Jugendlichen berücksichtigt
werden. Hilfsangebote zwischen ambulanter und stationärer und
stationsäquivalenter Behandlung müssen flexibler werden und die verschiedenen
Berufsgruppen im Team eine miteinander abgestimmte Behandlung übernehmen können.
Ergänzt werden müssen die bestehenden Angebote durch digitale Bausteine sowie
Videosprechstunden als Einzel- und Gruppenangebote. Digitale
Gesundheitsanwendungen (DiGAs) für Menschen mit psychischen Erkrankungen
brauchen einen hohen Qualitätsstandard und sollten in bestehende Therapien
integriert werden.
Wir treten für Behandlungsformen ein, die auf Freiwilligkeit statt auf Zwang
setzen. Psychiatrische Einrichtungen sollen deshalb flächendeckend Patient*innen
mit wiederkehrenden Krisen Behandlungsvereinbarungen anbieten.
Therapieerfolge hängen oftmals von der Zeit und der Beziehung ab, die das
Personal zu den Patientinnen und Patienten aufgebaut hat. Wir setzen uns deshalb
dafür ein, dass ausreichend Personal und ein Personalmix in der stationären
Versorgung durch verbindliche und qualitätsorientierte Standards ermöglicht
werden.
Wir wollen eine gute Prävention, Versorgung und Nachsorge von Kindern und
Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen und von Kindern, deren Eltern
psychisch erkrankt sind, gewährleisten. Damit die notwendige Zusammenarbeit der
beteiligten Hilfesysteme gelingt, wollen wir berufsübergreifende Kooperations-
und Vernetzungsstrukturen etablieren und Möglichkeiten der Mischfinanzierung von
komplexen Hilfebedarfen in psychisch belasteten Familien fördern. Schule,
Jugendhilfe, Sozialamt und das Gesundheitssystem müssen wie Zahnräder
ineinandergreifen und jeweils dort Finanzierung und Hilfen anbieten, wo die
Systeme der anderen Sozialgesetzbücher nicht greifen.
Wir setzen uns für eine psychiatrische Behandlung und psychosoziale
Unterstützung auf Augenhöhe und unter Einbeziehung der Betroffenen und ihrer
Angehörigen ein. Dafür soll der Trialog zwischen Psychiatrieerfahrenen,
Angehörigen und professionell in der Psychiatrie Tätigen ausgebaut werden. Ein
vielversprechender Weg zur Begleitung und Stärkung von Patient*innen sind zudem
Peer-to-Peer-Ansätze, die wir stärken wollen.
Gesundheitsversorgung Geflüchteter verbessern
Eine gute und diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung für Menschen, die
Schutz vor Krieg und Verfolgung suchen, ist ein Menschenrecht.
Deshalb wollen wir in NRW einen niedrigschwelligen Zugang zum Gesundheitssystem
für Menschen, die Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz erhalten, für Menschen
ohne Papiere oder Menschen ohne geklärten Versicherungsschutz. Die
Clearingstellen in NRW müssen ausgebaut und dauerhaft finanziert werden. Sie
müssen die Menschen perspektivisch nicht nur bei der Frage des
Versicherungsschutzes sondern auch beim Zugang zu medizinischen und
psychotherapeutischen Angeboten mit Sprach- und Kulturmittler*innen
unterstützen. Gerade die Pandemie zeigt, wie langsam Aufklärung und
Informationen Menschen erreichen, die nicht mit unserem Gesundheitssystem
aufgewachsen sind. Deshalb wollen wir für NRW gemeinsam mit den Kommunen,
Leistungserbringern und Kostenträgern eine App "Gesundheitssystem für
Einsteiger*innen" entwickeln, die die zentralen in den Fragen in den am
häufigsten in NRW gesprochenen Fremdsprachen beantwortet, etwa: "Wohin gehe ich
mit welchen Symptomen?", "Wer zahlt was?", "Wie kann ich im Gesundheitssystem
arbeiten?".
Das diskriminierende Asylbewerberleistungsgesetz wollen wir abschaffen und das
allgemeine Sozialleistungssystem öffnen. Die psychosoziale Unterstützung von
Geflüchteten muss zudem verbessert und ausgebaut werden. Damit alle
Patient*innen angemessen aufgeklärt und behandelt werden können, wollen wir,
dass professionelle Sprach- und Kulturmittler*innen künftig mitfinanziert
werden.
Notfallversorgung reformieren
Jeder Mensch muss darauf vertrauen können, im Notfall bestmöglich versorgt zu
sein - unabhängig vom Wohnort. Doch dafür muss sich einiges ändern. Wir müssen
ran an schlecht funktionierende Strukturen, die Menschen auf der Suche nach
medizinischer Hilfe rat- und orientierungslos lassen. Die Devise muss sein: Wer
Hilfe braucht, wird schnell und qualifiziert versorgt und nicht in einen
Zuständigkeitsdschungel des Gesundheitswesens geschickt, in dem Durchschnitt und
nicht Exzellenz das Maß der Dinge darstellt.
Darum wollen wir eine konsequente Verzahnung der ambulanten und der stationären
Notfallversorgung. In einem strukturell vielfältigen Land wie NRW mit
städtischen Ballungsgebieten und ländlichem Raum kann es nicht ein Modell für
alle geben. Aber durch einheitliche Stufen, konkrete Strukturvorgaben zur
Notfallversorgung, wollen wir erreichen, dass Menschen in Not, stets die
erwartbare Hilfe auch verlässlich vorfinden.
Das heißt konkret: Wenn sich Menschen mit einem medizinischen Hilfeersuchen an
eine Notaufnahme wenden, müssen sie dort kompetente und zuverlässige Hilfe
bekommen. An zentralen Klinikstandorten soll in weiterentwickelten
Notfallzentren unter anderem durch gemeinsame Tresen eine nahtlose Verzahnung
der bislang getrennten ambulanten und stationären Versorgungsmöglichkeiten der
Notfallversorgung erfolgen. Auch wollen wir, dass diese Notfallzentren gerade
nachts und am Wochenende beispielsweise durch kompetente Hausärzt*innen so
unterstützt werden, dass geeignete Fälle gut ambulant versorgt werden können. In
kleineren Krankenhäusern, die die Versorgung vor Ort sicherstellen und in denen
nicht für jede Notsituation Spezialist*innen vorgehalten werden können, muss die
Beurteilung von Notfällen mit Hilfe einer telemedizinischen Anbindung aus dem
virtuellen Krankenhaus sichergestellt werden. Eine gute digitale Infrastruktur
zeigt hier ganz konkreten Nutzen für Menschen in gesundheitlichen Notlagen,
gerade auch im ländlichen Raum.
Für die meisten Menschen sind gesundheitliche Notfälle nichts Alltägliches. Sie
brauchen Klarheit, wohin sie sich unkompliziert und schnell wenden können und wo
ihnen verlässlich geholfen wird. Darum sollten die Notrufleitstellen der Nummern
112 und 116117 organisatorisch zusammengeführt werden. Wir wollen in allen
Leitstellen eine Software zur standardisierten Notrufabfrage einführen und uns
dafür einsetzen, dass Vernetzung, Kooperation und Harmonisierung der
Einsatzleitsysteme zwischen den Leitstellen vorangetrieben werden. Es darf keine
Rolle spielen, wo die Menschen anrufen. Wichtig ist, dass sie immer die passende
Hilfe bekommen. Und zwar rund um die Uhr. Einem medizinischen Notfall sind
Öffnungs- und Dienstzeiten egal. Darum muss auch sichergestellt sein, dass der
ärztliche Bereitschaftsdienst rund um die Uhr verfügbar ist.
Auch der Rettungsdienst kann Menschen in Not umfassend medizinisch behandeln.
Doch dafür müssen die rechtlichen Grundlagen stimmen. Wir wollen das
Rettungsdienstgesetz weiterentwickeln und flächendeckend die Vollzeit-Funktion
der „Ärztlichen Leitung Rettungsdienst“ einführen, welche die medizinische und
organisatorische Gesamtverantwortung sowie die Aufgabe der Qualitätssicherung in
ihrem jeweiligen Zuständigkeitsgebiet trägt. Sie sollen zuständig sein für die
Festlegung medizinischer Behandlungsstandards und die Delegation heilkundlicher
Maßnahmen die auch von Notfallsanitäter*innen im Einklang mit ihrer Befähigung
im Einsatz durchgeführt werden sollen. Zudem soll die „Ärztliche Leitung
Rettungsdienst“ Anforderungen an Aus und Fortbildung des in der Notfallrettung
eingesetzten Personals festlegen und überwachen. Der Telenotarzt in NRW - also
die flächendeckende telemedizinische Unterstützung durch die Leitstellen des
Rettungsdienstes und der Feuerwehr - ist für die flächendeckende Versorgung ein
wichtiger Baustein, den wir ausbauen wollen.
Um den Rettungsdienst im Sinne der Betroffenen auch strukturell zu stärken soll
NRW sich im Bund dafür einsetzen, die medizinische Notfallversorgung der
Rettungsdienste als eigenständigen Leistungsbereich im Sozialgesetzbuch V
auszugestalten.
In manchen Notsituationen reicht es für die betroffenen Menschen nicht aus,
allein die medizinische Erstversorgung abzusichern. Dann wird auch eine
psychosoziale Notfallversorgung benötigt, um belastende und traumatisierende
Erfahrungen zu verarbeiten. Wir wollen die psychosoziale Notfallversorgung auch
in NRW gesetzlich absichern.
Bessere Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen
schaffen
Menschen, die krank sind und wieder gesund werden sollen, brauchen andere
Menschen, die sich gut und qualifiziert um sie kümmern. Voraussetzung dafür ist,
dass Pflegekräfte, Hebammen, Physiotherapeut*innen oder Ärzt*innen im
Gesundheitssystem Arbeitsbedingungen vorfinden, die sie auf Dauer nicht selbst
als „Kümmerer“ krank werden lassen. Das medizinische Fachpersonal leistet, egal
ob im Krankenhaus, in der ambulanten Versorgung, im Rettungsdienst oder in der
Altenpflege einen enormen gesellschaftlichen Beitrag. Andere Menschen gesund zu
machen, ist gelebte Daseinsvorsorge. Angesichts eines immer stärkeren
ökonomischen Drucks und weiterer Faktoren wie insbesondere dem Fachkräftemangel
haben sich einerseits die Arbeitsbedingungen in fast allen Bereichen des
Gesundheitswesens in den letzten Jahren massiv verschlechtert. Gleichzeitig ist
Geld im System überproportional stark zugunsten teurerer Apparate oder teurer
Medikamente und weg von den Menschen verschoben worden. Was durch den immensen
Einsatz der Menschen im Gesundheitswesen während der Corona-SARS-CoV-2-Pandemie
für die breite Öffentlichkeit sichtbar geworden ist, hätte schon viel früher
dazu führen müssen, dass ihnen deutlich mehr gesellschaftliche und finanzielle
Anerkennung zukommt.
Gute Gesundheitsversorgung mit ausreichend Personal gibt es nur, wenn die
Arbeitsbedingungen stimmen. Überstunden, Überlastung, starre Dienstpläne und das
große Maß an Fremdbestimmung machen das Berufsfeld unattraktiv, obwohl gerade
hier ein großer Fachkräftemangel besteht. Es reicht nicht aus, viel Geld in
innovative Forschung, Geräte oder Medikamente zu stecken, es muss auch gezielt
das medizinische Personal gefördert werden. Die Politik muss endlich die
richtigen Arbeits- und Rahmenbedingungen schaffen, um Gesundheitsberufe
aufzuwerten.
Dafür müssen die Personalschlüssel – nicht nur, aber insbesondere in der Pflege
- dem tatsächlichen Bedarf entsprechend weiter deutlich verbessert werden, damit
Menschen im Pflegeheim, im Krankenhaus oder in der ambulanten Versorgung mehr
Zeit für die Patient*innen haben. Die Personaluntergrenzen lösen wir so schnell
wie möglich durch Regelungen ab, die sich am tatsächlichen Pflegebedarf der
Patientinnen und Patienten orientieren.
Außerdem muss die Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe gestärkt werden. Die
Pflege muss ihre Expertise im Gesundheitswesen einbringen und es mitgestalten
können. Um diese Mitbestimmung auch politisch zu erreichen und die
professionellen Perspektiven der Pflege nachhaltig zu verbessern, benötigt
unsere Gesellschaft eine starke Selbstverwaltung der Pflege in Form von
Pflegeberufekammern auf Landes- und Bundesebene.
Auch Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Weiterbildungsmöglichkeiten
und flexiblere Arbeitszeitmodelle spielen bei Arbeitnehmer*innen eine immer
wichtigere Rolle. Die Ausnahmen im Arbeitszeitgesetz für den Gesundheitsbereich
wollen wir beschränken. Mit anhaltender Dauer der Pandemie und einer großen
Auslastung des Gesundheitswesens hat der Druck auf alle Gesundheitsberufe
zuletzt noch einmal massiv zugenommen. Gerade die Menschen, die sich um andere
kümmern, müssen wir besser schützen, damit sie nicht selber krank werden.
Eine große Baustelle, um die Attraktivität der Gesundheitsfachberufe wirklich
steigern zu können, ist weiterhin die Ausbildung. Obwohl das Interesse
beispielsweise an Logopädie, Podologie, Ergo- und Physiotherapie vorhanden ist,
werden viele interessierte junge Menschen von den Schulgebühren abgeschreckt.
Wir GRÜNEN wollen die Ausbildung aufwerten und das Schulgeld durch eine faire
Ausbildungsvergütung für alle Heilberufe ersetzen. Auch das Recht auf
Weiterbildung werden wir stärken und gleichwertige ausländische Fachabschlüsse
schneller anerkennen, um auch damit mehr Fachkräfte gewinnen zu können.
Die Teil-Akademisierung der Pflege muss endlich auch eine andere Bezahlung und
Tätigkeitsbeschreibung der akademisierten Pflegefachkräfte zur Folge haben. Auch
die Pflegefinanzierung muss stärker als bisher die Bedürfnisse der Patient*innen
und den notwendigen Aufwand berücksichtigen. So sollte die erbrachte Fachpflege
deutlich als qualitative Leistung hervorgehen und honoriert werden.
Den Öffentlichen Gesundheitsdienst stärken
Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) ist neben dem ambulanten und dem
stationären Sektor die dritte Säule des Gesundheitswesens in Deutschland. Seine
Aufgaben sind vor allem der Gesundheitsschutz der Bevölkerung, die
Gesundheitsförderung und das Gesundheitsmanagement. So übernimmt der ÖGD unter
anderem Schuleingangsuntersuchungen, macht Impfangebote und ist verantwortlich
für den Infektionsschutz inklusive Meldewesen, Kontaktnachverfolgung und
Anordnungen von Hygienemaßnahmen, aber auch die Trinkwasserüberwachung und die
Beratung zu Lebensmittelhygiene. Wir wollen, dass der ÖGD viel stärker als
Impulsgeber für eine aktive Gesundheitspolitik auftritt und damit Einfluss auf
eine gesundheitsfördernde Stadtentwicklungs- und Verkehrspolitik nimmt, aber
auch auf alle anderen Bereiche, wie z.B. die Pflege, die Bildungs- und
Betreuungspolitik.
Während der Corona-Pandemie ist besonders deutlich geworden, wie wichtig diese
Aufgaben sind. Offensichtlich geworden sind aber auch der langjährige
Verwaltungsabbau, die chronische Unterfinanzierung und der große Personalmangel
im ÖGD. In der Vergangenheit sind immer mehr Aufgaben hinzugekommen, ohne dass
der ÖGD entsprechend mehr finanziellen Mittel und Personal bekam. Wir wollen das
ändern. Langfristig wollen wir, dass ein Prozent der gesamten
Gesundheitsausgaben in den Öffentlichen Gesundheitsdienst fließen, damit er
seinen Aufgaben angemessen nachkommen kann.
Der Personalmangel im ÖGD lässt sich nur durch einen Strauß an Maßnahmen
beheben. Wir wollen den ÖGD attraktiver machen und die Vergütung der Ärzt*innen
durch einen eigenständigen Tarifvertrag deutlich verbessern. Bisher liegt die
Vergütung oftmals deutlich niedriger als in kommunalen Krankenhäusern oder im
Medizinischen Dienst der Krankenkassen. Um den Nachwuchsmangel zu bekämpfen, der
durch die Verrentung vieler Ärzt*innen entsteht, wollen wir Nachwuchsprogramme
in Kooperation mit Hochschulen und Ärztekammern fördern. Bisher lernen angehende
Ärzt*innen Public Health und den ÖGD als Einsatzgebiet während ihres Studiums
kaum kennen. Das muss sich ändern, zum Beispiel durch eine Änderung der
Approbationsordnung in NRW. Auch eine Erweiterung der "Landärzt*inquote" im
Medizinstudium für Studierende, die sich für den ÖGD verpflichten sowie ein
Medizin-Bachelor/Master für den ÖGD muss diskutiert werden.
Wir wollen, dass vermehrt Absolvent*innen aus anderen Fachrichtungen rekrutiert
werden (Sozialpädagogik, Gesundheitswissenschaft, Stadt- und Raumplanung etc.)
und in multiprofessionellen Teams zusammenarbeiten. Dieser interdisziplinäre
Ansatz in multiprofessionellen Teams bietet die Chance, die
Gesundheitsprävention noch stärker in den Fokus zu nehmen und insbesondere
benachteiligten Gruppen dazu zu verhelfen, ihre Chance auf ein gesundes Leben zu
erhöhen.
Der ÖGD - wie die Verwaltung insgesamt - braucht eine Digitalisierungsoffensive
um Arbeitsprozesse zu beschleunigen und die Kommunikation zwischen den
kommunalen Gesundheitsämtern in NRW einerseits und dem Landeszentrum für
Gesundheit andererseits, aber auch zu Instituten wie dem Robert Koch-Institut,
den Laboren und anderen Akteuren verbessern.
Im Moment sind die kommunalen Gesundheitsämter digital sehr unterschiedlich
aufgestellt. Auch die Anforderungen an das einzelne Amt variieren. Klar ist
aber, dass der ÖGD eine gute Ausstattung und einheitliche Standards braucht. Die
Schnittstellenkompatibilität soll auch zur elektronischen Patientenakte
ausbaubar sein um Versicherten z.B. in epidemischen Lagen, zu ermöglichen auch
ihre Daten des ÖGDs sichern zu können. Die IT sollte aber auch die
Gesundheitsberichterstattung verbessern und Planungsprozesse unterstützen. Das
LGZ muss als kommunikative Schnittstelle, mit dem Ministerium im Rücken und im
Austausch mit der Wissenschaft, Treiber für konzeptionelle Entwicklungen sein.
In der Pandemie wurde deutlich, dass von Seiten des Landes klare und
koordinierende Kommunikationsstrukturen fehlen und auch die Informationen vom
ÖGD zum Land weder regelhaft noch strukturiert fließen. Der ÖGD wurde weder bei
der Entwicklung der Corona-Warn-App als Schnittstelle und zentraler Bestandteil
mitgedacht, noch wurde er frühzeitig in mögliche Konzepte zum Umgang mit einer
der Corona-Wellen einbezogen.
Die Landesregierung setzt vor allem auf ad-hoc-Entscheidungen, ohne klare Linie
und ohne ausreichende Rücksprache und Kommunikation mit der kommunalen Ebene.
Wir setzen im Gegensatz dazu auf einen strukturierten Prozess und wollen den ÖGD
in die Beratungen der Konzepte, die Zuständigkeiten von Land und Kommunen
beinhalten, regelhaft einbeziehen.
Das Landeszentrum für Gesundheit muss endlich – anders als bisher – dafür
sorgen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse in alle Bereiche des
Gesundheitswesens kommuniziert werden und dass ein Austausch über deren
gelungene Umsetzung stattfindet. Gleichzeitig muss die Landesregierung auf der
Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und klarer politischer Abwägungen
politische Leitlinien entwickeln.
Gleichzeitig müssen alle kommunalen Einheiten mit durchdachten Konzepte des
Landes unterstützt werden. Das LZG muss in zentralen Fragen der
Pandemiebekämpfung die Sicherung notwendiger Standards und Verfahren
verantworten. Diese Linie ist dann Ausgangspunkt für alle kommunalen Strategien.
Hierdurch vermeiden wir auch eine dem Gesundheitsschutz zuwiderlaufende
interkommunale Konkurrenz. Zusätzliche kommunale Gestaltungsoptionen bleiben
innerhalb dieses Rahmens weiterhin möglich.
Das LZG muss den Kommunen in Krisensituationen Informations- und
Aufklärungsmaterialien in den Hauptsprachen der hier lebenden Menschen zur
Verfügung stellen, um schnell die gesamte Bevölkerung informieren und aufklären
zu können.
Kommunen müssen gerade bezogen auf den Infektionsschutz auch die Möglichkeit
haben interkommunale Personalpools zu schaffen. Infektionen kennen keine Grenzen
und eine konsequente Bekämpfung an Hot-Spots hilft am Ende allen Menschen.
Auch außerhalb von Krisensituationen setzen wir auf eine klare Stärkung der
öffentlichen Strukturen im Sinne eines Gesundheitsschutzes und der Prävention.
Hierzu bedarf es der dauerhaften Kommunikation in der kommunalen Familie und mit
dem Land. Gerade innerhalb einer Kommune können andere Fachbereiche die Daten
des ÖGD gewinnbringend nutzen, so zum Beispiel zur Unterstützung von Familien in
benachteiligten Stadtteilen. Auch Gesundheitskooperationen im Sinne einer
Arbeitsteilung zwischen mehreren Kommunen oder zwischen dem LZG und
verschiedenen Kommunen können sinnvoll sein, beispielsweise in der
Apothekenaufsicht. Hierbei müssen inhaltliche Impulse immer wieder vom Land
aufgegriffen und durch weitere Konzepte hinterlegt werden. Wir wollen Daten der
Gesundheitsberichterstattung verbindlich in gesundheitspolitischen
Entscheidungen berücksichtigen. Gesundheitliche Folgeabschätzungen soll auch in
anderen Politikfeldern als „Gesundheitscheck“ ganz selbstverständlich verankert
werden – etwa bei verkehrs-, sozial- oder klimapolitischen Entscheidungen
Neben Defiziten beim Infektionsschutz sehen wir als eine unmittelbare Auswirkung
der Corona Pandemie eine Zunahme psychischer Belastungen, Problemen und
Erkrankungen. Auch hier muss der ÖGD weiter gestärkt werden um präventive
Konzepte und niedrigschwellige Angebote den kommunalen Bedarfen entsprechend zu
entwickeln und aufzubauen. Das Vernetzen von Trägern der unterschiedlichen
Sozialgesetzbüchern Psychosoziale Dienste, Gemeindenahe Psychiatrie,
Jugendhilfe, Sozialverwaltung, etc. sind ein wesentlicher Faktor für eine
wirksame Struktur.
Wir wissen schon jetzt: Kinder und Jugendliche haben durch die Corona-Krise eine
enorme gesundheitliche Belastung zu tragen. Bewegungsmangel und fehlende
Sozialkontakte können unmittelbare Auswirkungen auf die Gesundheit haben.
Deswegen wird die Kinder- und Jugendgesundheit eine der zentralen
Herausforderungen des ÖGDs nach der akuten Phase der Pandemie sein.
Mit Digitalisierung die Gesundheitsversorgung
verbessern
Wir GRÜNE stehen für eine Digitalisierung, die dem Menschen dient - nicht
umgekehrt. Telemedizin, Telematik, Künstliche Intelligenz und Roboter sollen
helfen, die Gesundheitsversorgung zu verbessern sowie Ärzt*innen, Pflege und
Hebammen zu entlasten. Sie ersetzen aber nicht menschliche Zuwendung und
fachliche Kompetenz. Nicht das technisch Machbare bestimmt, sondern das, was den
Menschen hilft, selbstbestimmt gesund zu sein und zu leben.
Eine hochwertige technische wie digitale Ausstattung kann gerade im häuslichen
Umfeld die Möglichkeiten eines selbstbestimmten Lebens deutlich erhöhen und die
Pflege systematisch unterstützen und entlasten. Dabei ist der Bereich der
digitalen Dokumentation wichtig und als mobiles System entlastend. Hier kann
Digitalisierung aber weit mehr, als bisher die elektronische Patientenakte (ePA)
oder die elektronische Gesundheitsakte (eGA) können. Die von den Patient*innen
selbst verwalteten Daten können ihre Versorgung verbessern und Lebensqualität
steigern - so fallen etwa unnötige Doppeluntersuchungen weg, Polymedikation
fällt schneller auf und Wechselwirkungen können sichtbar werden.
Die Risiken durch große Datenkraken, die Gesundheitsdaten als neue „Währung“ im
System entdeckt haben, sind durch klare Datenschutzregelungen weiterhin zu
minimieren. Patient*innen brauchen die entsprechende Information, Befähigung und
Unterstützungsangebote, um ihre Eigenverantwortung auch leben zu können.
Das gleiche gilt für behandlungsunterstützende wie begleitende Angebote. Mit den
digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) und bald auch mit den digitalen
Pflegeanwendungen (DiPAs) haben die Versicherten einen Anspruch auf
Kostenübernahme für diese Apps oder digitalen Anwendungen. Hier brauchen wir in
NRW unabhängige Beratung und Schulung, die in bestehende Strukturen integriert
wird. Selbsthilfestrukturen könnten DiGAs testen und mit Fachärzten oder
Fachgesellschaften gemeinsam Informationen dazu erstellen und beraten. Aber auch
die Verordnenden oder begleitenden Pflegekräfte brauchen Informationen über die
angebotenen DiGAs.
Auch die Heilberufe brauchen Grundlagen und spezifische Kenntnisse und müssen
entsprechend in digitalen und telemedizinischen Kompetenzen geschult werden.
Statt nur die heute Beschäftigten nachträglich zu qualifizieren, muss dies in
die Ausbildungsinhalte integriert werden. Auch in das Medizinstudium gehören
diese Inhalte. Algorithmen, KI-gestützte Systeme werden in wenigen Jahren Regel
und nicht mehr Seltenheit im System, um Ärzt*innen bei Diagnosen zu
unterstützen.
Die Art der sektorübergreifenden und innersektoralen Kommunikation verändert
sich durch die Digitalisierung. Das Virtuelle Krankenhaus NRW ist dafür ein
gutes Beispiel. Es hat mit einer Finanzierung durch den Europäischen
Regionalfonds (EFRE) begonnen, ist über den Innovationsfonds weiterentwickelt
worden und soll jetzt schrittweise in die Regelfinanzierung überführt werden.
Zentren mit großer Fachkompetenz, hohen Fallzahlen und Erfahrungen mit
ungewöhnlichen Verläufen, unterstützen kleinere Krankenhäuser bei der Versorgung
komplexer und komplikationsgefährdeter Patient*innen via telemedizinischer
Visite, Fallbesprechung und Begleitung. Mit fünf Fachbereichen zu Beginn soll
das System auf weitere Gebiete erweitert und perspektivisch auch der Bereich der
niedergelassenen Ärzt*innen hierüber Unterstützung erhalten können.
Wir brauchen für NRW auch weiterhin Geld und Mut, um in Innovationen zu
investieren, die den Menschen egal auf welcher Seite im Gesundheitssystem
nutzen. Neben den zahlreichen Projekten die aus Mitteln des Innovationsfonds bei
jeder neuen Ausschreibung nach NRW geholt werden, brauchen wir einen
strukturierten Prozess um NRW zu innovativen Gesundheitsstandort zu machen.
Von Zeile 186 bis 187 einfügen:
nicht profitable Fachabteilungen und Versorgungsaufgaben im Interesse ihrer Bevölkerung erbringen. Auch konfessionell und weiteren freigemeinnützig getragenen Krankenhäuser sind für uns ein wichtiger Bestandteil der Öffentlichen Daseinsvorsorge.
Deutschland und NRW haben nach wie vor eines der besten Gesundheitssysteme der
Welt. Doch schon vor der Corona-Krise war deutlich, dass wir vieles ändern
müssen, damit alle Menschen in unserem Land gut versorgt sind und gleichen
Zugang zu Gesundheitsleistungen haben - in allen Wohnorten und Lebenslagen,
unabhängig vom Geldbeutel, Alter, sexueller Identität oder Herkunft. Wir müssen
entschieden handeln, damit diejenigen, die tagtäglich für unser aller Gesundheit
sorgen, bei ihrer Arbeit selbst dauerhaft gesund und zufrieden bleiben und
angemessen entlohnt werden. Deshalb streiten wir für gute Arbeit für alle, die
im Gesundheitssektor arbeiten - von der Reinigungskraft über den Altenpfleger
bis zur Ärztin im Gesundheitsamt.
Gesundheit ist ein hohes Gut und mehr als die Abwesenheit von Krankheit. Wir
GRÜNE wollen die gesundheitspolitischen Weichen neu stellen. Wir setzen uns für
das Ende der Zwei-Klassen-Medizin und eine solidarische Bürger*innenversicherung
ein. Ökonomischen Druck zu Lasten des Patient*innenwohls und des Personals
wollen wir aus dem Weg räumen. Finanzielle Anreize müssen das belohnen, was sich
für die Gesundheit auszahlt. Wir streiten für eine Aufwertung und faire
Entlohnung aller Gesundheitsberufe. Und wir setzen für eine neue,
bedarfsorientierte Planung mit Strukturen jenseits der starren Trennung von
stationärer und ambulanter Versorgung ein, damit die Menschen überall in NRW gut
versorgt sind.
Die Pandemie führt uns vor Augen, dass weitsichtige Gesundheitspolitik schon
weit vor der Versorgung ansetzt. Sie hat gezeigt, wie wichtig Vorsorge und
Prävention sind. Damit wir möglichst gar nicht krank werden, braucht es einen
Staat, der die Ursachen von Krankheiten - etwa Armut, schlechte
Arbeitsbedingungen und krankmachende Umweltbedingungen - bekämpft und
vorausschauend handelt. Ein funktionierender Gesundheitsschutz ist - wie die
Gesundheitsversorgung - eine der zentralen Aufgaben öffentlicher
Daseinsvorsorge. Doch schon vor der Pandemie waren die Strukturen von Kommune
über Land und Bund in erster Linie auf das Verwalten und viel zu sehr auf
reaktive und reparierende Muster angelegt. Wir brauchen stattdessen einen aktiv
handelnden Staat, der die Vielfältigkeit des Föderalismus nutzt, aktiven
Gesundheitsschutz betreibt, Krisen vorbeugt und auch aktiv Einfluss auf alle
politischen Bereiche nimmt.
Lehren aus der Pandemie ziehen
Entscheidend für eine gute Versorgung in Krisen wie der Corona-Pandemie sind
eine abgestimmte, gestufte regionale Versorgung, eine gute Strukturqualität
sowie spezielle Kenntnisse zum Beispiel bei der Behandlung und Pflege
beatmungspflichtiger Patient*innen. Um in Krisenzeiten auf besondere Bedarfe
reagieren zu können, müssen deshalb zusätzliche Kapazitäten sowohl räumlich,
aber vor allem auch personell vorgehalten werden, die aktuell nicht in die Logik
passgenauer Abrechnung nach Fallzahlen passen.
Die Corona-Krise verdeutlicht vor allem die Notwendigkeit einer stärkeren
Bündelung von Kapazitäten und Kompetenzen und einer besseren Erfassung von
Gesundheitsdaten, um Behandlungspfade zu optimieren oder Behandlungserfolge
schneller zu teilen. Erforderlich ist auch die Stärkung von Gesundheitskompetenz
und Gesundheitsförderung und bessere Prävention. Gemäß dem „Health in All
Policies“-Ansatz müssen Gesundheitsaspekte in allen Politikbereichen
berücksichtigt werden.
Gesundheit schützen, Prävention stärken
Prävention hält gesund und entlastet damit das Gesundheitssystem, wenn sie
umfassend in allen Politik- und Lebensbereichen umgesetzt wird. Stadtentwicklung
und Verkehrsplanung gestalten wir deshalb so, dass Kinder sich frei bewegen
können. In Kindergärten und Schule geben wir Sport, Ernährung und
Gesundheitswissen in allen Bereichen einen größeren Stellenwert. Mit einem
Gesunde-Kantinen-Programm machen wir regionale Ernährung, möglichst Bio, zum
Standard in Kantinen und Mensen. In unseren Städten und Dörfern entwickeln wir
Quartiere für Menschen im Alter, die in einer Stadtteilgemeinschaft statt in
Isolation leben wollen.
Wir machen uns für eine Arbeitswelt stark, die Arbeitsschutz sichert und in der
Freizeit, Familie, Pflege und Beruf miteinander vereinbar sind. Wir fördern die
Vermittlung von Gesundheitsinformationen, unterstützen weiterhin
niedrigschwellige Angebote und offene Selbsthilfestrukturen in NRW und sorgen
dafür, dass sie mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens Schritt halten.
Nicht zuletzt muss Prävention auch bei Krankheit, Rehabilitation und Pflege
fester und vorrangiger Bestandteil der Versorgung sein. So können
Multimorbidität reduziert und schwerere Krankheitsverläufe verzögert oder
abgeschwächt werden. Pflegebedürftigkeit kann bei guten Konzepten zu
Rehabilitation und Prävention reduziert und Eigenständigkeit sowie
Lebensqualität zurückgewonnen werden. Dies wollen wir in der Pflegepolitik des
Landes stärker als bisher verankern.
Regionale Versorgung ausbauen - Vorfahrt für
Gesundheitsregionen
Um die Versorgung in Stadt und Land zu stärken, wollen wir, dass ambulante und
stationäre Angebote in Zukunft übergreifend geplant und organisiert werden und
Gesundheitsregionen mit enger Anbindung an die Kommunen gefördert werden können.
Vor allem für unterversorgte Regionen wollen wir die Möglichkeiten zur
Sicherstellung einer sektorenübergreifenden Versorgung ausbauen, zum Beispiel
auch durch verbindliche Entscheidungen des 90a-Gremiums auf Landesebene.
Durch Gesundheitsregion wollen wir die starre Trennung zwischen den Sektoren
aufbrechen, Kooperation und gute Versorgung belohnen. In NRW wollen wir
gemeinsam mit allen Akteur*innen auf der Grundlage des Konzeptes der Grünen
Bundestagsfraktion ein Konzept zur Förderung von Gesundheitsregionen entwickeln.
Die Etablierung von Gesundheitsregionen ist ein Angebot an die Regionen,
Kommunen und Kreise.
Wir setzen dabei auf das Engagement und die Kreativität der Akteure vor Ort und
werden dieses in geeigneter Weise unterstützen.
Denn die bisherige Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung verengt
den Blick der Leistungserbringer*innen auf das jeweils eigene wirtschaftliche
Ergebnis. Das schadet vor allem chronisch kranken Patient*innen. Durch die
regionale Verankerung entstehen mehr Möglichkeiten, die Versorgung abseits
starrer Regelungen von der Bundesebene vor Ort zu gestalten und in
Quartierskonzepte zu integrieren. Besonders wichtig ist dies bei der Versorgung
hochbetagter Menschen, die zumeist neben der medizinischen Versorgung Pflege und
alltagsunterstützende Leistungen brauchen. Auch das Entlassmanagement nach einem
Krankenhausaufenthalt sowie die Unterstützung bei der Wiederaufnahme der
selbstständigen Lebensführung in der häuslichen Umgebung können so weitaus
passgenauer und zielgerichteter organisiert werden. Dabei muss schrittweise auch
die engere Vernetzung mit anderen Leistungen etwa der Pflege, der
Eingliederungshilfe oder der Rehabilitation in den Blick genommen werden. Auch
eine engere Zusammenarbeit mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst ist notwendig.
Die Vernetzung von Praxen, Ärztenetzen, Krankenhäusern, Krankenkassen,
Gesundheits- und Pflegezentren, Apotheken, Reha-Einrichtungen und weiteren
Gesundheitsbereichen wollen wir aktiv unterstützen und das Interesse am
gemeinsamen Handeln für die Gesundheit der Menschen fördern. Die Patient*innen
haben Anspruch auf eine verlässliche, qualitativ hochwertige und möglichst
wohnortnahe Versorgung – ganz gleich ob diese in Krankenhäusern,
Gesundheitszentren oder Arztpraxen stattfindet. Mithilfe von Versorgungszentren
gerade in von Unterversorgung bedrohten oder betroffenen Regionen und anderen
Gesundheitseinrichtungen auch in eigener Trägerschaft können Kommunen zudem
direkten Einfluss auf die Daseinsvorsorge vor Ort nehmen.
Für eine verlässliche Krankenhausversorgung
überall sorgen
Nur eine verlässliche und leistungsstarke Krankenhausstruktur kann ihrer Rolle
als eine der drei Säulen des Gesundheitssystems - neben der ambulanten
Versorgung und dem Öffentlichen Gesundheitsdienst - gerecht werden. Wir wollen,
dass Krankenhäuser weiterhin gut erreichbar sind und überall in NRW über eine
hohe Qualität und ausreichend Personal verfügen. Die Finanzierung der
Krankenhäuser muss sich in Zukunft an diesem gesellschaftlichen Auftrag
orientieren, nicht mehr vorrangig an der Fallzahl.
Die Corona-Krise hat bestehende Defizite in der Gesundheitsversorgung im
Allgemeinen und der Krankenhausversorgung im Speziellen aufgezeigt. In einigen
Regionen gibt es echte Versorgungslücken in bestimmten Disziplinen, in anderen
eine Über- und Fehlversorgung mit einer nicht bedarfsgerechten Anzahl und
Verteilung von Krankenhausstandorten und -betten sowie im internationalen
Vergleich sehr vielen medizinisch nicht notwendigen stationären
Behandlungsfällen.
Wir GRÜNE sind der Auffassung, dass wir Krankenhausplanung und -finanzierung
grundlegend reformieren müssen. Wir wollen die stationäre Versorgung reformieren
und orientieren uns dabei an den Bedürfnissen der Patient*innen, an einer guten
Erreichbarkeit für jede*n, an Qualität und Verlässlichkeit. Qualität fördern wir
gezielt durch klare Vorgaben zur bedarfsgerechten Personalausstattung im
Krankenhausgesetz, durch Anreize in der Vergütung sowie durch mehr
Qualitätstransparenz.
Darüber hinaus ist eine stärkere Spezialisierung und Stufung der
Krankenhausversorgung nötig. Nicht jedes Krankenhaus kann und muss alle
Leistungen anbieten. Aber jedes bedarfsnotwendige Krankenhaus muss seinen
jeweiligen Versorgungsauftrag qualitativ gut und angemessen finanziert erfüllen
können. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn versorgungsrelevante Bereiche auch
tatsächlich angeboten werden können. Viele Krankenhäuser in ländlichen Räumen
haben daher nur dann eine Zukunft, wenn sie Bestandteil einer
sektorübergreifenden und stärker regional verankerten Versorgung werden und
sowohl mit ambulanten Einrichtungen, als auch mit Krankenhäusern anderer
Versorgungsstufen sowie mit der Reha und der Pflege eng zusammenarbeiten.
Kennzeichen solcher Versorgungsverbünde muss die Zusammenarbeit aller
Gesundheitsberufe auf Augenhöhe und in abgestimmten Behandlungspfaden sein. Aber
auch die Anbindung an das komplexe Wissen und die Erfahrung von
Universitätskliniken und hoch spezialisierten Maximalversorgern oder
Fachkliniken durch telemedizinische Unterstützungsangebote (Stichwort
“Virtuelles Krankenhaus”) muss auf- und ausgebaut werden. So können kleine
Häuser im ländlichen Raum das geballte Fachwissen in ihre Behandlungen
integrieren und somit auf qualitativ höherem Niveau Menschen versorgen.
Eine grundlegende Reform des Krankenhausentgeltsystems ist ebenfalls
unausweichlich. Es braucht eine starke Komponente einer fallzahlunabhängigen
Absicherung der notwendigen Vorhaltekosten für kleine Häuser der
Grundversorgung. Dies dient gerade der Sicherstellung der Grundversorgung
ländlicher Räume, der Notfallversorgung und der pädiatrischen Versorgung in
besonderer Weise
Krankenhausplanung an Bedürfnissen der Patient*innen
ausrichten
Damit die Menschen überall in NRW und Deutschland verlässlich, bedarfsgerecht
und qualitativ hochwertig versorgt werden, braucht es bundesweit gültige
Grundsätze für die Versorgungs- und Krankenhausplanung. Dies erfordert, den
Versorgungsbedarf fortlaufend zu analysieren, neue ambulante und
sektorübergreifende Strukturen zu entwickeln, das Angebot regional aufeinander
abzustimmen und Doppelstrukturen, insbesondere in den urbanen Zentren, zu
vermeiden.
Leistungen der Grundversorgung - etwa eine Abteilung für innere Medizin sowie
für allgemeine Chirurgie - müssen jederzeit für alle gut erreichbar sein. Sollte
kein Grundversorger mehr vor Ort sein, braucht es zumindest ein
sektorübergreifendes Zentrum mit einem verpflichtend vorhandenen internistischen
Bereich, IMC-Betten zur Notfallversorgung und ggf. zur Vorbereitung der
Weiterverlegung. Für fachärztliche und spezialisierte Angebote bzw.
Schwerpunktleistungen der stationären Versorgung durch Maximalversorger oder
Universitätskliniken soll hingegen großräumiger geplant werden. Die
Sektorentrennung bei der Planung wollen wir überwinden.
Investitionsfinanzierung auf eine stabile Basis stellen
Eine Reform der Investitionsfinanzierung ist zwingend notwendig. Der Bund muss
dauerhaft die Hälfte der Krankenhausinvestitionen finanzieren. Hierzu sollte der
Bund auch eine Mindestinvestitionsquote bestimmen. Die Finanzierung von
Investitionen soll überdies künftig über fallzahlunabhängige und nach
Versorgungsstufen differenzierte Pauschalen erfolgen.
Nur so verhindern wir, dass Krankenhäuser wegen fehlender Investitionsförderung
weiter Defizite machen und Kommunen zur Privatisierung ihrer Krankenhäuser
gezwungen werden. Wir wollen weitere Privatisierungen abwenden und Krankenhäuser
in kommunaler Trägerschaft erhalten, da diese auch im Sinne der Daseinsvorsorge
nicht profitable Fachabteilungen und Versorgungsaufgaben im Interesse ihrer
Bevölkerung erbringen. Auch konfessionell und weiteren freigemeinnützig getragenen Krankenhäuser sind für uns ein wichtiger Bestandteil der Öffentlichen Daseinsvorsorge.
In Digitalisierung und Smart Green Hospitals investieren
Wir wollen Krankenhäuser in die Lage versetzen, ihre IT zu modernisieren und die
Anbindung an Breitbandnetze zu investieren. Wir setzen auf langfristige
Finanzierungsvereinbarungen, damit die Systeme laufend an den neuesten Stand der
Technik angepasst werden.
Das Krankenhaus der Zukunft ist grün und barrierefrei. Öffentliche Fördermittel
wollen wir gezielt für nachhaltige Konzepte bereitstellen. Ein tiefgreifende
Systemwandel hin zu "Smart Green Hospitals" ist im Angesicht der Klimakrise
notwendig und muss sich in der Investitionsfinanzierung und der
Krankenhausplanung widerspiegeln.
Geschlechtergerechte Gesundheitsversorgung
gewährleisten
Geburtshilfe und Hebammen stärken
Eine gute Schwangerschaftsbegleitung und Geburtshilfe sind für den Start ins
Leben und für selbstbestimmte Entscheidungen von Frauen und Familien
unerlässlich. Deshalb setzen uns für eine bessere Vergütung der
verantwortungsvollen Tätigkeiten von Hebammen ein und wollen, dass die hohe
Berufshaftpflichtversicherung reformiert wird und die Beiträge deutlich
reduziert werden. Die Förderung von selbstständigen Hebammen ist ein adäquates
Mittel, um insbesondere im ländlichen Raum Lücken in der Geburtshilfe zu
schließen. Die Reform der Hebammenausbildung muss mit einer Aufwertung des
Berufs einhergehen.
Bei der Krankenhausplanung muss die Möglichkeit, Patientinnen jederzeit an gut
erreichbare Krankenhäuser verweisen zu können ebenso berücksichtigt werden wie
die Tatsache, dass gute Qualität in der stationären Geburtshilfe eine
hinreichende Zahl von jährlichen Geburten voraussetzt. Mit dem Ziel der
Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Geburtshilfe sollten deshalb
Tarifsteigerungen für in Geburtskliniken mit hoher Auslastung angestellte
Hebammen refinanziert werden, gebunden an verbindliche Qualitätskriterien wie
etwa eine 1:1-Betreuung in den wesentlichen Phasen der Geburt. Aber auch neue
Strukturen, wie der hebammengeführte Kreißsaal, sollen in NRW ausgebaut und
refinanziert werden.
Selbstbestimmung garantieren
Alle Menschen, auch Mädchen und Frauen, haben das Recht auf Selbstbestimmung
über ihren Körper und ihr Leben. Dazu gehört auch die Entscheidung, ob eine Frau
eine Schwangerschaft abbricht. Dies gehört zu den schwierigsten Lebenssituation
und erfordert zwingend eine gute Unterstützung. Schwangere müssen schnell an
gesicherte Informationen gelangen - auch von Ärzt*innen, die den Eingriff
durchführen. Deshalb wollen wir § 219a endlich aus dem Strafgesetzbuch
streichen. Auch in NRW muss der flächendeckende Zugang zu
Schwangerschaftsabbrüchen und eine generelle Kostenübernahme überall
gewährleistet sein. Der Schwangerschaftsabbruch muss in die Ausbildung von
Ärzt*innen nach international anerkannten Standards integriert werden.
Freiwillige Beratungsangebote müssen abgesichert und ausgebaut werden.
Geschlechtsspezifische und diskriminierungsfreie Medizin
fördern
Fehlt im Gesundheitssystem und in der Gesundheitspolitik der Blick auf das
biologische und soziale Geschlecht, kommt unterm Strich eine
Gesundheitsversorgung heraus, die niemandem gerecht wird. Schon 2000 gab es im
Landtag NRW auf Initiative der Grünen Landtagsfraktion eine Enquetekommission
zum Thema "Zukunft einer frauengerechten Gesundheitsversorgung in NRW". Seitdem
liegen zahlreiche Erkenntnisse auf dem Tisch, bei der Implementierung im
Gesundheitssystem geht es aber nach wie vor zu langsam voran. Noch immer haben
Frauen bei einem Herzinfarkt je nach Klinik eine schlechtere Überlebenschance,
weil dort Diagnostik und Therapie immer noch auf den männlichen “Normkörper”
ausgerichtet sind. Deshalb setzen wir uns weiterhin für eine Stärkung der
Geschlechterperspektive im Gesundheitswesen und der Ausbildung ein, etwa bei der
Entwicklung von Medikamenten, Ermittlung geschlechtsspezifischer
Gesundheitsrisiken oder bei Präventionsangeboten. Förderungen des Landes im
Gesundheitsbereich sollen grundsätzlich die Geschlechterperspektive
berücksichtigen müssen, Daten geschlechterdifferenziert erfasst und ausgewertet
werden und Projekte und Initiativen des Landes dies durchgängig berücksichtigen.
Gerade die Zukunftsbereiche der Telemedizin und Digitalisierung dürfen die
Fehler der analogen Vergangenheit nicht in die Gegenwart übertragen. Denn mit
der Digitalisierung des Gesundheitssystems besteht nicht nur die Gefahr, die
Erkenntnisse geschlechterdifferenzierter Bedarfe bei Prävention, Diagnose,
Kurration, Rehabilitation und Pharmakologie auf dem Weg der Entwicklung und
Programmierung von Anwendungen wie Apps oder Algorithmen/KI wieder aus dem Blick
zu verlieren. Der „Gender Bias“ könnte sogar noch größer werden. Denn KI-Systeme
bilden die Vergangenheit und Gegenwart auf rückblickenden Datenbasen ab, um in
die Gegenwart und Zukunft Diagnosen und Prognosen zu erstellen. Das bedeutet,
sie bilden alle bestehenden Ungleichheiten der Vergangenheit ab und
reproduzieren sie. Deswegen braucht es auch eine entsprechende Sensibilisierung
der Unternehmen, die im Gesundheitsbereich Anwendungen entwickeln.
Die systematische Diskriminierung queerer Menschen im Gesundheitssystem müssen
wir abbauen. So müssen Ärzt*innen und anderes medizinischer Personal
sensibilisiert werden für die Belange von LGBTIQ*, hier muss es sowohl in der
Ausbildung als auch in Fortbildungen ein verpflichtendes Angebot geben. Der
Zugang zur Gesundheitsversorgung muss für queere Menschen verbessert werden. Ob
somatische, psychosomatische, psychotherapeutische und psychiatrische
Versorgung: sie muss niedrigschwellig erreichbar sein und den individuellen
Bedarfen gerecht werden.
Psychische Gesundheit verbessern
Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder in einer psychischen Krise
brauchen schnelle und leicht zugängliche Hilfen, damit ihr Leid sich nicht
verschlimmert. Doch unser Gesundheitssystem wird dem individuellen Bedarf von
Menschen in einer psychischen Krise sehr häufig nicht gerecht. Das wollen wir
ändern! Dafür braucht es ausreichend niedrigschwellige Krisenangebote und mehr
ambulante Psychotherapieplätze ohne lange Wartezeiten durch mehr
Kassenzulassungen von Psychotherapeut*innen. Ambulante Angebote der, auch von
Selbsthilfestrukturen und gemeindenaher Psychiatrie, können eine zusätzliche
Säule sein.
Wir setzen uns für eine gemeindenahe und personenzentrierte Versorgung und eine
verbesserte sektorübergreifende Zusammenarbeit ein. Dabei müssen auch die
Besonderheiten der Versorgung von Kindern und Jugendlichen berücksichtigt
werden. Hilfsangebote zwischen ambulanter und stationärer und
stationsäquivalenter Behandlung müssen flexibler werden und die verschiedenen
Berufsgruppen im Team eine miteinander abgestimmte Behandlung übernehmen können.
Ergänzt werden müssen die bestehenden Angebote durch digitale Bausteine sowie
Videosprechstunden als Einzel- und Gruppenangebote. Digitale
Gesundheitsanwendungen (DiGAs) für Menschen mit psychischen Erkrankungen
brauchen einen hohen Qualitätsstandard und sollten in bestehende Therapien
integriert werden.
Wir treten für Behandlungsformen ein, die auf Freiwilligkeit statt auf Zwang
setzen. Psychiatrische Einrichtungen sollen deshalb flächendeckend Patient*innen
mit wiederkehrenden Krisen Behandlungsvereinbarungen anbieten.
Therapieerfolge hängen oftmals von der Zeit und der Beziehung ab, die das
Personal zu den Patientinnen und Patienten aufgebaut hat. Wir setzen uns deshalb
dafür ein, dass ausreichend Personal und ein Personalmix in der stationären
Versorgung durch verbindliche und qualitätsorientierte Standards ermöglicht
werden.
Wir wollen eine gute Prävention, Versorgung und Nachsorge von Kindern und
Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen und von Kindern, deren Eltern
psychisch erkrankt sind, gewährleisten. Damit die notwendige Zusammenarbeit der
beteiligten Hilfesysteme gelingt, wollen wir berufsübergreifende Kooperations-
und Vernetzungsstrukturen etablieren und Möglichkeiten der Mischfinanzierung von
komplexen Hilfebedarfen in psychisch belasteten Familien fördern. Schule,
Jugendhilfe, Sozialamt und das Gesundheitssystem müssen wie Zahnräder
ineinandergreifen und jeweils dort Finanzierung und Hilfen anbieten, wo die
Systeme der anderen Sozialgesetzbücher nicht greifen.
Wir setzen uns für eine psychiatrische Behandlung und psychosoziale
Unterstützung auf Augenhöhe und unter Einbeziehung der Betroffenen und ihrer
Angehörigen ein. Dafür soll der Trialog zwischen Psychiatrieerfahrenen,
Angehörigen und professionell in der Psychiatrie Tätigen ausgebaut werden. Ein
vielversprechender Weg zur Begleitung und Stärkung von Patient*innen sind zudem
Peer-to-Peer-Ansätze, die wir stärken wollen.
Gesundheitsversorgung Geflüchteter verbessern
Eine gute und diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung für Menschen, die
Schutz vor Krieg und Verfolgung suchen, ist ein Menschenrecht.
Deshalb wollen wir in NRW einen niedrigschwelligen Zugang zum Gesundheitssystem
für Menschen, die Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz erhalten, für Menschen
ohne Papiere oder Menschen ohne geklärten Versicherungsschutz. Die
Clearingstellen in NRW müssen ausgebaut und dauerhaft finanziert werden. Sie
müssen die Menschen perspektivisch nicht nur bei der Frage des
Versicherungsschutzes sondern auch beim Zugang zu medizinischen und
psychotherapeutischen Angeboten mit Sprach- und Kulturmittler*innen
unterstützen. Gerade die Pandemie zeigt, wie langsam Aufklärung und
Informationen Menschen erreichen, die nicht mit unserem Gesundheitssystem
aufgewachsen sind. Deshalb wollen wir für NRW gemeinsam mit den Kommunen,
Leistungserbringern und Kostenträgern eine App "Gesundheitssystem für
Einsteiger*innen" entwickeln, die die zentralen in den Fragen in den am
häufigsten in NRW gesprochenen Fremdsprachen beantwortet, etwa: "Wohin gehe ich
mit welchen Symptomen?", "Wer zahlt was?", "Wie kann ich im Gesundheitssystem
arbeiten?".
Das diskriminierende Asylbewerberleistungsgesetz wollen wir abschaffen und das
allgemeine Sozialleistungssystem öffnen. Die psychosoziale Unterstützung von
Geflüchteten muss zudem verbessert und ausgebaut werden. Damit alle
Patient*innen angemessen aufgeklärt und behandelt werden können, wollen wir,
dass professionelle Sprach- und Kulturmittler*innen künftig mitfinanziert
werden.
Notfallversorgung reformieren
Jeder Mensch muss darauf vertrauen können, im Notfall bestmöglich versorgt zu
sein - unabhängig vom Wohnort. Doch dafür muss sich einiges ändern. Wir müssen
ran an schlecht funktionierende Strukturen, die Menschen auf der Suche nach
medizinischer Hilfe rat- und orientierungslos lassen. Die Devise muss sein: Wer
Hilfe braucht, wird schnell und qualifiziert versorgt und nicht in einen
Zuständigkeitsdschungel des Gesundheitswesens geschickt, in dem Durchschnitt und
nicht Exzellenz das Maß der Dinge darstellt.
Darum wollen wir eine konsequente Verzahnung der ambulanten und der stationären
Notfallversorgung. In einem strukturell vielfältigen Land wie NRW mit
städtischen Ballungsgebieten und ländlichem Raum kann es nicht ein Modell für
alle geben. Aber durch einheitliche Stufen, konkrete Strukturvorgaben zur
Notfallversorgung, wollen wir erreichen, dass Menschen in Not, stets die
erwartbare Hilfe auch verlässlich vorfinden.
Das heißt konkret: Wenn sich Menschen mit einem medizinischen Hilfeersuchen an
eine Notaufnahme wenden, müssen sie dort kompetente und zuverlässige Hilfe
bekommen. An zentralen Klinikstandorten soll in weiterentwickelten
Notfallzentren unter anderem durch gemeinsame Tresen eine nahtlose Verzahnung
der bislang getrennten ambulanten und stationären Versorgungsmöglichkeiten der
Notfallversorgung erfolgen. Auch wollen wir, dass diese Notfallzentren gerade
nachts und am Wochenende beispielsweise durch kompetente Hausärzt*innen so
unterstützt werden, dass geeignete Fälle gut ambulant versorgt werden können. In
kleineren Krankenhäusern, die die Versorgung vor Ort sicherstellen und in denen
nicht für jede Notsituation Spezialist*innen vorgehalten werden können, muss die
Beurteilung von Notfällen mit Hilfe einer telemedizinischen Anbindung aus dem
virtuellen Krankenhaus sichergestellt werden. Eine gute digitale Infrastruktur
zeigt hier ganz konkreten Nutzen für Menschen in gesundheitlichen Notlagen,
gerade auch im ländlichen Raum.
Für die meisten Menschen sind gesundheitliche Notfälle nichts Alltägliches. Sie
brauchen Klarheit, wohin sie sich unkompliziert und schnell wenden können und wo
ihnen verlässlich geholfen wird. Darum sollten die Notrufleitstellen der Nummern
112 und 116117 organisatorisch zusammengeführt werden. Wir wollen in allen
Leitstellen eine Software zur standardisierten Notrufabfrage einführen und uns
dafür einsetzen, dass Vernetzung, Kooperation und Harmonisierung der
Einsatzleitsysteme zwischen den Leitstellen vorangetrieben werden. Es darf keine
Rolle spielen, wo die Menschen anrufen. Wichtig ist, dass sie immer die passende
Hilfe bekommen. Und zwar rund um die Uhr. Einem medizinischen Notfall sind
Öffnungs- und Dienstzeiten egal. Darum muss auch sichergestellt sein, dass der
ärztliche Bereitschaftsdienst rund um die Uhr verfügbar ist.
Auch der Rettungsdienst kann Menschen in Not umfassend medizinisch behandeln.
Doch dafür müssen die rechtlichen Grundlagen stimmen. Wir wollen das
Rettungsdienstgesetz weiterentwickeln und flächendeckend die Vollzeit-Funktion
der „Ärztlichen Leitung Rettungsdienst“ einführen, welche die medizinische und
organisatorische Gesamtverantwortung sowie die Aufgabe der Qualitätssicherung in
ihrem jeweiligen Zuständigkeitsgebiet trägt. Sie sollen zuständig sein für die
Festlegung medizinischer Behandlungsstandards und die Delegation heilkundlicher
Maßnahmen die auch von Notfallsanitäter*innen im Einklang mit ihrer Befähigung
im Einsatz durchgeführt werden sollen. Zudem soll die „Ärztliche Leitung
Rettungsdienst“ Anforderungen an Aus und Fortbildung des in der Notfallrettung
eingesetzten Personals festlegen und überwachen. Der Telenotarzt in NRW - also
die flächendeckende telemedizinische Unterstützung durch die Leitstellen des
Rettungsdienstes und der Feuerwehr - ist für die flächendeckende Versorgung ein
wichtiger Baustein, den wir ausbauen wollen.
Um den Rettungsdienst im Sinne der Betroffenen auch strukturell zu stärken soll
NRW sich im Bund dafür einsetzen, die medizinische Notfallversorgung der
Rettungsdienste als eigenständigen Leistungsbereich im Sozialgesetzbuch V
auszugestalten.
In manchen Notsituationen reicht es für die betroffenen Menschen nicht aus,
allein die medizinische Erstversorgung abzusichern. Dann wird auch eine
psychosoziale Notfallversorgung benötigt, um belastende und traumatisierende
Erfahrungen zu verarbeiten. Wir wollen die psychosoziale Notfallversorgung auch
in NRW gesetzlich absichern.
Bessere Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen
schaffen
Menschen, die krank sind und wieder gesund werden sollen, brauchen andere
Menschen, die sich gut und qualifiziert um sie kümmern. Voraussetzung dafür ist,
dass Pflegekräfte, Hebammen, Physiotherapeut*innen oder Ärzt*innen im
Gesundheitssystem Arbeitsbedingungen vorfinden, die sie auf Dauer nicht selbst
als „Kümmerer“ krank werden lassen. Das medizinische Fachpersonal leistet, egal
ob im Krankenhaus, in der ambulanten Versorgung, im Rettungsdienst oder in der
Altenpflege einen enormen gesellschaftlichen Beitrag. Andere Menschen gesund zu
machen, ist gelebte Daseinsvorsorge. Angesichts eines immer stärkeren
ökonomischen Drucks und weiterer Faktoren wie insbesondere dem Fachkräftemangel
haben sich einerseits die Arbeitsbedingungen in fast allen Bereichen des
Gesundheitswesens in den letzten Jahren massiv verschlechtert. Gleichzeitig ist
Geld im System überproportional stark zugunsten teurerer Apparate oder teurer
Medikamente und weg von den Menschen verschoben worden. Was durch den immensen
Einsatz der Menschen im Gesundheitswesen während der Corona-SARS-CoV-2-Pandemie
für die breite Öffentlichkeit sichtbar geworden ist, hätte schon viel früher
dazu führen müssen, dass ihnen deutlich mehr gesellschaftliche und finanzielle
Anerkennung zukommt.
Gute Gesundheitsversorgung mit ausreichend Personal gibt es nur, wenn die
Arbeitsbedingungen stimmen. Überstunden, Überlastung, starre Dienstpläne und das
große Maß an Fremdbestimmung machen das Berufsfeld unattraktiv, obwohl gerade
hier ein großer Fachkräftemangel besteht. Es reicht nicht aus, viel Geld in
innovative Forschung, Geräte oder Medikamente zu stecken, es muss auch gezielt
das medizinische Personal gefördert werden. Die Politik muss endlich die
richtigen Arbeits- und Rahmenbedingungen schaffen, um Gesundheitsberufe
aufzuwerten.
Dafür müssen die Personalschlüssel – nicht nur, aber insbesondere in der Pflege
- dem tatsächlichen Bedarf entsprechend weiter deutlich verbessert werden, damit
Menschen im Pflegeheim, im Krankenhaus oder in der ambulanten Versorgung mehr
Zeit für die Patient*innen haben. Die Personaluntergrenzen lösen wir so schnell
wie möglich durch Regelungen ab, die sich am tatsächlichen Pflegebedarf der
Patientinnen und Patienten orientieren.
Außerdem muss die Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe gestärkt werden. Die
Pflege muss ihre Expertise im Gesundheitswesen einbringen und es mitgestalten
können. Um diese Mitbestimmung auch politisch zu erreichen und die
professionellen Perspektiven der Pflege nachhaltig zu verbessern, benötigt
unsere Gesellschaft eine starke Selbstverwaltung der Pflege in Form von
Pflegeberufekammern auf Landes- und Bundesebene.
Auch Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Weiterbildungsmöglichkeiten
und flexiblere Arbeitszeitmodelle spielen bei Arbeitnehmer*innen eine immer
wichtigere Rolle. Die Ausnahmen im Arbeitszeitgesetz für den Gesundheitsbereich
wollen wir beschränken. Mit anhaltender Dauer der Pandemie und einer großen
Auslastung des Gesundheitswesens hat der Druck auf alle Gesundheitsberufe
zuletzt noch einmal massiv zugenommen. Gerade die Menschen, die sich um andere
kümmern, müssen wir besser schützen, damit sie nicht selber krank werden.
Eine große Baustelle, um die Attraktivität der Gesundheitsfachberufe wirklich
steigern zu können, ist weiterhin die Ausbildung. Obwohl das Interesse
beispielsweise an Logopädie, Podologie, Ergo- und Physiotherapie vorhanden ist,
werden viele interessierte junge Menschen von den Schulgebühren abgeschreckt.
Wir GRÜNEN wollen die Ausbildung aufwerten und das Schulgeld durch eine faire
Ausbildungsvergütung für alle Heilberufe ersetzen. Auch das Recht auf
Weiterbildung werden wir stärken und gleichwertige ausländische Fachabschlüsse
schneller anerkennen, um auch damit mehr Fachkräfte gewinnen zu können.
Die Teil-Akademisierung der Pflege muss endlich auch eine andere Bezahlung und
Tätigkeitsbeschreibung der akademisierten Pflegefachkräfte zur Folge haben. Auch
die Pflegefinanzierung muss stärker als bisher die Bedürfnisse der Patient*innen
und den notwendigen Aufwand berücksichtigen. So sollte die erbrachte Fachpflege
deutlich als qualitative Leistung hervorgehen und honoriert werden.
Den Öffentlichen Gesundheitsdienst stärken
Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) ist neben dem ambulanten und dem
stationären Sektor die dritte Säule des Gesundheitswesens in Deutschland. Seine
Aufgaben sind vor allem der Gesundheitsschutz der Bevölkerung, die
Gesundheitsförderung und das Gesundheitsmanagement. So übernimmt der ÖGD unter
anderem Schuleingangsuntersuchungen, macht Impfangebote und ist verantwortlich
für den Infektionsschutz inklusive Meldewesen, Kontaktnachverfolgung und
Anordnungen von Hygienemaßnahmen, aber auch die Trinkwasserüberwachung und die
Beratung zu Lebensmittelhygiene. Wir wollen, dass der ÖGD viel stärker als
Impulsgeber für eine aktive Gesundheitspolitik auftritt und damit Einfluss auf
eine gesundheitsfördernde Stadtentwicklungs- und Verkehrspolitik nimmt, aber
auch auf alle anderen Bereiche, wie z.B. die Pflege, die Bildungs- und
Betreuungspolitik.
Während der Corona-Pandemie ist besonders deutlich geworden, wie wichtig diese
Aufgaben sind. Offensichtlich geworden sind aber auch der langjährige
Verwaltungsabbau, die chronische Unterfinanzierung und der große Personalmangel
im ÖGD. In der Vergangenheit sind immer mehr Aufgaben hinzugekommen, ohne dass
der ÖGD entsprechend mehr finanziellen Mittel und Personal bekam. Wir wollen das
ändern. Langfristig wollen wir, dass ein Prozent der gesamten
Gesundheitsausgaben in den Öffentlichen Gesundheitsdienst fließen, damit er
seinen Aufgaben angemessen nachkommen kann.
Der Personalmangel im ÖGD lässt sich nur durch einen Strauß an Maßnahmen
beheben. Wir wollen den ÖGD attraktiver machen und die Vergütung der Ärzt*innen
durch einen eigenständigen Tarifvertrag deutlich verbessern. Bisher liegt die
Vergütung oftmals deutlich niedriger als in kommunalen Krankenhäusern oder im
Medizinischen Dienst der Krankenkassen. Um den Nachwuchsmangel zu bekämpfen, der
durch die Verrentung vieler Ärzt*innen entsteht, wollen wir Nachwuchsprogramme
in Kooperation mit Hochschulen und Ärztekammern fördern. Bisher lernen angehende
Ärzt*innen Public Health und den ÖGD als Einsatzgebiet während ihres Studiums
kaum kennen. Das muss sich ändern, zum Beispiel durch eine Änderung der
Approbationsordnung in NRW. Auch eine Erweiterung der "Landärzt*inquote" im
Medizinstudium für Studierende, die sich für den ÖGD verpflichten sowie ein
Medizin-Bachelor/Master für den ÖGD muss diskutiert werden.
Wir wollen, dass vermehrt Absolvent*innen aus anderen Fachrichtungen rekrutiert
werden (Sozialpädagogik, Gesundheitswissenschaft, Stadt- und Raumplanung etc.)
und in multiprofessionellen Teams zusammenarbeiten. Dieser interdisziplinäre
Ansatz in multiprofessionellen Teams bietet die Chance, die
Gesundheitsprävention noch stärker in den Fokus zu nehmen und insbesondere
benachteiligten Gruppen dazu zu verhelfen, ihre Chance auf ein gesundes Leben zu
erhöhen.
Der ÖGD - wie die Verwaltung insgesamt - braucht eine Digitalisierungsoffensive
um Arbeitsprozesse zu beschleunigen und die Kommunikation zwischen den
kommunalen Gesundheitsämtern in NRW einerseits und dem Landeszentrum für
Gesundheit andererseits, aber auch zu Instituten wie dem Robert Koch-Institut,
den Laboren und anderen Akteuren verbessern.
Im Moment sind die kommunalen Gesundheitsämter digital sehr unterschiedlich
aufgestellt. Auch die Anforderungen an das einzelne Amt variieren. Klar ist
aber, dass der ÖGD eine gute Ausstattung und einheitliche Standards braucht. Die
Schnittstellenkompatibilität soll auch zur elektronischen Patientenakte
ausbaubar sein um Versicherten z.B. in epidemischen Lagen, zu ermöglichen auch
ihre Daten des ÖGDs sichern zu können. Die IT sollte aber auch die
Gesundheitsberichterstattung verbessern und Planungsprozesse unterstützen. Das
LGZ muss als kommunikative Schnittstelle, mit dem Ministerium im Rücken und im
Austausch mit der Wissenschaft, Treiber für konzeptionelle Entwicklungen sein.
In der Pandemie wurde deutlich, dass von Seiten des Landes klare und
koordinierende Kommunikationsstrukturen fehlen und auch die Informationen vom
ÖGD zum Land weder regelhaft noch strukturiert fließen. Der ÖGD wurde weder bei
der Entwicklung der Corona-Warn-App als Schnittstelle und zentraler Bestandteil
mitgedacht, noch wurde er frühzeitig in mögliche Konzepte zum Umgang mit einer
der Corona-Wellen einbezogen.
Die Landesregierung setzt vor allem auf ad-hoc-Entscheidungen, ohne klare Linie
und ohne ausreichende Rücksprache und Kommunikation mit der kommunalen Ebene.
Wir setzen im Gegensatz dazu auf einen strukturierten Prozess und wollen den ÖGD
in die Beratungen der Konzepte, die Zuständigkeiten von Land und Kommunen
beinhalten, regelhaft einbeziehen.
Das Landeszentrum für Gesundheit muss endlich – anders als bisher – dafür
sorgen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse in alle Bereiche des
Gesundheitswesens kommuniziert werden und dass ein Austausch über deren
gelungene Umsetzung stattfindet. Gleichzeitig muss die Landesregierung auf der
Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und klarer politischer Abwägungen
politische Leitlinien entwickeln.
Gleichzeitig müssen alle kommunalen Einheiten mit durchdachten Konzepte des
Landes unterstützt werden. Das LZG muss in zentralen Fragen der
Pandemiebekämpfung die Sicherung notwendiger Standards und Verfahren
verantworten. Diese Linie ist dann Ausgangspunkt für alle kommunalen Strategien.
Hierdurch vermeiden wir auch eine dem Gesundheitsschutz zuwiderlaufende
interkommunale Konkurrenz. Zusätzliche kommunale Gestaltungsoptionen bleiben
innerhalb dieses Rahmens weiterhin möglich.
Das LZG muss den Kommunen in Krisensituationen Informations- und
Aufklärungsmaterialien in den Hauptsprachen der hier lebenden Menschen zur
Verfügung stellen, um schnell die gesamte Bevölkerung informieren und aufklären
zu können.
Kommunen müssen gerade bezogen auf den Infektionsschutz auch die Möglichkeit
haben interkommunale Personalpools zu schaffen. Infektionen kennen keine Grenzen
und eine konsequente Bekämpfung an Hot-Spots hilft am Ende allen Menschen.
Auch außerhalb von Krisensituationen setzen wir auf eine klare Stärkung der
öffentlichen Strukturen im Sinne eines Gesundheitsschutzes und der Prävention.
Hierzu bedarf es der dauerhaften Kommunikation in der kommunalen Familie und mit
dem Land. Gerade innerhalb einer Kommune können andere Fachbereiche die Daten
des ÖGD gewinnbringend nutzen, so zum Beispiel zur Unterstützung von Familien in
benachteiligten Stadtteilen. Auch Gesundheitskooperationen im Sinne einer
Arbeitsteilung zwischen mehreren Kommunen oder zwischen dem LZG und
verschiedenen Kommunen können sinnvoll sein, beispielsweise in der
Apothekenaufsicht. Hierbei müssen inhaltliche Impulse immer wieder vom Land
aufgegriffen und durch weitere Konzepte hinterlegt werden. Wir wollen Daten der
Gesundheitsberichterstattung verbindlich in gesundheitspolitischen
Entscheidungen berücksichtigen. Gesundheitliche Folgeabschätzungen soll auch in
anderen Politikfeldern als „Gesundheitscheck“ ganz selbstverständlich verankert
werden – etwa bei verkehrs-, sozial- oder klimapolitischen Entscheidungen
Neben Defiziten beim Infektionsschutz sehen wir als eine unmittelbare Auswirkung
der Corona Pandemie eine Zunahme psychischer Belastungen, Problemen und
Erkrankungen. Auch hier muss der ÖGD weiter gestärkt werden um präventive
Konzepte und niedrigschwellige Angebote den kommunalen Bedarfen entsprechend zu
entwickeln und aufzubauen. Das Vernetzen von Trägern der unterschiedlichen
Sozialgesetzbüchern Psychosoziale Dienste, Gemeindenahe Psychiatrie,
Jugendhilfe, Sozialverwaltung, etc. sind ein wesentlicher Faktor für eine
wirksame Struktur.
Wir wissen schon jetzt: Kinder und Jugendliche haben durch die Corona-Krise eine
enorme gesundheitliche Belastung zu tragen. Bewegungsmangel und fehlende
Sozialkontakte können unmittelbare Auswirkungen auf die Gesundheit haben.
Deswegen wird die Kinder- und Jugendgesundheit eine der zentralen
Herausforderungen des ÖGDs nach der akuten Phase der Pandemie sein.
Mit Digitalisierung die Gesundheitsversorgung
verbessern
Wir GRÜNE stehen für eine Digitalisierung, die dem Menschen dient - nicht
umgekehrt. Telemedizin, Telematik, Künstliche Intelligenz und Roboter sollen
helfen, die Gesundheitsversorgung zu verbessern sowie Ärzt*innen, Pflege und
Hebammen zu entlasten. Sie ersetzen aber nicht menschliche Zuwendung und
fachliche Kompetenz. Nicht das technisch Machbare bestimmt, sondern das, was den
Menschen hilft, selbstbestimmt gesund zu sein und zu leben.
Eine hochwertige technische wie digitale Ausstattung kann gerade im häuslichen
Umfeld die Möglichkeiten eines selbstbestimmten Lebens deutlich erhöhen und die
Pflege systematisch unterstützen und entlasten. Dabei ist der Bereich der
digitalen Dokumentation wichtig und als mobiles System entlastend. Hier kann
Digitalisierung aber weit mehr, als bisher die elektronische Patientenakte (ePA)
oder die elektronische Gesundheitsakte (eGA) können. Die von den Patient*innen
selbst verwalteten Daten können ihre Versorgung verbessern und Lebensqualität
steigern - so fallen etwa unnötige Doppeluntersuchungen weg, Polymedikation
fällt schneller auf und Wechselwirkungen können sichtbar werden.
Die Risiken durch große Datenkraken, die Gesundheitsdaten als neue „Währung“ im
System entdeckt haben, sind durch klare Datenschutzregelungen weiterhin zu
minimieren. Patient*innen brauchen die entsprechende Information, Befähigung und
Unterstützungsangebote, um ihre Eigenverantwortung auch leben zu können.
Das gleiche gilt für behandlungsunterstützende wie begleitende Angebote. Mit den
digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) und bald auch mit den digitalen
Pflegeanwendungen (DiPAs) haben die Versicherten einen Anspruch auf
Kostenübernahme für diese Apps oder digitalen Anwendungen. Hier brauchen wir in
NRW unabhängige Beratung und Schulung, die in bestehende Strukturen integriert
wird. Selbsthilfestrukturen könnten DiGAs testen und mit Fachärzten oder
Fachgesellschaften gemeinsam Informationen dazu erstellen und beraten. Aber auch
die Verordnenden oder begleitenden Pflegekräfte brauchen Informationen über die
angebotenen DiGAs.
Auch die Heilberufe brauchen Grundlagen und spezifische Kenntnisse und müssen
entsprechend in digitalen und telemedizinischen Kompetenzen geschult werden.
Statt nur die heute Beschäftigten nachträglich zu qualifizieren, muss dies in
die Ausbildungsinhalte integriert werden. Auch in das Medizinstudium gehören
diese Inhalte. Algorithmen, KI-gestützte Systeme werden in wenigen Jahren Regel
und nicht mehr Seltenheit im System, um Ärzt*innen bei Diagnosen zu
unterstützen.
Die Art der sektorübergreifenden und innersektoralen Kommunikation verändert
sich durch die Digitalisierung. Das Virtuelle Krankenhaus NRW ist dafür ein
gutes Beispiel. Es hat mit einer Finanzierung durch den Europäischen
Regionalfonds (EFRE) begonnen, ist über den Innovationsfonds weiterentwickelt
worden und soll jetzt schrittweise in die Regelfinanzierung überführt werden.
Zentren mit großer Fachkompetenz, hohen Fallzahlen und Erfahrungen mit
ungewöhnlichen Verläufen, unterstützen kleinere Krankenhäuser bei der Versorgung
komplexer und komplikationsgefährdeter Patient*innen via telemedizinischer
Visite, Fallbesprechung und Begleitung. Mit fünf Fachbereichen zu Beginn soll
das System auf weitere Gebiete erweitert und perspektivisch auch der Bereich der
niedergelassenen Ärzt*innen hierüber Unterstützung erhalten können.
Wir brauchen für NRW auch weiterhin Geld und Mut, um in Innovationen zu
investieren, die den Menschen egal auf welcher Seite im Gesundheitssystem
nutzen. Neben den zahlreichen Projekten die aus Mitteln des Innovationsfonds bei
jeder neuen Ausschreibung nach NRW geholt werden, brauchen wir einen
strukturierten Prozess um NRW zu innovativen Gesundheitsstandort zu machen.