In Deutschland warten Patient*innen im Durchschnitt 20 Wochen auf den Beginn einer Psychotherapie[1]. Das Problem ließe sich beheben, wenn mehr Psychotherapeut*innen eine Kassenzulassung bekämen. Denn ohne Kassenzulassung kann ein*e Therapeut*in nur Privatpatient*innen und Selbstzahler*innen behandeln – eine Alternative, die für viele Erkrankte nicht bezahlbar ist.
Die Bedarfsplanung, nach der sich die Kassenzulassungen auch heute noch richtet, wurde auf Grundlage eines historischen Stichtags im Jahre 1999 festgelegt. Anhand des Beispiels Köln lässt sich jedoch allzu gut die Diskrepanz zwischen damals festgelegter Theorie und gegenwärtiger Praxis erkennen: Der Bedarfsplanung zufolge kommen dort auf eine psychologische Psychotherapeutin ca. 3.000 Einwohner*innen[2]. Bei einer Millionen-Stadt wie Köln sind das gerade einmal 342 psychologische Psychotherapeut*innen. Bei jährlich ca. 260.000 psychisch Erkrankten[3], von denen evtl. die Hälfte Interesse an einer psychotherapeutischen Behandlung haben könnte, blieben dann immer noch 383 Patient*innen, die ein*e einzige*r Therapeut*in pro Jahr behandeln müsste. Die Behandlungsstunden von Psychotherapeut*innen liegen jedoch im Durchschnitt bei 28 Sitzungen pro Woche[4]. Bis die Behandlung eines*r Patient*in abgeschlossen ist, vergeht dann meist ein Jahr[5]. Bei 28 behandelten Patient*innen bliebe also ein Defizit von 355 Unbehandelten pro Jahr und Therapeut*in.
Ferner unterstellt die Bedarfsplanung, dass psychische Erkrankungen auf dem Land deutlich seltener vorkommen würden, als in der Großstadt. Jedoch unterscheidet sich die Häufigkeit von psychischen Erkrankungen zwischen städtischen und ländlichen Regionen kaum[6]. Auch die Annahme, dass Großstädte ihre Umgebung mitversorgen und deshalb im Umland eine geringere Psychotherapeut*innendichte notwendig ist, stimmt häufig nicht. Tatsächlich sind die Wartezeiten auf eine Psychotherapie in der Umgebung einer Großstadt erheblich länger als in den Großstädten selbst[7].
Entgegen der Darstellung in der Bedarfsplanung zeugen diese Fakten von einer Mangelversorgung in der Psychotherapie und nicht von einer Überversorgung.
Um eine Verkürzung der Wartezeiten für einen ambulanten Psychotherapieplatz zu erreichen, müssen folglich mehr Kassensitze zugelassen werden.
[1]https://www.dgppn.de/_Resources/Persistent/17452fbcf559a53a36e71334cde8d18e8d-6793fa/20210727_Factsheet_Kennzahlen.pdf
[2]https://gesundheitsdaten.kbv.de/cms/media/sp/I.1.2.1.pdf
[3]https://www.dgppn.de/_Resources/Persistent/17452fbcf559a53a36e71334cde8d18e8d-6793fa/20210727_Factsheet_Kennzahlen.pdf
[4]https://www.zi.de/publikationen
[5]https://www.lpk-bw.de/archiv/news2011/pdf/110216_studie_dptv.pdf
[6] Bundes-Gesundheitssurvey, DEGS1-MH-Studie
[7] Bundes-Gesundheitssurvey, DEGS1-MH-Studie