Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz 03./04. Juni 2023 in Münster |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Katrin Lögering (KV Dortmund) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 22.04.2023, 10:04 |
V-09: Armut in Studium und Ausbildung können wir uns nicht leisten - Junge Menschen in Armut nicht allein lassen
Antragstext
Jedes fünfte Kind in Deutschland ist armutsgefährdet. Diese Zahl aus der
Bertelsmannstudie zu Kinder- und Jugendfinanzierung, ist völlig zurecht derzeit
im Fokus der öffentlichen Debatte. Eine zweite bekommt zu wenig Aufmerksamkeit:
Jede*r VIERTE junge Erwachsene ist arm oder von Armut bedroht.
Das ist erschreckend. Denn es bedeutet, dass diejenigen Menschen, die am Anfang
ihres Lebens stehen, Berufsausbildungen machen, studieren oder erste Erfahrungen
im Berufsleben sammeln in Deutschland die größte von Armut betroffene Gruppe
sind.
Schon in der Corona-Krise haben junge Menschen besonders gelitten und ihre
Entlastung hatte keine Priorität. Die Politik reagierte mit statt mit echter
Entlastung verspäteten Pseudo-Hilfen, verzinsten Krediten, bürokratischen Hürden
und langen Wartezeiten. Die nächste Krise folgte unmittelbar danach: Die
Lebenshaltungskosten steigen exorbitant, was junge Menschen in oftmals prekären
Beschäftigungsverhätnissen besonders trifft. Die Einmalzahlung von 200 € kam
viel zu spät und ist zu niedrig. Auch die Studierendenwerke sind mit steigenden
Kosten konfrontiert und müssen diese über höhere Beiträge an die Studierenden
weitergeben, die keine andere Wahl haben als zu zahlen. Hier braucht es
kurzfristig ernsthafte Entlastungen nicht nur durch die Bundesregierung, sondern
auch durch das Land.
Krisen verdeutlichen und verstärken bestehende Probleme. Und dabei sind genau
diejenigen jungen Menschen besonders stark betroffen, deren Eltern nicht die
Mittel haben, ihre Kinder zu unterstützen.
Die Armutsgefährdung junger Menschen stagniert seit Jahren. Ihr Ursprung ist
strukturell. Wir wissen, der Bildungserfolg in Deutschland hängt noch immer von
der Herkunft und dem Geldbeutel der Eltern ab - nur 11% erhalten Leistungen nach
dem BAföG. Nicht verwunderlich also, dass rund zwei Drittel der Studierenden
neben dem 40 stündigenVollzeitstudium arbeiten müssen - als Aushilfen,
Werkstudierende und studentische Hilfskräfte. Sie leben von Monat zu Monat,
häufig knapp am Existenzminimum und in Sorge um ständig steigende Wohn- und
Lebenshaltungskosten. Das lassen wir als Gesellschaft zu, obwohl diese Menschen
unsere Zukunft sind. Um das zu ändern braucht es mehr als Pflaster. Es braucht
strukturelle Veränderugen und das kostet auch Geld. Junge Menschen gut
auszubilden, sollte es uns wert sein.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW steht an der Seite junger Menschen - ob in Studium,
Ausbildung oder Berufseinstieg. Wir unterstützen sie, indem wir...
... Studis und Azubis nicht allein lassen, und kurzfristige Maßnahmen in die
Wege leiten:
- Die steigenden Preise treffen uns alle. Die Studierenden in ihrem Alltag
wie auch die Studierendenwerke. Deshalb ist es richtig, dass die
Landesregierung begonnen hat, die Zuschüsse an die Werke zu dynamisieren.
Doch 3% Erhöhung reichen bei weitem nicht aus, vor allem da sie auf eine
strukturelle Unterfinanzierung treffen. In der aktuellen Lage müssen die
Studierenden die immens steigenden Kosten über höhere Sozialbeiträge
ausbaden. Eine zusätzliche Belastung und ungerecht dazu. Eine Anpassung
der Zuschüsse an die reale Inflation ist für die Finanzierung der
Studierendenwerke das MIndeste.
- Die revolutionäre Einführung des Deutschlandtickets wirft existenzielle
Fragen für das Solidarmodell des Semesertickets auf. Die Idee des von
allen Studierenden gemeinsam finanzierten ÖPNV-Tickets muss unbedingt
erhalten werden. Deshalb muss es zeitnah ein ermäßigtes Deutschlandticket
für Studis, Azubis und FSJler*innen geben, das maximal 129€ im Semester
kostet. So fordern es auch die Studierendenschaften in NRW und darüber
hinaus.
- Die Einführung eines Notfallmodus im BAföG war ein wichtiger und
überfälliger Schritt. Doch, dass dieser in der aktuellen Krise nicht zur
Anwendung kam, zeigt die Notwendigkeit, die Kriterien für dessen Auslösung
weiter zu fassen als über den sehr engen Fokus auf den studentischen
Arbeitsmarkt. Dafür sollte sich das Land NRW einsetzen.
- Arbeitnehmer*innen unterschiedlichster Branchen streiken. Sie können sich
ihren Lebensunterhalt nicht mehr leisten. Studierende beschweren sich seit
Jahren über prekäre Beschäftigungsverhältnisse und fordern einen
Tarifvertrag für studentische Beschäftigte (TV Stud). Wir müssen
solidarisch an Ihrer Seite stehen und uns für einen Verhandlungsbeginn
noch in diesem Jahr einsetzen. Auch die Arbeit von Studierenden muss sich
lohnen.
... zu einem Studierenden- und Auszubildenden-Gipfel einladen. Damit schaffen
wir Bewusstsein und nehmen die Probleme junger Menschen ernst. Hier setzen wir
uns mit dem Konfliktfeld auseinander und suchen langfristige Lösungen für
strukturelle Probleme junger Menschen. Darunter fallen zum Beispiel:
- Die Schaffung von Wohnraum durch die Studierendenwerke solide zu
finanzieren.
- Landesflächen für den Bau von Studi-/Azubiwohnen zur Verfügung zu stellen.
- Im Bund die nächste Schritte der BAföG Reform schnell umzusetzen.
Begründung
Bewusstsein für die Situation junger Menschen schaffen
Die Erwartungen der Gesellschaft an junge Menschen sind groß: Junge Menschen sollen auf eigenen Beinen stehen, möglichst in einer eigene Wohnung leben, den Lebensunterhalt selbst bestreiten, notfalls duch Nebenjobs falls BAföG oder Ausbildungsgehalt nicht ausreichen und sich dabei möglichst wenig über über Belastungen oder finanzielle Probleme beschweren. Falls doch einmal zu laut gestöhnt wird, wird entgegegnet "Da musste ich auch durch" oder "Ausbildungsjahre sind keine Herrenjahre". Mit diesen Narrativen erklären wir uns, warum Reformen warten können oder nicht dringlich sind. Wir haben soziale Korretive entwickelt, wie das BAföG zur Studienfinanzierung, das Semesterticket oder Studierendenwerke, die für die jungen Menschen als Beratungen in schwierigen Lebenssituationen, für Wohnraum und ein für kostengünstiges Mittagessen zuständig sind. Wir erklären uns gesellschaftlich so, dass es ja besser als früher sei.
Erwartungen an junge Menschen und Realitäten sollten aber unseren Ansprüchen an eine bildungsgerechte Gesellschaft nicht genügen: Wer als junger Mensch in Armut aufwächst, leidet täglich unter Mangel, Verzicht und Scham und hat zugleich deutlich schlechtere Zukunftsaussichten. Das ist sowohl für die Betroffenen selbst als auch für die Gesellschaft als Ganzes untragbar.
Die Hoffnung, dass mit den Regierungswechseln in Bund und Land die erwartete Trendwende eingeleitet wird, wurde einem Realitätscheck unterzogen. 2 Beispiele:
Die BAföG-Novelle bringt noch nicht die versprochenen Steigerungen Bezieher*innenzahlen: Es ist als Studienfinanzierungssystem noch immer ausgerichtet auf ‘Normalstudierende’, die mit Anfang 20 in einem ideal umgesetzten Studiengang ihr Studium problemlos in Regelstudienzeit durchziehen und neben dem Studium keine weiteren Anliegen verfolgen, außer ein paar zusätzlichen Praktika um die ‘Karrierechancen zu verbessern’. Durch die Gesellschaft und die Politik wird seit Jahren systematisch übersehen, dass die wenigsten Studierenden dieser Norm entsprechen - Wer ihr nicht entspricht, fällt durch das Raster. Eine Novelle, die sich am bestehenden System orientiert, wird das System nicht verändern.
Rund 2/3 der Studierenden arbeiten neben 40 Stunden Vollzeitstudium zum Beispiel als studentische Hilfskräfte: Noch immer ohne einheitliche, landesweite Regelungen und noch immer ohne TVStud. Die Hamburgische Bürgerschaft hat erst kürzlich die Vertragslaufzeit für studentische Hilfskräfte auf mindestens 2 Semester angepasst und den Senat mit er Erstellung eines Konzepts beauftragt. Außerdem untersützen sie einen Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte auf Bundesebene.
Semesterticket, steigende Beiträge bei Studierendenwerken, zu wenige und zu späte Entlastungen in Krisensituationen:
Nehmen wir Armut persönlich! Schaffen wir Sichtbarkeit! Sorgen wir endlich für entsprechende Maßnahmen!
Unterstützer*innen
- Marek Paul Kirschniok (KV Dortmund)
- Albert Wenzel (KV Münster)
- Maren Wirth (KV Münster)
- Avery Sommer (KV Münster)
- Judith Petersen (KV Münster)
- Sophie Kiko (KV Münster)
- Oliver Koch (KV Münster)
- Hannah Sassen (KV Dortmund)
- Thomas Eltner (KV Dortmund)
- Simon Haack (KV Münster)
- Fabian Müller (KV Münster)
- Joanna Delicaris (KV Münster)
- Isaak Rose (KV Münster)
- Felix Berger (KV Dortmund)
- Luis Hotten (KV Dortmund)
- Paul Bohmann (KV Münster)
- Dennis Nawrot (KV Gelsenkirchen)
- Derya Gür-Seker (KV Rhein-Sieg)
- Marie Diekmann (KV Münster)
- Lukas Färber (KV Münster)
- Frédéric David Leander Fraund (KV Rhein-Sieg)
- Franca Fischer (KV Dortmund)
- Sitki Özgül (KV Dortmund)
- Finn Wilken (KV Dortmund)
- Noah Rothe (KV Münster)
- Emely Schmidt (KV Dortmund)
- Michelle Jura (KV Dortmund)
Änderungsanträge
- Dringlichkeit V-09-49 (Landesvorstand (dort beschlossen am: 31.05.2023), Eingereicht)
- V-09-17 (Landesvorstand (dort beschlossen am: 26.05.2023), Eingereicht)
- V-09-31 (Landesvorstand (dort beschlossen am: 26.05.2023), Eingereicht)
- V-09-40 (Landesvorstand (dort beschlossen am: 26.05.2023), Eingereicht)
- V-09-56 (Landesvorstand (dort beschlossen am: 26.05.2023), Eingereicht)
- V-09-60 (Alexander Schütt (KV Aachen), Eingereicht)
- V-09-61 (Landesvorstand (dort beschlossen am: 26.05.2023), Eingereicht)
- V-09-70 (Landesvorstand (dort beschlossen am: 26.05.2023), Eingereicht)
- V-09-72 (Landesvorstand (dort beschlossen am: 26.05.2023), Eingereicht)
- V-09-74 (Landesvorstand (dort beschlossen am: 26.05.2023), Eingereicht)
- V-09-75 (Landesvorstand GRÜNE JUGEND NRW (dort beschlossen am: 21.05.2023), Eingereicht)
- V-09-75-1 (Landesvorstand (dort beschlossen am: 26.05.2023), Eingereicht)
- V-09-76 (Landesvorstand (dort beschlossen am: 26.05.2023), Eingereicht)