Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz 29./30. Juni 2024 in Oberhausen |
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Tagesordnungspunkt: | 9. Verschiedenes |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 30.06.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Hürden für Agroforstsysteme abbauen, denn sie haben Vorteile für Klima, Natur, Landwirtschaft und Menschen!
Beschlusstext
Wir brauchen eine zukunftsfähige Landwirtschaft für unsere Ernährung und die
Biodiversität. Die Klima- und Biodiversitätskrise trifft die Bäuer*innen zuerst.
Im Kampf um gute Böden, planbares Wirtschaften und den Erhalt unserer
Lebensgrundlagen stehen wir an der Seite der Landwirt*innen.
Die menschengemachte Klimakrise mit Extremwetterereignissen trifft die
Landwirtschaft besonders hart. Gleichzeitig ist der Agrarsektor auch eine
bedeutende Quelle von klimaschädlichen Emissionen. Vor diesem Hintergrund ist
dringend ein Umbau landwirtschaftlicher Systeme nötig, damit sie sowohl mehr zum
Klimaschutz beitragen als auch eine größere Robustheit gegenüber den Folgen der
Klimakrise aufweisen. Agroforstsysteme (AFS) verbinden beide Komponenten
miteinander. Zudem können sie auch einen Beitrag im Kampf gegen die zweite Krise
– das Artensterben – leisten, denn mit vielfältigen Strukturen schaffen sie
wieder mehr Lebensraum, Nahrung und Rückzugsräume für Insekten, Vögel und viele
Kleintiere.
Bei der Agroforstwirtschaft handelt es sich um eine landwirtschaftliche
Landnutzungsform, die mehrjährige Kulturen wie Bäume und Sträucher auf
landwirtschaftlicher Fläche platziert, nutzt und damit ein resilienteres
Ökosystem entwickelt. Durch Wechselwirkungen der verschiedenen Kulturen können
wichtige ökologische Synergieeffekte erzielt werden wie beispielsweise eine
mittelfristige Ertragsstabilisierung durch Beschattung. Außerdem können
unterschiedliche Ziele wie die Nahrungs- oder die Wertholzproduktion mit
Erosionsschutz, Humusaufbau und Nitratbindung kombiniert werden. Als
mehrjähriges Anbausystem leistet die Agroforstwirtschaft ebenfalls wichtige
Beiträge zur Speicherung von CO2 und zum Erhalt der Biodiversität, insbesondere
durch Schaffung von Lebensräumen für Vögel und Insekten. Außerdem können
Agroforstsysteme mit ihren verschiedenen Kulturarten und Baumaltersstufen zur
Diversifizierung von landwirtschaftlichen Betrieben beitragen. Somit lassen sich
mittel- bis langfristig das betriebswirtschaftliche Risiko streuen sowie
betriebliche Arbeitsspitzen durch Entzerrung von Erntezeiten mindern.
Agroforstsysteme sind sowohl mit ökologischer als auch mit konventioneller
Landwirtschaft realisierbar.
Die positiven Effekte im Einzelnen sind insbesondere:
- Steigerung einer Bodengesundheit und -fruchtbarkeit
- Erosionsschutz
- Kohlenstoffspeicherung
- Diversifizierung der Ernteerträge und Einkommensdiversifikation
- Erhöhte Flächenproduktivität, aufgeteilt auf unterschiedliche
Ertragskomponenten
- Schaffen von Lebensräumen für mehr Biodiversität
- Klimaanpassung und Schutz vor Dürren durch Schatten und Verbesserung des
Mikroklimas
- Wasserqualitätsverbesserung und verringerte Nitratauswaschung
- Landschaftsgestaltung: vielfältige Strukturen statt monotoner
Agrarlandschaft
Alle diese Aspekte haben eine hohe Relevanz für NRW, denn es werden etwa 47% der
Flächen in NRW landwirtschaftlich genutzt. Insbesondere in hügeligen Gebieten
Nordrhein-Westfalens können AFS dazu beitragen, die Erosionen zu reduzieren. Bei
den immer häufiger auftretenden Extremwetterereignissen und der Zunahme von
Trockenperioden können AFS in Nordrhein-Westfalen zur Klimaanpassung beitragen
und die Auswirkungen von Hitze und Dürre abmildern. Zudem können verringerte
Nitratauswaschungen ins Grundwasser eine zusätzliche Lösungsstrategie für rote
Gebiete ausmachen. Nordrhein-Westfalen hat eine reiche Artenvielfalt, und
Agroforstsysteme können, wie oben erläutert, dazu beitragen, diese Vielfalt zu
schützen. Hinzu kommt, dass Agroforstsysteme die landschaftliche Schönheit von
Nordrhein-Westfalen verbessern und somit den Tourismus in der Region fördern
können.
Agroforstsysteme müssen besser gefördert werden!
Wir begrüßen, dass die Bundesregierung die von der Europäische Union schon seit
2007 geschaffene Möglichkeit, Agroforstsysteme zu fördern, nutzt. Allerdings
müssen die Förderprogramme besser ausgestaltet und weiterentwickelt werden,
damit die damit verbundenen Effekte erreicht werden können. Die Bundesregierung
hat das Ziel formuliert, dass zwischen 2023 und 2026 jährlich durchschnittlich
50.000 ha landwirtschaftliche Flächen in Agroforstgehölzflächen umgewandelt
werden. Davon sind wir noch weit entfernt, bis Mitte 2023 sind lediglich 50 ha
neue Flächen dazu gekommen.
Damit das Ziel erreicht oder bestenfalls sogar übertroffen werden kann, hat die
Bundesregierung schon erste Maßnahmen ergriffen und die Förderung von 60 EUR auf
200 EUR pro Hektar erhöht. Allerdings sind sowohl der Abbau rechtlicher Hürden
sowie eine finanzielle Förderung von einer Flächenprämie über Anlage- bis hin zu
Beratungskosten nötig, damit sich diese Form der Landwirtschaft flächendeckend
etablieren kann. Bestehende Hindernisse müssen abgebaut und der Zugang zur
Förderung muss vereinfacht und umgebaut werden.
Um Nachteile der Anbauweise wie Konkurrenzeffekte zu minimieren, benötigt es
eine intensive Beratung und Erforschung des Gebiets, um Synergieeffekte in der
Praxis umfassend zu nutzen. Damit die positiven Effekte in der Praxis umgesetzt
werden können, müssen Hemmnisse abgebaut und die Agroforstwirtschaft in
Deutschland praxisnah gefördert werden. Dabei müssen die verhältnismäßig hohen
Investitionskosten zu Beginn der Anlage und Pflege berücksichtigt werden.
Die Mitglieder des Kreisverbandes Steinfurt sind im regen Austausch mit
Landwirt:innen, die Interesse an AFS haben, jedoch über Hemmnisse klagen und
Umwandlungen bislang zurückstellen.
Wir fordern daher die Grüne Landtagsfraktion, die Grünen Mitglieder der
Landesregierung, sowie Grüne Mitglieder des Bundestags aus NRW auf, sich für
folgende Punkte in den jeweils zuständigen Gremien einzusetzen:
- Abbau der faktischen Genehmigungspflicht (verpflichtend vorzulegendes
Nutzungskonzept).
- Schaffung von Möglichkeiten für kleine Betriebe, Agroforstsysteme auch
ohne Inanspruchnahme der GAP-Förderung anzulegen, zu nutzen und bei Bedarf
wieder beseitigen zu können.
- Praxisfreundliche Rahmenbedingungen für Öko-Regelung 3, insbesondere die
ersatzlose Streichung der Abstandspflicht zwischen Gehölzstreifen und
Flächenrand von 20 m, sowie die Senkung des Mindestabstands zwischen
Gehölzstreifens auf 10 m, sowie die ersatzlose Streichung der
Mindestbreite der Gehölzstreifen.
- Zulassung der Kombination der Ökoregelung 1 und 3 und Zulassen des Anbaus
unterschiedlicher Ackerkulturen zwischen den Gehölzstreifen
- Auskömmliche Förderung der Anlage von Agroforstsystemen
(Investitionsförderung) über ein Landes- und/oder Bundesprogramm (z.B. die
Aufnahme in das Programm „natürlicher Klimaschutz“). Hierbei sollte eine
degressive Förderung gewählt werden, die den Einstieg erleichtert und die
kleinen Betriebe nicht gegenüber großen Konzernen benachteiligt.
- Förderung von akkreditierter Betriebsberatung für die Anlage und Pflege
von Agroforstsystemen zur Qualitätssicherung nach dem Vorbild der
Förderung in Baden-Württemberg.
- Planungssicherheit für Landwirte bezüglich naturschutzfachlicher Belange
und der Rechtssicherheit, dass landwirtschaftliche Flächen – auch wenn sie
durch Agroforstmaßnahmen ökologisch aufgewertet wurden – weiter
landwirtschaftlich genutzt werden können.
- Die Einführung eines staatlich geprüften Agroforst-Siegels.