Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz 29./30. Juni 2024 in Oberhausen |
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Tagesordnungspunkt: | 9. Verschiedenes |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 29.06.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Nach 75 Jahren: Grundgesetz für Alle
Beschlusstext
Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz beschlossen. Nur vier Jahre nach dem
Untergang der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft trat die
Bundesrepublik Deutschland in ein neues Zeitalter ein. Nachdem auf und von
deutschem Boden in ganz Europa Millionen Menschen entrechtet, gefoltert und
ermordet wurden, haben wir eine Verfassung bekommen, der die Verpflichtung zum
Schutz der unantastbaren Menschenwürde vorangestellt wurde.
Es ist heute kaum möglich, die Bedeutung dieses Kulturwandels wirklich
nachzuvollziehen. Unser Grundgesetz ist der gesetzgewordene Bruch mit dem
vorangegangenen Unrecht. Daher ist es natürlich, dass die Gleichheit vor dem
Gesetz mit dem Schutz der Menschenwürde und der Freiheit der Person als erstes
erwähnt werden. Geregelt sind die Gleichheit vor dem Gesetz, die
Gleichberechtigung der Geschlechter und den Schutz vor Benachteiligung aufgrund
von Geschlecht, Sprache, Abstammung, "Rasse", Glauben oder politischer
Anschauung. Im Großen und Ganzen schützt der Artikel 3 die Gruppen, die in der
vorangegangenen Diktatur schutzlos ausgeliefert waren.
Wer im Artikel 3 fehlt, ist die Gruppe der Menschen, die aufgrund ihrer
sexuellen Identität verfolgt wurden. Das ist auch kein Zufall. Queere Menschen
wurden auch in der Demokratie verfolgt, kriminalisiert und diskriminiert. Der
Paragraf 175 war bis zum 11. Juni 1994 in Kraft und hat viele Jahre lang Leben
zerstört. Der Bruch mit der Kultur des Unrechts war nicht komplett. Das liegt
nun hinter uns. Was bleibt ist eine klaffende Wunde in einem Grundgesetz, das
ein Glücksfall unserer Geschichte, aber doch ein Kind seiner Zeit ist.
Nach 75 Jahren muss diese Wunde endlich geschlossen werden. Seit Jahren gibt es
bürgerschaftliche Initiativen, die einer Vervollständigung des Grundgesetzes zum
Ziel haben. Auch wir als Grüne haben uns diesem Ziel verpflichtet und z.B. in
den Koalitionsvertrag in NRW durchsetzen können, dass die Landesregierung eine
Grundgesetzänderung im Bundesrat unterstützen wird.
Angesichts einer schriller werdenden öffentlichen Stimmung und zunehmenden
Verhetzung gesellschaftlicher Fortschritte, ist dieses wichtige Ansinnen sehr in
den Hintergrund geraten. Aber Grundrechte sind nichts, was nur erkämpft werden
sollte, wenn es keine Widerstände gibt und die Umstände ideal sind.
Wir rufen alle demokratischen Kräfte im Bundestag und Bundesrat auf, jetzt
zusammenzukommen, ein Zeichen zusetzen und nach dem großen Schritt von vor 75
Jahres ein Grundgesetz möglich zu machen, das wirklich für Alle da ist.
Die Landesregierung NRW soll sich über den Bundesrat für eine entsprechende
Initiative einsetzen, um die notwendigen Verfahren zur Aufnahme der "sexuellen
Identität" in Artikel 3 GG einzuleiten.