| Veranstaltung: | Landesparteirat GRÜNE NRW Krefeld 16. November 2025 |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | 6. Verschiedenes |
| Status: | Beschluss |
| Beschluss durch: | Landesparteirat |
| Beschlossen am: | 16.11.2025 |
| Antragshistorie: | Version 2 |
Engagierte Bürger*innen stärken und unterstützen: Schutz der Zivilgesellschaft und der NGOs in Nordrhein-Westfalen sichern
Beschlusstext
Hintergrund und Anlass
Der gesellschaftliche Zusammenhalt, die Verteidigung von Demokratie und
Rechtsstaat sowie die Bewältigung aktueller und zukünftiger Krisen in NRW sind
ohne eine starke, vielfältige Zivilgesellschaft nicht denkbar. Rund 8,5
Millionen Bürger*innen engagieren sich ehrenamtlich in Initiativen, Verbänden,
Vereinen und Nicht-Regierungs-Organisationen (NRO) [bzw. Non-Government-
Organisation NGOs], dazu gehören auch Migrantenselbstorganisationen (MSO) und
sind damit tragende Säulen einer lebendigen Demokratie. Sie engagieren sich
täglich für unsere Gesellschaft, geben Nachhilfeunterricht oder verteilen eine
warme Mahlzeit, organisieren Feste und Wettkämpfe. Sie treten für soziale und
globale Gerechtigkeit ein, in der Kultur, im Sport, in Dorfvereinen, in einer
Religionsgemeinschaft, für Menschenrechte, für Gleichstellung und gegen
Ausgrenzung, für ihre Berufsgruppe, für den Schutz der natürlichen
Lebensgrundlagen, für den Tierschutz und vieles, vieles mehr. Diese Begegnungen
und dieses ehrenamtliche Engagement sorgen nicht nur für weniger Einsamkeit,
sondern leisten einen wichtigen Beitrag für das Allgemeinwohl. Sie leben
Demokratie. Sie gestalten ihr Wohnumfeld, den ländlichen Raum, die Quartiere.
Viele Bürger*innen schließen sich zu Initiativen, Vereinen und Organisationen
zusammen, um gemeinsam ihr Anliegen zu vertreten, ihre Interessen und die des
Gemeinwohls zu verteidigen. Mietervereine, Verbraucherschutzorganisationen und
Umweltverbände sind Beispiele dafür. Die Aarhus-Konvention und die darauf
aufbauenden europäischen und nationalen Gesetze regeln beispielsweise
Informations-, Beteiligungs- und Klagerechte der Umweltorganisationen, die damit
die Einhaltung von Gesetzen durch staatliche Stellen überprüfen lassen können.
Das wegweisende Urteil zum Klimaschutz des Bundesverfassungsgerichtes und die
Durchsetzung der Luftrheinhaltung in den Städten sind Beispiele für wegweisende
Erfolge, die ohne eine starke Zivilgesellschaft nicht möglich gewesen wären.
Es wird immer wieder fälschlicherweise behauptet, NGOs müssten „politisch
neutral“ sein. Insbesondere Förderprogramme wie "Demokratie leben" werden dabei
verleumdet. Richtig ist, dass NGOs, die staatliche Fördermittel erhalten,
parteipolitisch neutral sein müssen. Sie sollen sich aber nicht den Werten des
Grundgesetzes gegenüber neutral verhalten – im Gegenteil: das Grundgesetz
verpflichtet uns alle zur Achtung und Verteidigung der Menschenwürde und
Demokratie!
In autoritären Staaten stört die Kritik unabhängiger Dritter. Daher wird
Zivilgesellschaft zuerst diskreditiert und schlecht geredet. Darauf aufbauend
wird sie immer stärker in ihrer Arbeit behindert, um schließlich verboten zu
werden.
In zahlreichen Ländern ist dies zu beobachten: Russland, Ungarn, USA oder der
Türkei und zunehmend auch bei uns in Deutschland fängt die Verleumdung und
Diskreditierung auch schon an. Bei uns sät vor allem die AfD und ihr
rechtsextremes Umfeld Misstrauen gegen die Zivilgesellschaft und verbreitet
Verschwörungserzählungen. Engagement für das Gemeinwohl wird gezielt
diskreditiert und Menschen werden eingeschüchtert. In den Fokus geraten
insbesondere solche Organisationen, die sich gegen Rechtsextreme und für
Demokratie, Freiheit und Vielfalt stellen. Alle demokratischen Akteure sind
gefragt, sich für das zivilgesellschaftliche Engagement der Bürger*innen
einzusetzen!
Mit der Großen Anfrage “Politische Neutralität staatlich geförderter
Organisationen in NRW” der AfD vom 10.4.2025 und dem FDP-Antrag “Schluss mit der
Blackbox der sogenannten NGO-Finanzierung! – Transparenz und klare Regeln statt
Schattenagenda auf Kosten der Steuerzahler” vom 13.5.2025 werden nun auch auf
der politischen Bühne in NRW ganz konkret und systematisch Ressentiments gegen
die Zivilgesellschaft geschürt.
In Zeiten zunehmender Polarisierung, rechtsextremer Mobilisierung,
Antisemitismus, Rassismus und der Verbreitung anderer menschenverachtender
Einstellungen sowie gesellschaftlicher Verunsicherung sehen wir Grüne es als
unsere Aufgabe, den Schutz, die Unabhängigkeit und die Arbeitsfähigkeit
zivilgesellschaftlicher Akteure - die ihre Arbeit vielfach ehrenamtlich und in
ihrer Freizeit machen - in NRW gezielt zu stärken.
1. Die Rolle der Zivilgesellschaft und NGOs in NRW
- Vereine und Verbände in NRW artikulieren gebündelt gesellschaftliche
Interessen und Meinungen - besonders von Gruppen, die im politischen
Diskurs häufig überhört werden.
- Sie übernehmen Aufgaben, die der Staat und Markt nicht leisten (z. B.
soziale, kulturelle, ökologische Projekte). Ohne die häufig ehrenamtlich
erbrachten Leistungen würden viele grundlegenden Funktionen im Land nicht
erbracht werden können.
- Sie weisen auf Missstände hin und bringen sich in den politischen Diskurs
und die öffentliche Meinungsbildung ein, sind Gegengewicht zu
wirtschaftlichen Interessen und geben dem Gemeinwohl eine Stimme.
Gemeingüter wie Tiere, Pflanzen, Wasser, Luft und Boden haben keine eigene
Stimme und sind darauf angewiesen sind, "vertreten" zu werden.
- fördern Vielfalt, Inklusion, gesellschaftliche Innovation und notwendigen
Fortschritt und Demokratie.
- Die Zivilgesellschaft stärkt Widerstandskraft gegen
Demokratiefeindlichkeit und menschenverachtende Einstellungen. Sie wirkt
als Frühwarnsystem für Missstände und als Impulsgeberin für sozial-
ökologische Transformationen.
2. Herausforderungen und Bedrohungen
- Die finanzielle Unsicherheit, bürokratische Hürden und zunehmende
politische Diffamierung (z.B. als „Staats-NGOs“) gefährden die
Arbeitsfähigkeit und Glaubwürdigkeit zivilgesellschaftlicher Initiativen.
- Angriffe auf die Gemeinnützigkeit und restriktive Rahmenbedingungen
schwächen bürgerschaftliches Engagement.
- Rechtsextreme und rechtspopulistische Akteure bedrohen – oft gezielt –
Initiativen, Vereine und Verbände aus der Zivilgesellschaft.
3. Unsere Forderungen und Maßnahmen
a) Rechtliche und finanzielle Stärkung:
- Rechtliche Regelungen für einen effektiven Schutz der Arbeit
zivilgesellschaftlicher Organisationen (Reform des
Gemeinnützigkeitsrechts, Vereins- und Demonstrationsfreiheit,
rechtssicherer Zugang zu öffentlichen Fördermitteln) und fortschrittliche
Ausgestaltung des Gemeinnützigkeitsrechts.
- Durch eine Reform des Zuwendungsrechts und den Abbau bürokratischer
Vorschriften –auch der Antragsstellung und Abrechnungsformalitäten- können
Vereine und Verbände wesentlich entlastet werden, damit sie sich auf ihre
eigentliche Arbeit konzentrieren können. Wir begrüßen die entsprechende
Initiative der Landesregierung, die weitergeführt werden muss.
Gleichzeitig muss die Landesregierung Möglichkeiten schaffen auch
überjährige und damit bedarfsgerechte Förderzusagen zu treffen, um die
ständige Existenzbedrohung von NGOs zu vermeiden.
- Durch verbindliche Transparenzvorschriften können Vereine und Verbände
gestärkt werden, da dadurch der sinnvolle Einsatz der öffentlichen
Projektförderungen nachvollziehbar dokumentiert wird.
b) Schutz vor Bedrohung und Hass:
- Ausbau und Verstetigung der durch das Land geförderten Projekte gegen
Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus sowie der
Antidiskriminierungsarbeit,
- Vorrangige Stärkung von Beratungsstellen und gezieltem Schutz von
besonders diskriminierten Gruppen und Akteur*innen.
c) Anerkennung und Beteiligung:
- Systematische und transparente Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure
in die Landes- und auch Kommunalpolitik (Beteiligungsverfahren,
Begleitgremien, Expertenanhörungen, Mitspracherechte bei relevanten
Gesetzen).
- Förderung von Bündnissen vor Ort, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt
und die demokratische Debatte stärken.
- Verstetigung des Instruments der Bürgerräte.
d) Bildung, digitale und strukturelle Stärkung:
- Ausbau der Bildungsarbeit für Demokratie, Vielfalt und gegen Hass,
insbesondere in Schulen, Jugend- und Sozialarbeit.
- Stärkung digitaler Kompetenzen und Schutzmechanismen, um NGOs, Vereine und
Initiativen im digitalen Raum sicher und handlungsfähig zu halten.
4. Umsetzung und Ausblick
- Der Landesparteirat bittet die Landtagsfraktion und den Landesvorstand,
diese zentralen Forderungen weiter entschlossen in Gesetzgebungs- und
Regierungsinitiativen, aber auch in die tägliche Arbeit der Partei
einzubringen.
Die Grüne Partei auf Landes- und kommunaler Ebene wird die Zusammenarbeit mit
der Zivilgesellschaft weiter intensiv fortsetzen und deren Belange aktiv in
politische Aushandlungsprozesse