| Veranstaltung: | Landesparteirat GRÜNE NRW Krefeld 16. November 2025 |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | 7 Dringlichkeitsantrag |
| Status: | Beschluss |
| Beschluss durch: | Landesparteirat |
| Beschlossen am: | 16.11.2025 |
| Antragshistorie: | Version 2 |
Stoppt die Angriffe auf den Europäischen Green Deal!
Beschlusstext
Am 13. November 2025 wurde zum ersten Mal in der Geschichte der Europäischen
Union ein Gesetz mithilfe von Rechtsextremen und Europafeinden beschlossen.
Manfred Webers EVP-Fraktion hat zusammen mit AfD, Fidesz und Rassemblement
National gegen die demokratische Mehrheit im Europaparlament ein zentrales
Element des Europäischen Green Deals, das EU-Lieferkettengesetz, entkernt. Die
Haftung bei Kinderarbeit, Umwelt- und Klimazerstörung in den Lieferketten wurde
aus dem Gesetz gestrichen. Das ist nicht zufällig oder aus Versehen passiert.
Sondern geplant, kontrolliert und bewusst. Die EVP hat damit nicht nur den
Tabubruch begangen und die Brandmauer eingerissen, sondern auch das eigene Wort
gebrochen, denn es gab eine klare Zusage – gemeinsam mit den Pro-Europäer*innen
zu Lösungen und Kompromissen zu kommen. Stattdessen werden die Angriffe auf den
Europäischen Green Deal immer heftiger und dafür kollaborieren Konservative mit
Europafeinden.
Wir fordern die EVP auf, jegliche Zusammenarbeit mit Rechtsextremen und
Europafeinden zu beenden. Die Geschichte hat gezeigt, dass jegliche
Zusammenarbeit vor allem eines ist: eine Gefahr für die Demokratie. Sie bringt
Chaos und Blockade. Und das ohne Not. Denn es gibt pro-europäische,
demokratische Mehrheiten für kluge Politik in Europa.
Der Europäische Green Deal ist besonders auch für NRW von größter Bedeutung,
gibt er doch für die Unternehmen in NRW den verlässlichen Rahmen vor, um mit
Planungssicherheit erfolgreich in die Klimaneutralität zu kommen. Innerhalb
Europas sorgt er dabei für gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen.
Die ideologisch-getriebenen Angriffe auf den Green Deal, von Lieferkettengesetz
über Antriebswende bis zum Emissionshandel schaden der NRW-Wirtschaft massiv.
Mit dem sogenannten Omnibus I hatte die Kommission Vereinfachungen versprochen.
Rausgekommen sind aber kopflose Deregulierungsvorschläge, die nicht nur Klima,
Umwelt und Menschenrechte gefährden, sondern auch Gesetzgebungsprozesse
chaotisieren und für unsere Wirtschaft Unklarheit schaffen. Auch deshalb hatten
sich zuletzt große Unternehmen wie Otto, Aldi und Tchibo dagegen gewandt,
grundlegende Pfeiler der Nachhaltigkeitsgesetzgebung zu schreddern.
Geführt werden die Angriffe auf den Green Deal hingegen von den Unternehmen und
Verbänden, die trotz besseren Wissens darauf gesetzt haben, dass ihre auf
fossilen Rohstoffen basierenden Wertschöpfungsketten halten, oder, wenn ihre
Strategie scheitert, die Steuerzahler*innen einspringen. Wer nun eine
Abschwächung des Green Deals fordert, schadet neben Klima und Umwelt besonders
den Unternehmen in NRW, die sich schon lange und mit großen Investitionen auf
den Weg gemacht haben. Unternehmen, die sich darauf verlassen, dass sich diese
Investitionen auszahlen. Wer den Green Deal schwächt, sagt diesen Unternehmen:
Eure Innovationen zahlen sich nicht aus.
Klimaschutz ist nicht der Grund, warum es Industrien in NRW schlecht geht.
Pandemie und die Vollinvasion Russlands in der Ukraine haben gezeigt, wie
verwundbar fossile Wertschöpfungsketten sind und wie zentral resiliente
Lieferketten für unsere Wirtschaft sind. Anstatt kurzfristig den Rubel rollen zu
lassen, brauchen wir belastbare, diversifizierte und menschenrechtskonforme
Lieferketten, die Krisen standhalten und unsere Industrie stark machen. Für uns
NRW GRÜNE ist die konsequente und planungssichere Umsetzung des Green Deals
deshalb der beste Weg zu niedrigen Energiepreisen, einer erfolgreichen
Transformation und der Erreichung unserer Klimaziele. Wir stehen zum Pariser
Klimaabkommen, das bei der aktuell laufenden 30. Klimakonferenz im
brasilianischen Belém massiv unter Druck steht.
Wir verteidigen den Green Deal. Wenn sich Ziele schneller, einfacher oder mit
weniger Bürokratie erreichen lassen, sind wir dabei. Aber Abschwächungen und
Verzögerungen stellen wir uns auf allen Ebenen entgegen, damit Unternehmen und
Verbraucher:innen in NRW sicher den Weg in die Klimatransformation planen
können.
Als zentraler Hebel für die effektive Reduktion klimaschädlicher Emissionen hat
sich der Europäische Emissionszertifikatehandel ETS bewiesen. Denn die Ausgabe
von Emissionszertifikaten begrenzt die CO2-Emissionen zielsicher und verbindlich
in ganz Europa. Das ist besonders im deutschen Interesse, da wir ohnehin
verfassungsrechtlich zu strengem Klimaschutz verpflichtet sind. Gerade die
Chemieindustrie hat in den vergangenen Jahren weitgehende Erfolge in der
Reduktion ihrer Emissionen verzeichnet. Für die Fortsetzung dieses Kurses wollen
wir verlässliche Rahmenbedingungen schaffen.
Damit der ETS1 in seiner Lenkungswirkung erhalten bleibt, muss er auf seinem
grundsätzlichen Pfad bleiben. So sehr der Emissionshandel die Klimapolitik
rahmen muss, so sehr bedarf es ergänzender Strategien, im Rahmen des bestehenden
ETS 1 (für Industrie und Energie) für Wettbewerbsfähigkeit und
industriepolitische Anpassung. Unternehmen, die frühzeitig in klimafreundliche
Technologien investieren, erhalten durch ihn Planungssicherheit und Anreize für
die Transformation.
Die EU-Kommission muss ihrer Aufgabe nachkommen, das Emissionshandelssystem
durch zielgerichtete Unterstützung der europäischen Industrie zu flankieren.
Hohe Energiekosten und ein bislang nicht ausreichend funktionierender Carbon
Leakage Schutz bereiten unserer energieintensiven Industrie, etwa der
Chemieindustrie, große Probleme. Es braucht kurzfristige Entlastungen, um ihre
Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, Arbeitsplätze zu erhalten und Investitionen in
NRW-Standorte zu ermöglichen. Dafür muss der europäische
Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) nachjustiert werden, um Carbon Leakage wirksam
zu vermeiden. Regelungslücken, etwa bei importierten Brennstoffen oder nicht
erfassten Produkten, müssen geschlossen werden. Werden Vorprodukte aus einem
anderen Land importiert, sollen die Emissionen aus der Erstproduktion im
Ursprungsland einbezogen werden.
Als Exportschutz unterstützen wir die geplante Verwendung der Einnahmen aus dem
Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) für Exportsubventionen, die besonders
energieintensiven Unternehmen in NRW zugute kommen.
Unternehmen und Bürger*innen wollen wir beim Strompreis gezielt entlasten.
Entlastungen der Unternehmen beim Strompreis dürfen aus unserer Sicht kein
Freifahrtschein sein, sondern zeitlich befristet und sollen mit klaren Vorgaben
zur CO2-Reduktion den Unternehmen Planbarkeit geben und Innovationen fördern.
Gleichzeitig darf die Entlastung von einigen Industriezweigen nicht auf Kosten
der Entlastungen der Bürger:innen gehen.
CCS/CCU kann ein ergänzendes Instrument sein, um unvermeidbare Emissionen zu
kompensieren – etwa in der Produktion von Zement. Es darf jedoch nicht als
Alternative zur Emissionsminderung verstanden werden und kommt für uns
grundsätzlich nur in den Bereichen infrage, in denen Emissionen durch andere
Instrumente nicht ausreichend gesenkt werden können. Elektrifizierung,
Effizienzsteigerung und der Aufbau der Wasserstoffwirtschaft haben für uns
weiter Vorrang.
Wir NRW GRÜNE sind klar darin, dass internationale Klimazertifikate (Art. 6. des
Pariser Abkommens) auf keinen Fall in den ETS gelangen dürfen. Denn
internationale Klimazertifikate gefährden den Ausstiegspfad. Die Erfahrung unter
dem Clean Development Mechanism hat gezeigt, dass es das gesamte System aus dem
Gleichgewicht bringen kann, wenn Zertifikate mit fragwürdiger Emissionswirkung
den ETS fluten.
Wir wollen keine Doppelförderung von E-Fuels. Bei Flottengrenzwerten sehen wir
den
Einbezug von sogenannten E-Fuels als nicht zielführend an. E-Fuels werden
schon in der Erneuerbare-Energie-Richtlinie RED einbezogen. Eine
Doppelzählung käme einer neuen Subvention gleich und würde die E-Fuels
gegenüber anderen Antriebsarten bevorzugen.
Wir fordern verlässliche Regeln für gerechte Lieferketten. Beim Schutz von
Klima,
Umwelt und Menschenrechten in den Lieferketten bekräftigen wir unsere
Haltung für klare und verlässliche Regeln und kritisieren die Entkernung,
die die EVP im Europaparlament nur mit Stimmen der Rechtsextremen
erreichen konnte, aufs Schärfste.
Wir setzen uns ein für eine ambitionierte Umsetzung des Nature Restoration Law.
Mit der EU-VO ist die Wiederherstellung und Entwicklung von widerstandsfähigen
Ökosystemen verbindlich als gemeinsames europäisches Ziel festgelegt worden. Wir
werden dieses Ziel in NRW ambitioniert verfolgen und uns auf Bundesebene für
eine zügige Zielerreichung einsetzen.
Wir sehen, dass relevante Teile der Industrie drohen unter dem allgemeinen
wirtschaftlichen Druck den Pfad zur Klimaneutralität zu verlassen. So falsch es
ist, jegliches Strukturproblem der deutschen Volkswirtschaft damit zu
beantworten, ambitionierte Klimapolitik infrage zu stellen, so richtig ist auch,
dass die nordrhein-westfälische Landesregierung und Mona Neubaur als
Wirtschaftsministerin sich bemühen, alle an Bord zu halten. Mit dem Chemie‑
und Raffineriepakt NRW ist es gelungen, die Chemieindustrie von einer Abkehr vom
Klimaschutz wieder zu einem gemeinsamen Verständnis und Vorgehen zur Erreichung
der Klimaneutralität in NRW zu bewegen. Das erkennen wir als eine Errungenschaft
an. Denn für den Erhalt von 100.000 Arbeitsplätzen, inklusive Auszubildender, in
der Chemiebranche ist es unerlässlich, dass wir mit einem klaren Pfad der
Transformation und unserem Einsatz für den Klimaschutz die Wettbewerbsfähigkeit
in NRW sichern.