Veranstaltung: | Digitaler Landesparteirat GRÜNE NRW am 28.02.2021 |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesparteirat |
Beschlossen am: | 28.02.2021 |
Eingereicht: | 28.02.2021, 14:56 |
Antragshistorie: | Version 1 |
ALLE DÖRFER BLEIBEN - Für eine klimagerechte Politik!
Beschlusstext
Jeden Tag müssen die Menschen, die am Tagebau wohnen, erleben, wie ihnen ihr
Zuhause genommen wird. Mit Kettensägen werden Alleen und Wälder gefällt, mit
Baggern Kirchen und Häuser niedergerissen. Straßen werden zerstört, die die
Dörfer seit Generationen vernetzen. Jeden Tag hören die Anwohnenden das laute
Knirschen und Dröhnen der großen Kohlebagger, die ohne innezuhalten auf ihre
Dörfer zusteuern. Im letzten Sommer wurde die Landstraße L277 zerstört und im
Herbst sowie erst vor wenigen Wochen ein Teil des Dorfes Lützerath. Und das
obwohl dort noch Menschen leben und sich gegen ihre Enteignung und Vertreibung
und die Zerstörung ihrer Heimat wehren. Es ist offensichtlich: Durch den Abriss
der halben Ortschaft soll der Druck auf die letzten Bewohner*innen erhöht
werden, ihren Widerstand aufzugeben – eine Methode, die Menschen im Rheinischen
Revier bei der „Umsiedlung“ in der Braunkohle nur zu gut kennen.
Eines konnte der Kohlekonzern RWE aber noch nicht zerstören: Den Mut der hier
lebenden Menschen, die sich jeden Tag dafür engagieren, dass Dörfer, Wälder und
Felder bleiben. Den Menschen hier geht es dabei nicht nur um ihr Zuhause: Unter
den Dörfern am Tagebau Garzweiler alleine sind noch 600 Millionen Tonnen
Braunkohle, die nach dem Willen von RWE verfeuert werden sollen. Wollen wir die
Klimakrise aufhalten und unseren internationalen Verpflichtungen gegenüber dem
Übereinkommen von Paris (Paris Agreement) nachkommen, muss der Kohleausstieg
schneller umgesetzt werden als derzeit von der Bundesregierung geplant.
Lokal Verantwortung übernehmen angesichts der Klimakrise
Das Rheinische Braunkohlerevier mit all seinen Tagebauen und Kohlekraftwerken
ist immer noch einer der zentralen Orte, die über unser aller Zukunft
entscheiden. Jeden Tag übernehmen Menschen, die an den Tagebauen für die
Stilllegung dieser streiten, da Verantwortung, wo die Landes- und
Bundesregierung derzeit versagt: Sie übernehmen Verantwortung für eine
lebenswerte Zukunft und stehen in Solidarität mit den Menschen, die bereits
jetzt aufgrund der Klimakrise in anderen Regionen der Welt ihre Existenz
verlieren.
Seit Mitte Dezember 2020 ist endgültig klar: Die letzten Dörfer am Tagebau
Garzweiler könnten erhalten werden. Ihre Bewohner*inneren müssten nicht
enteignet und vertrieben und ihre Häuser und Kirchen nicht zerstört werden, wenn
das Ergebnis der Kohlekommission, wie zunächst von Bundes- und Landesregierung
zugesagt, umgesetzt würde. Das belegt ein von Bundeswirtschaftsminister Peter
Altmaier in Auftrag gegebenes Gutachten, das dieser erst auf Druck der Grünen
Bundestagsfraktion veröffentlichte. Altmaier hatte die Existenz des Gutachtens
über ein Jahr zunächst geheim gehalten, dann seine Veröffentlichung über Monate
verweigert. Obwohl dem Bundeswirtschaftsministerium die Ergebnisse des
Gutachtens also seit Ende 2019 bekannt waren, haben Bundesregierung,
Landesregierung NRW und Bergbautreibender immer argumentiert, bei Umsetzung des
Ergebnisses der Kohlekommission und dem Erhalt des Hambacher Waldes sei die
Zerstörung der Dörfer zwingend notwendig. Auf diesen Argumenten basiert auch der
Entwurf der Landesregierung für eine Leitentscheidung zum Braunkohleabbau.
Das Parlament und die Bevölkerung wurden mit dem Zurückhalten dieses Gutachtens
getäuscht. Der Bundestag hat bei der Abstimmung über das sogenannte Kohlegesetz
auf Grundlage falscher und unvollständiger Informationen weitreichende
Entscheidungen getroffen. Als BÜNDNIS90/ DIE GRÜNEN NRW kritisieren wir dies als
zutiefst undemokratisch.
Schluss mit dem Ausspielen vom Hambacher Wald gegen die Dörfer!
Obwohl dem Bundeswirtschaftsministerium die Ergebnisse des Gutachtens also seit
Ende 2019 bekannt waren, haben Bundesregierung, Landesregierung NRW und
Bergbautreibender immer argumentiert, bei Umsetzung des Ergebnisses der
Kohlekommission und dem Erhalt des Hambacher Waldes sei die Zerstörung der
Dörfer zwingend notwendig. Auf diesen Argumenten basiert auch der Entwurf der
Landesregierung für eine Leitentscheidung zum Braunkohleabbau. Es war
Ministerpräsident Armin Laschet, der auf Druck von RWE die
energiewirtschaftliche Notwendigkeit des Tagebaus Garzweiler in das
Kohleausstiegsgesetz verhandelt hat. Dieser Vertrauensbruch an den Menschen in
den Dörfern wird mit dem vorliegenden Gutachten offensichtlich. Dem Entwurf der
Leitentscheidung ist damit jegliche fachliche Grundlage entzogen. Wo vorher
schon massive Zweifel bestanden, ob die Zerstörung der Dörfer und die Enteignung
und Vertreibung der dort lebenden Menschen wirklich zwingend erforderlich ist,
ist nun klar: Alle Dörfer könnten bleiben – wenn die Planungen geändert werden!
Der Ministerpräsident muss endlich beginnen, in Berlin für die von Enteignung
und Vertreibung betroffenen Menschen einzustehen und die Zerstörung ihrer Dörfer
in seinem eigenen Bundesland aufhalten – gegen die Konzerninteressen von RWE und
für das Wohlergehen der Menschen.
Armin Laschet und die NRW-Landesregierung scheinen nichts aus ihren Fehlern am
Tagebau Hambach gelernt zu haben. Dort sind Menschen in den Ortschaften Manheim
und Morschenich enteignet und vertrieben worden, obwohl am Ende die unter den
Dörfern liegende Kohle gar nicht mehr in Anspruch genommen wird. Dieses doppelte
Desaster darf sich am Tagebau Garzweiler für die dortigen Ortschaften nicht
wiederholen. Es kann nicht sein, dass RWE durch fortgesetzte Zerstörung weiter
Fakten schafft. Neben einem Moratorium für Umsiedlungsvorbereitungen fordern wir
die Landesregierung dazu auf, die Leitentscheidung schnellstmöglich an die
energiepolitische Realität anzupassen und die bedrohten Dörfer rechtssicher zu
erhalten.
Es ist schon längst klar, dass die Braunkohle unter den Dörfern nicht für die
Energieversorgung benötigt wird. BÜNDNIS90/ DIE GRÜNEN NRW fordern deshalb ein
Moratorium mit einem sofortigen Stopp aller Abriss- und sonstigen
Zerstörungsarbeiten durch RWE. Statt weiter Fakten zu schaffen, braucht es Zeit
für politische Verhandlungen und ausstehende Entscheidungen von
Gerichtsprozessen sowie einen schnellen, nachhaltigen und sozial gerechten
Strukturwandel, der den Menschen in der Region eine sichere Perspektive gibt.
BÜNDNIS90/ DIE GRÜNEN NRW stehen solidarisch an der Seite der Menschen in den
Dörfern am Tagebau Garzweiler II und des Hambacher Tagebaus.
Global einstehen für eine lebenswerte Zukunft & europäische Klimapolitik
umsetzen
Politische Entscheidungen von Regierungen und Parlamenten müssen sich endlich am
Übereinkommen von Paris (Paris Agreement) und dem Ziel, die globale Erhitzung
der Erdatmosphäre auf 1,5 Grad zu beschränken, ausrichten.
Die Dringlichkeit der Klimakrise hat sich in den letzten Jahren massiv
verschärft und die energiewirtschaftliche Realität sich verändert. Spätestens
mit dem neuen EU-Klimagesetz und dem neuen EU-Klimaziel für 2030 ist der
Kohleausstieg 2038 nicht mehr haltbar. Das bedeutet für das Land NRW den
Kohleausstieg auf spätestens 2030 vorzuziehen. Wenn die Landesregierung am
veralteten Ausstiegspfad festhält, riskiert sie nicht nur den sozialen Frieden,
sondern stellt sich damit auch gegen das Übereinkommen von Paris und der
Klimapolitik der Europäische Union.
Wir brauchen ein deutliches Vorziehen des Kohleausstiegs in NRW, um
Planungssicherheit für die betroffenen Regionen zu gewährleisten und
Strukturwandelmaßnahmen frühzeitig umzusetzen.
Als BÜNDIS90/ DIE GRÜNEN NRW stehen wir ein für eine klimagerechte Politik, die
sich nach dem Wohlergehen der Bevölkerung richtet. Für eine ökologisch und
sozial gerechte Transformation unserer Wirtschafts- und Lebensweise, die
niemanden zurücklässt und eine Zukunft für unsere Kinder ohne Klimakatastrophe
ermöglicht.
Es liegt jetzt am Ministerpräsidenten, die Ergebnisse des Gutachtens in der
Leitscheidung zu berücksichtigen und die unnötige Zerstörung von Dörfern und
Natur zu stoppen. Ein Kohleausstieg, der diesen Namen verdient, muss sich an den
Zielen des Klimaschutzes und der Klimagerechtigkeit und nicht an den
Gewinninteressen von Kohlekonzernen orientieren. Es muss Schluss sein mit der
Enteignung und Vertreibung von Menschen und der Zerstörung ihrer Heimat. Denn
alle Dörfer können und müssen bleiben!