Veranstaltung: | Digitaler Landesparteirat GRÜNE NRW am 28.02.2021 |
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Tagesordnungspunkt: | VE Grüne Verkehrswende für NRW |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesparteirat |
Beschlossen am: | 28.02.2021 |
Eingereicht: | 08.03.2021, 13:51 |
Antragshistorie: | Version 1 |
GRÜNE Verkehrswende in NRW – sauber und bezahlbar unterwegs im ganzen Land
Beschlusstext
Wir in NRW sind viel unterwegs – zur Arbeit und Ausbildung, in der Freizeit und
im Urlaub. Mobil zu sein ist lästige Pflicht und Freude zugleich. Das zeigt sich
gerade jetzt in der Corona-Zeit, in der sich viele über wegfallende Wege im
Homeoffice freuen, wir aber gleichzeitig die Bewegungsfreiheit oft schmerzlich
vermissen. Mobil sein bedeutet für viele Menschen Freiheit, vor allem aber
bedeutet es, an unserer Gesellschaft teilzuhaben.
Wir Grüne machen das Unterwegssein in NRW bequem, sicher, stressfrei und für
alle bezahlbar. Und gleichzeitig sorgen wir dafür, dass unsere Mobilität nicht
weiter das Klima aufheizt, lärmt und die Luft in unseren Städten verschmutzt.
Grundlage unserer Politik ist das Pariser Klimaabkommen sowie der Bericht des
Weltklimarates zum 1,5-Grad-Limit. Um die Klimakrise abzuwenden, müssen wir auch
in NRW auf den 1,5 Grad-Pfad kommen. Nirgends verfehlen Deutschland und damit
auch NRW ihre Klimaschutzverpflichtungen so krachend wie beim Verkehr, der
immerhin für ein Fünftel aller Emissionen verantwortlich ist. Während in anderen
Sektoren die Emissionen in den letzten 30 Jahren deutlich gesunken sind, sind
sie beim Verkehr im gleichen Zeitraum sogar leicht angestiegen. Dafür ist
größtenteils der Straßenverkehr verantwortlich. So kann und darf es nicht
weitergehen.
Jedes Jahr sterben in Deutschland allein mehr als 70.000 Menschen vorzeitig an
den gesundheitlichen Folgen der Luftverschmutzung. Von schlechter Luft sind
besonders die Menschen betroffen, die sich ein Wohnen und Arbeiten abseits der
stark belasteten Hauptverkehrsachsen nicht leisten können. Zudem sind Menschen,
die unter Luftverschmutzung leiden, durch die Belastung der Atemwege und
Blutgefäße besonders anfällig für eine schwere Coronavirus-Infektion. Die
Verkehrswende ist daher eine soziale Frage und starker Gesundheitsschutz.
Die Verkehrswende ist machbar. Mobil sein und gleichzeitig einen Beitrag zum
Klimaschutz und für saubere Luft leisten – das lässt sich vereinbaren. Immer
mehr Menschen setzen in ihrem Alltag bereits auf umweltfreundliche Mobilität und
erwarten von der Politik, dass sie dafür die richtigen Rahmenbedingungen
schafft. Wir GRÜNE nehmen diesen Auftrag an und orientieren uns dabei an
strahlenden europäischen Vorbildern aus den Niederlanden, Kopenhagen, Wien und
Paris. Hier treiben Bürger*innen, Politik und Wirtschaft gemeinsam visionäre
Änderungen voran. Auch in NRW wollen wir, dass Verkehrspolitik die Perspektive
der Windschutzscheibe verlässt und beim ersten Schritt vor die eigene Haustür
ansetzt. Denn hier beginnen alle unsere Wege. Etwa die Hälfte aller Wege sind
kürzer als 3 Kilometer . Wir sorgen dafür, dass alle – auch Familien, Jung und
Alt und Menschen mit Behinderungen– diese täglichen Wege sicher und komfortabel
zu Fuß und mit dem Rad zurücklegen können. Dafür schaffen wir lebenswerte,
barrierearme Städte, Gemeinden und Dörfer und mehr Platz für Fußgänger*innen und
Fahrradfahrer*innen. Bei längeren Strecken setzen wir auf ein starkes Netz aus
Bus und Bahn und auf vernetzte, geteilte und emissionsfreie Verkehrsmittel.
Unser Ziel ist, dass alle Menschen in NRW auch ohne eigenes Auto mobil sein und
teilhaben können. Wir beenden die jahrzehntelange autofixierte Politik in
Nordrhein-Westfalen und fördern die Verkehrsmittel, die unserer Gesundheit,
unserer Umwelt und unserem Zusammenleben gut tun. Dabei haben wir auch
Zugänglichkeit und Barrierefreiheit von Haltestellen, Bahnhöfen und
Verkehrsmitteln im Blick - denn dies hilft nicht nur Menschen mit Behinderung,
sondern allen.
Die Corona-Pandemie verändert vieles – auch beim Verkehr. Wir erleben einen
schwerwiegenden Einbruch der Fahrgastzahlen in Bussen und Bahnen. Fahrradfahren
erlebt gleichzeitig einen Boom. Und das private Auto scheint sich für viele in
der Krise als einer der letzten sicheren Rückzugsräume gegen die
Ansteckungsgefahr zu entwickeln. Umso wichtiger ist jetzt der politische Einsatz
für mehr Platz in unseren Städten, für das Fahrrad als Verkehrsmittel der kurzen
und mittleren Wege, und für die Absicherung der Verkehrsunternehmen und einen
Investitionsschub für Bus und Bahn. Eine kluge Verkehrspolitik in Zeiten der
Pandemie muss den Umbau zu mehr klimafreundlicher und nachhaltiger Mobilität
fest im Blick behalten. Dafür bieten sich auch neue Perspektiven – so zeigt uns
die Corona-Krise eindrucksvoll, welche Potentiale im Homeoffice und Online-
Veranstaltungen liegen. Behalten wir diese digitale Kultur, wo möglich, bei und
fördern sie politisch, kann gerade der Pendelverkehr in NRW entlastet werden.
1. Öffentlicher Nahverkehr - bezahlbar, schnell,
flächendeckend und komfortabel
Das Herzstück der Verkehrswende in NRW ist der öffentliche Personennahverkehr.
Bisher werden lediglich 8,5 Prozent der Wege in NRW mit Bus und Bahn
zurückgelegt - da ist noch viel Luft nach oben. Aus Ländern wie der Schweiz oder
Österreich wissen wir: Der Umstieg kann nur bei einem guten Angebot gelingen.
Bus und Bahn müssen aus Sicht der Nutzer*innen eine vergleichbare Qualität und
Flexibilität wie das Autofahren liefern.
Deshalb setzen wir auf einen Schritt-für-Schritt-Plan für attraktiven Nahverkehr
in NRW: Die grüne Mobilitätsgarantie schafft ein verlässliches Mindestangebot an
Bus- und Bahnverbindungen. Dafür sorgt ein großes Investitionsprogramm in den
Ausbau und die Modernisierung der Strecken und Fahrzeuge. Schritt für Schritt
führen wir zudem ein günstiges Ticket für alle Bürger*innen in NRW ein, das
jedem und jeder den Zugang zu einem umfassenden Verkehrsangebot sichert. Und
kurzfristig gilt es, Bus- und Bahnfahren pandemiefest zu machen.
1.1 Bus und Bahn – sicher durch die Pandemie
Aktuell pendeln weniger Menschen zur Arbeit und bleiben im Homeoffice.
Zusätzlich steigen viele auf Rad und Auto um - aus Angst sich in Bus und Bahn
anzustecken. Die Verkehrsunternehmen verzeichnen in der Pandemie enorme
Fahrgast- und Umsatzeinbußen. Bus und Bahn brauchen deshalb einen
Rettungsschirm! Bund und Länder müssen auch über 2020 hinaus klare
Finanzierungszusagen machen, um diesen wichtigen Teil der Daseinsvorsorge
abzusichern, Unternehmensinsolvenzen abzuwenden und Arbeitsplätze zu sichern.
Die Verkehrsunternehmen brauchen stärkere finanzielle Unterstützung, um die
bisherigen Defizite auszugleichen und das Angebot nicht nur aufrecht zu halten,
sondern auszuweiten, damit wieder mehr Fahrgäste den ÖPNV dauerhaft nutzen und
sie den erforderlichen Sicherheitsabstand einhalten können. Um die Fahrgäste
bestmöglich zu schützen, sollte zudem auf bessere Lüftungskonzepte und dauerhaft
mehr Reinigungen gesetzt werden. Gleichzeitig muss die Landesregierung dafür
sorgen, dass der Verkehr entzerrt wird und insbesondere Schüler*innen nicht
gezwungen sind, in überfüllte Busse und Bahnen zu steigen - durch versetzte
Schulanfangszeiten und das Lernen im Wechsel- und Kleingruppenmodell, wie wir
GRÜNE es für NRW schon seit Monaten fordern. Das Land muss Vorbild sein und
seinen Mitarbeitenden verstärkt Homeoffice-Lösungen und mobiles Arbeiten
ermöglichen sowie die Büroanfangs- und -endzeiten so flexibel wie möglich
gestalten. Die Landesregierung muss gleichzeitig bei der Wirtschaft in NRW für
ebensolche Maßnahmen werben.
1.2 Grüne Mobilitätsgarantie
Wir führen eine echte Mobilitätsgarantie für Nordrhein-Westfalen ein. So finden
alle Menschen überall in NRW ein Mindestangebot an Bus- und Bahnverbindungen,
auf das sie sich verlassen können.
Als verbindliche Mindeststandards für NRW definieren wir die Mobilitätsgarantie
so:
- Mindestens einmal die Stunde kann jede*r Einwohner*in in NRW ein
öffentliches Verkehrsangebot nutzen - wochentags mindestens von 5.30 Uhr
bis 22.30 Uhr. Samstags gibt es mindestens stündlich, sonntags alle zwei
Stunden von 9.30 Uhr bis 21.30 Uhr eine Verbindung. Freitags und samstags
kann man von den größeren Orten auch bis 1.30 Uhr verlässlich mit Bus und
Bahn ins Umland fahren. Die Angebote sind vertaktet, auf andere Busse und
die Bahn abgestimmt, so dass der Umstieg attraktiv wird.
- Im Einzugsbereich der Großstädte sind die Einwohner*innen mit Bus und Bahn
von 4.30 Uhr bis 23.30 Uhr mindestens jede halbe Stunde, sonntags
mindestens jede Stunde angebunden.
- Alle geschlossenen Ortschaften mit mehr als 200 Einwohner*innen werden an
den öffentlichen Personennahverkehr angeschlossen. Ab 500 Einwohner*innen
werden Orte an den Linienverkehr angeschlossen.
- Ein attraktives regelmäßiges Angebot auch am Wochenende heißt nicht
zwangsläufig, dass im Stundentakt leere Busse durch die Dörfer gondeln
müssen. Flexible Bedienkonzepte via App, traditionelle Ruf- oder
überörtliche Bürgerbusse sind gute begleitende Angebote dort, wo ein
attraktiv getakteter Busverkehr im Regelbetrieb kaum genutzt würde.
- Gut erreichbare Haltestellen: In der Regel sind Bus- und Bahnhaltestellen
in Städten höchstens 300, andernorts höchstens 500 Meter Luftlinie von der
eigenen Wohnung entfernt.
1.3 Mehr Reisekomfort und Sicherheit in Bus und Bahn
Um die Mobilitätsgarantie umzusetzen, müssen die Kapazitäten im Öffentlichen
Nahverkehr deutlich ausgebaut und klimafreundlichere Fahrzeuge beschafft werden.
Dazu brauchen wir hunderte Kilometer neuer Strecken und die Reaktivierung von
stillgelegten Strecken. Engpässe an landesweit bedeutsamen Knotenpunkten müssen
durch Ausbau behoben und die Signaltechnik digitalisiert werden. Um Lücken im
Schienennetz zu schließen und schienenferne Orte anzubinden, wird die
Landesförderung für regionale Schnellbuslinien deutlich erhöht.
Unsere Bahnhöfe machen wir, wie vielerorts in den Niederlanden, zu großzügigen
und komfortablen Knotenpunkten des öffentlichen Verkehrs, damit die deutlich
gestiegenen Fahrgastzahlen in den Bahnhöfen auch willkommen sind. Hier kommen
alle Mobilitätsangebote zusammen: sichere Abstellmöglichkeiten für Rad und
Gepäck sowie Sharing-Angebote für Fahr- und Lastenräder, Leihroller und Car-
Sharing. Wir wollen, dass in den kommenden Jahren mindestens 400 Mobilstationen
und perspektivisch Mobilstationen an allen Bahnhöfen, Haltepunkten und wichtigen
Bus- und Bahn-Haltestellen in NRW entstehen. Um die Bahnhöfe brauchen wir neue,
dichte urbane Zentren mit Einkaufsmöglichkeiten, Verwaltungs- und Bürogebäuden,
um kurze Wege zu gewährleisten. So wird das Pendeln mit Bus und Bahn zusätzlich
attraktiv.
Auch Komfort und Sicherheit beim Reisen sind wichtig, damit Bus und Bahn
attraktiv werden. Wir fördern windgeschützte Wartebereiche auf den Bahnsteigen
sowie beheizte und geschlossene Wartebereiche am Bahnhof. Wir verbessern die
Verfügbarkeit sowie die Sauberkeit von Toiletten an Bahnhöfen, Knotenpunkten,
Zügen sowie S-Bahnen. Zudem sorgen wir für ausreichende Infrastruktur zur
Einhaltung der notwendigen Hygienebedingungen für Fahrgäste. Kostenloses WLAN an
Bahnhöfen, in Zügen und Bussen machen wir zum Standard. Und wir verbessern die
Verspätungswarnung mit Alternativrouten-Vorhersage für eine möglichst
reibungslose Fahrt.
1.4 Bund und Land müssen deutlich mehr in Verkehrsinfrastruktur investieren
Wir fordern: mehr öffentliches Geld für öffentlichen Verkehr! Denn unser
Verkehrsproblem ist zuallererst ein Investitionsproblem. Jahrzehntelang wurde zu
wenig und an der falschen Stelle investiert. Besonders die Kommunen leben seit
fast zwei Jahrzehnten von ihrer Substanz. Allein die kommunale
Verkehrsinfrastruktur in NRW hat bereits einen jährlichen Investitionsbedarf von
drei Milliarden.
Wir brauchen mehr Geld für Busse und Bahnen, Schienen und Technik. Nur so können
wir die Mängel, die über den Sparkurs der letzten Jahre entstanden sind,
beseitigen und unsere Infrastruktur so ausbauen, dass die Mobilitätsgarantie
erfüllt werden kann. Hinzu kommen kurzfristige Investitionen, um den
öffentlichen Nahverkehr krisenfest und zukunftssicher machen. Zudem sollten
Diesel-Züge und Diesel-Busse bald der Vergangenheit angehören und durch
Elektrifizierungen und alternative Antriebe ersetzt werden. Das kommt
Klimaschutz und lebenswerte Kommunen zugute.
Einiges kommt aktuell schon in Bewegung: In der letzten Regierungsbeteiligung
haben wir uns lange für eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel für NRW
eingesetzt. Nun erhält NRW vom Bund für den Nahverkehr insgesamt etwa sechs
Milliarden Euro zusätzlich bis 2031. Mit der Überarbeitung des
Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) wird der Ausbau von Bus und Bahn
endlich stärker gefördert. Die grünen Forderungen, auch kleinere Vorhaben und
die Sanierung bestehender Infrastruktur zu unterstützen, werden endlich
verwirklicht.
Doch für eine umfassende Verkehrswende ist das noch zu wenig. Der Bund hat
Klimaschutz als nationale Aufgabe definiert und den Verkehrssektor als ein
zentrales Feld identifiziert, in dem umgesteuert werden muss. Deshalb ist er
auch in der Pflicht, den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs und
Schienenverkehrs finanziell in deutlich stärkerem Maße zu unterstützen. Die
nachholende Erneuerung sanierungsbedürftiger Infrastruktur sollte endlich
mittels eines Infrastrukturfonds von Bund und Ländern auf den Weg gebracht
werden. Weitere Mittel stehen bereit, wenn wir die steuerlichen Förderung
unsinniger Mobilität endlich beenden: Allein die Abschaffung des Diesel- und
Dienstwagenprivilegs bringt Einnahmen von acht Milliarden Euro. Wir wollen mit
diesen Mitteln den ÖPNV ausbauen. Die neun derzeit reaktivierten Strecken in
Nordrhein-Westfalen sind zu wenig. Bahnstrecken, die zu einer Verbesserung der
Mobilität führen und wirtschaftlich betrieben werden können, sollen reaktiviert
werden, ohne andere Mobilitätsformen wie den Radverkehr zu benachteiligen.
Gleichzeitig wollen wir prüfen, ob das Nutzen-Kosten-Kriterium noch zeitgemäß
ist und durch Kriterien der Klimawirksamkeit mindestens ergänzt wird. Insgesamt
wollen wir die bestehenden Förderprogramme für den ÖPNV überprüfen und
vereinfachen. Wir wollen die Antrags- und Genehmigungsverfahren deutlich
kommunalfreundlicher gestalten.
Eine echte Ausbauoffensive bei Bus und Bahn muss auch entsprechend ausreichend
finanziert werden. In NRW ist unser Ziel, ein Sanierungs- und Ausbauprogramm für
die nächsten zehn Jahre auf den Weg zu bringen, das 200 € pro Einwohner*in und
Jahr umfasst. Das bedeutet in etwa eine Verdopplung der bisherigen Pro-Kopf-
Ausgaben. Dass diese Zahl nicht utopisch ist, zeigt uns Luxemburg: Dort
investiert der Staat derzeit 600 € pro Einwohner*in.
Investitionen und Ausbau brauchen nicht nur Geld, sondern auch Kompetenz. Die
drei übergeordneten Zweckverbände, das bei ihnen angesiedelte Zukunftsnetz
Mobilität NRW und die Kompetenzzentren in NRW stehen für einen Großteil der
anstehenden Aufgaben bereit und sind gut darauf vorbereitet. Wir wollen diese
drei Zweckverbände bei ihrer Entwicklung vom Verkehrsverbund zum
Mobilitätsverbund unterstützen. Zusätzlich brauchen wir zur Koordination, zur
Planung und zum Unterhalt zukünftiger Infrastruktur sowie zur Koordinierung und
zum Abgleich einheitlicher Tarife und Linienkonzeptionen, die
verbundübergreifend und von landesweiter Bedeutung sind, einen neuen Träger.
Hierfür wollen wir eine Landesverkehrsgesellschaft als Anstalt öffentlichen
Rechts prüfen.
1.5 Mobilität Grenzenlos denken
NRW liegt im Herzen Europas. Ein gut ausgebauter ÖPNV verbindet die Menschen und
stärkt die Wirtschaft in den Grenzregionen. Uns verbinden über 99 Km eine
gemeinsame Grenze mit Belgien und über 395 Km mit den Niederlanden. Durch die
immer weitergehende europäische Integration sind diese Grenzen für viele
Menschen bei uns heute im Alltag nicht mehr zu spüren. Täglich pendeln 42.710
Arbeitnehmer*innen in die Niederlande und alleine in der Städteregion Aachen
arbeiten über 4000 Menschen mit Wohnsitz in Belgien. Ein gut ausgebauter
grenzüberschreitender ÖPNV verbindet und trägt zur vertieften europäischen
Integration bei.Bereits heute gibt es zwischen Aachen und Maastricht eine
Busverbindung im 15-Minuten Takt. Wir wollen dafür sorgen, dass solche
Erfolgsmodelle der grenzüberschreitenden ÖPNV-Linien weiter ausgebaut werden.
Dafür fördern wir die Kooperation zwischen den Verkehrsverbünden und machen die
Anwendung eines einheitlichen Tarifs bis zu einem Linienendpunkt jenseits der
Grenze zum Standard. Dabei werden bei gemeinsamen Linien Zeitkarten aus beiden
Verkehrsverbünden auf der gesamten Strecke akzeptiert.
1.6 Schritt für Schritt zu günstigen und einfachen Tickets
Auch wenn es bereits eine Reihe günstiger Tickets in NRW gibt, bleibt es für die
Nutzer*innen eher unübersichtlich - besonders, wenn sie über die Grenzen des
eigenen Tarifverbundes hinausfahren. Wir wollen deshalb ein günstiges und
attraktives Angebot für ganz NRW schaffen. Das muss Hand in Hand gehen mit dem
Ausbau und der Mobilitätsgarantie, damit die Nutzer*innen günstiger Tickets auch
ein entsprechendes Angebot vorfinden. Unser Ziel ist es, in zehn Jahren das NRW-
Bürger*innenticket einzuführen, das landesweit für alle öffentlichen
Verkehrsmittel gilt und solidarisch finanziert wird.
Auf dem Weg zum Bürger*innenticket schaffen wir zunächst Tickets für immer mehr
Personengruppen, angefangen mit einem kostenfreien Ticket für Schüler*innen und
junge Menschen bis 18 Jahre. Für uns soll regelmäßiges Nutzen des ÖPNV ein
Selbstverständnis und kein Privileg sein. Deshalb fordern wird für das
landesweite Azubiticket dringend eine deutliche und klare Preissenkung. Im
Schnitt ist das Azubiticket doppelt so teuer wie das Semesterticket der
Studierenden. Eine Kostenangleichung der beiden Tickets ist unser Ziel. Auch bei
der Preisentwicklung des Semestertickets wollen wir sicherstellen, dass es für
Studierende gut bezahlbar wird. Wir bauen soziale Ticketangebote sowie das
Jobticket aus und machen dieses Schritt für Schritt zur Pflicht für öffentliche
Arbeitgeber wie Kommunen, Landes- und Bundesbehörden. Und wir unterstützen
Bürger*innentickets in Kommunen mithilfe einer Experimentierklausel. Das von
einer Bürgerinitiative entwickelte „Solidarische Bürgerticket Wuppertal“ wurde
von der Landtagsfraktion mit Hilfe eines Gutachtens überprüft. Dieses zeigt,
dass ein solches Ticket mit wenigen gesetzlichen Anpassungen umsetzbar wäre.
Auf dem Weg zum landesweiten Bürger*innenticket müssen auch neue
Finanzierungsmodelle eröffnet werden. In anderen europäischen Ländern gibt es
diese bereits und sie bieten Kommunen, Regionen oder Verbünden finanzielle
Spielräume für den Ausbau des ÖPNV. Wir wollen auf Landesebene die gesetzlichen
Grundlagen schaffen, um zunächst derartige kommunale Finanzierungsinstrumente im
Rahmen einer Experimentierklausel einzuführen, Nutznießer*innen einer ÖPNV-
Anbindung an den Kosten zu beteiligen oder eine Arbeitgeber*innenabgabe zu
ermöglichen. Auch für die Einführung eines solidarischen Bürger*innentickets
oder eines verpflichtenden Jobtickets muss das Land die Gemeinden und Kreise zum
Erlass einer Nahverkehrsbeitragssatzung im KAG (kommunales Abgabengesetz)
befähigen.
1.7 Den ländlichen Raum besser versorgen: mit Bus und Bahn und Carsharing
Rund zwei Drittel von NRW sind ländlich geprägte Räume. Ein Drittel der
Menschen, ca. sechs Millionen, leben hier. Gerade im ländlichen Raum erleben
viele Menschen eine Verschlechterung des Angebots im Nahverkehr und der
Lebensbedingungen – etwa wenn Schulen zusammengelegt werden, Kliniken oder
Arztpraxen schließen und zentralisiert werden, oder Einkaufsmöglichkeiten oder
Freizeitangebote nur noch mit dem Auto erreichbar sind. Obwohl viele Menschen
auch beruflich in den nächstgrößeren Ort pendeln müssen, ist in vielen Städten
und Regionen der Schulbus das einzige ÖPNV-Angebot. Dadurch sind gerade junge
Menschen abhängig von ihren Eltern oder einem eigenen Fahrzeug. Und der Mangel
an öffentlichem Verkehr ist für ältere Menschen, die nicht mehr fahren können,
eine massive Einschränkung der Lebensqualität und Möglichkeit zur Versorgung und
gesellschaftlicher Teilhabe. Doch auch für die Wirtschaft in ländlicheren
Regionen ist ein fehlendes ÖPNV-Angebot problematisch und macht sie unattraktiv.
Beispielsweise sind viele Auszubildende darauf angewiesen, von ihren Eltern zum
Ausbildungsbetrieb gebracht zu werden.
Verlässliche, bezahlbare Mobilität und ein Beitrag zum Klimaschutz – wir wollen
beides für den ländlichen Raum. Wir richten dabei auch den Blick auf
Nachbarländer, in denen kein Ort zu klein ist, um sinnvoll an klimafreundliche
Mobilitätsangebote angebunden zu sein. Für die grüne Mobilitätsgarantie
erweitern wir das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln im ländlichen Raum und
setzen auf multimodale Mobilität – also Unterwegssein mit verschiedenen
Verkehrsformen, die optimal miteinander vernetzt sind.
Damit die grüne Mobilitätsgarantie auf dem Land funktioniert, schaffen wir neue
Schnellbuslinien zwischen den ländlichen Zentren. Gleichzeitig müssen die
Bahnachsen in die Ballungsräume gestärkt werden. Neue Siedlungen müssen
vorrangig entlang vorhandener ÖPNV-Achsen geplant werden, um von vornherein
einen guten Anschluss zu sichern.
Das klassische Angebot von Bus und Bahn wird verknüpft mit dem Radverkehr und
flexiblen, vernetzten Angeboten. Wir schaffen im ganzen Land Mobilstationen mit
Park and Ride, Carsharing und sicheren Fahrradabstellmöglichkeiten. Wir bauen
ein landesweites Netzwerk von Radschnellwegen und Radrouten, auf denen man
sicher und weitestgehend kreuzungsfrei mit dem Fahrrad unterwegs ist. Damit das
passiert, muss das Land NRW die Verantwortung für den schnellen Ausbau annehmen
und darf sie nicht auf Kommunen abwälzen.
Öffentliches und privates Carsharing ergänzen diese Angebote. Dabei wollen wir
mit intelligenten Lizensierungsverfahren erproben, bei denen Carsharing-Anbieter
im Stadtgebiet bevorzugte, feste Standorte erhalten und im Gegenzug auch in
ländlichen Räumen ein Angebot schaffen.In dünn besiedelten Gegenden muss es
möglich sein, gegen ein festes Entgelt andere Menschen mitzunehmen – gesteuert
von einer kommunalen Plattform nach festen Regeln. Auch das automatisierte
Fahren hat seinen Platz in der Verkehrswende, wenn es vorrangig auf geteilte
Angebote setzt. Deshalb fördern wir Labore für automatisierte Shuttles in den
ländlichen Räumen. Bürgerbusse sollen bei Ersatzbeschaffungen grundsätzlich auf
Elektrobetrieb umgestellt und stärker als Bürgerbusse mit konventioneller
Antriebstechnik gefördert werden.
1.8 Bus und Bahn in den Ballungsräumen ausbauen
NRWs Nahverkehr stößt in den Ballungsräumen im Rheinland und in der Metropole
Ruhr immer mehr an seine Kapazitätsgrenzen. Insbesondere zu den
Hauptverkehrszeiten morgens und nachmittags sind Busse und Bahnen überfüllt und
unzuverlässig.
In zehn Jahren wird mit dem Rhein-Ruhr-Express zwischen Dortmund und Köln alle
15 Minuten ein schneller Regionalzug, der Großstädte der Metropole Ruhr und dem
Rheinland verbindet, unterwegs sein. Wir GRÜNE haben uns in der Vergangenheit
wie keine andere Partei für dieses Projekt stark gemacht. Die steigenden
Fahrgastzahlen zeigen jedoch: Der RRX allein wird nicht reichen, um hochwertigen
Nahverkehr zwischen Rhein und Ruhr zu gewährleisten. Deshalb möchten wir mit
diesen Maßnahmen den Schienenverkehr in den Ballungsräumen stärken.
Um den regionalen Schnellverkehr zu entlasten, soll das S-Bahnnetz in NRW massiv
ausgebaut werden. Etwa 50 Jahre nach dem Beginn des S-Bahnbaus in NRW, läuten
wir die Zeit der S-Bahn Rhein-Ruhr 2.0 ein. So fordern wir eine Verdopplung der
S-Bahnstationen in den nächsten zehn Jahren, neue Linien und mindestens einen
15-Minutentakt von früh morgens bis in den Abend auf allen Linien. Die dafür
nötigen Bauvorhaben sollen zügig geplant und mit Geldern von Bund, Land und der
DB gebaut werden. So bauen wir ein zweites Rückgrat für NRWs Nahverkehr auf, das
nah an den Nutzer*innen ist!
Auch in den späten Abendstunden und in der Nacht gibt es in den Ballungsräumen
ein hohes Mobilitätsbedürfnis. Um diesem nachzukommen, sollen künftig S-Bahnen
die ganze Nacht fahren und durch die wichtigsten Expressangebote ergänzt werden
– auch werktags. So kommt man zu jeder Zeit sicher nach Hause!
Ein starkes S-Bahnnetz braucht starke Zubringerverkehre. Deshalb sollen Busse
und kommunale Bahnen mindestens im S-Bahntakt die S-Bahnstationen direkt
anfahren. Um dazu beizutragen, sind die allgemeinen Mittel des Landes für den
kommunalen ÖPNV-Betrieb zu erhöhen.
Neue digitale Infrastruktur erhöht auch in den Städten die Kapazität der
Infrastruktur. Jedoch ist die Digitalisierung mit hohen Kosten verbunden.
Besonders im Ruhrgebiet sind diese Investitionen kaum zu stemmen. Damit sich die
Kommunen diese wichtige Investition in ihre Zukunft leisten können, möchten wir
als Land die Kommunen hierbei finanziell unterstützen. Gleiches gilt für den
Erhalt vorhandener Infrastruktur. Zukünftig soll sich das Land an
Erhaltungskosten beteiligen, um insbesondere Streckenstilllegungen zu
verhindern.
2. Freie Fahrt fürs Fahrrad
2.1 Radwegenetz neu gestalten
Das Fahrrad gewinnt für kurze und mittlere Distanzen immer mehr an Bedeutung.
Die Verkäufe von Fahrrädern und E-Bikes steigen seit Jahren an. Ebenso die Zahl
der Wege, die mit dem Fahrrad zurückgelegt werden: Aktuell liegt der Anteil des
Radverkehrs in NRW bei rund elf Prozent. In den Städten ist die deutliche
Zunahme des Radverkehrs nicht nur spür- sondern auch messbar. So ist
beispielsweise in Düsseldorf der Radverkehr im Jahr um mehr als 22 Prozent
gestiegen. Der Vergleich mit anderen Ländern macht aber deutlich, dass hier noch
viel Luft nach oben ist. Die Volksinitiative “Aufbruch Fahrrad” fordert deshalb
bis 2025 eine Erhöhung auf 25 Prozent – ihr Erfolg zeigt, dass viele Menschen in
NRW bessere Bedingungen für den Radverkehr wollen. Denn nur durch eine sichere,
komfortable und gut vernetzte Fahrradinfrastruktur sind die Menschen gerne
bereit, aufs Fahrrad umzusteigen. Nicht nur bei den großen Fahrrad-Vorbildern
Niederlande und Kopenhagen, auch in Deutschland tut sich mittlerweile etwas:
Bundesländer wie Berlin machen vor, wie die Fahrradwende funktionieren kann. Der
Straßenraum wird neu aufgeteilt und das Radfahren durch breite und gut
ausgebaute Wege, Grüne Welle für Fahrräder, ausreichende Stellplätze und
Verknüpfung mit dem ÖPNV etc. komfortabler, schneller und sicherer
gemacht.Grundsätzlich befürworten wir die Trennung von Fahrrad- und Autoverkehr
aus sicherheitstechnischen Gründen. Dort wo dieses innerstädtisch aus
Platzmangel nicht möglich ist, sollen alternative, geschwindigkeitsreduzierte
Konzepte implementiert werden.
Wir wollen, dass auch NRW in Sachen Radverkehr endlich auf die Überholspur
wechselt. Das ist machbar, denn verglichen mit dem öffentlichen Nahverkehr ist
eine verbesserte Infrastruktur für das Fahrradfahren relativ schnell und
kostengünstig umzusetzen.
Wir arbeiten an einem Radverkehrsgesetz für NRW, das für sicheres und
komfortables Radfahren in und zwischen Orten sorgt und seinen Namen verdient.
Wir schaffen damit ein dichtes Radwegenetz, das alle relevanten
Radwegeverbindungen abdeckt. Dazu bauen wir ein Hauptroutennetz mit
Radschnellwegen und Radvorrangrouten auf, an das alle Gemeinden in NRW
angeschlossen sind. Dieses überörtliche Netz wird durch lokale Radwegenetze
ergänzt, die je nach örtlicher Gegebenheit als "Protected Bike Lanes" an
mehrspurigen Straßen, breiten markierten Radwegen entlang der Fahrbahnen sowie
Fahrradstraßen ausgestaltet werden. Wir wollen auf den zuständigen Ebenen dafür
sorgen, dass bei Ersatzneubauten oder Sanierungen von Autobahnen, Bundes- und
Landesstraßen immer auch Rad- und Fußwege-Verbindungen mit realisiert werden.
Die Finanzierungsregeln und das Planungsrecht wollen wir überprüfen um dies
konsequent durchzusetzen. Langfristig ist unser Ziel, dass an allen
übergeordneten Straßen immer auch Infrastruktur für die Nahmobilität vorhanden
ist.
Um den Radverkehr zu erhöhen, das Radverkehrsnetz auszubauen und die Sicherheit
Radfahrender zu erhöhen, stellen das Land, die regionalen Gliederungen und die
Kommunen jeweils für ihren Bereich verbindliche Bedarfs- bzw. Angebotsplanungen
auf. In diesen sind die zur Erreichung der Ziele notwendigen Maßnahmen
aufgeführt, entsprechend priorisiert und mit finanziellen Mitteln und
personellen Ressourcen hinterlegt. Dazu gehört auch, dass sowohl beim
Landesbetrieb Straßen.nrw, bei den Bezirksregierungen und in den kommunalen
Verkehrsverwaltungen Fachabteilungen für den Radverkehr gebildet werden, die die
Planungen voranbringen und den Bau umsetzen. Im Landesministerium wird ein
zentrales Referat für die Planung und Umsetzung des Fahrradgesetzes
eingerichtet. Landesweit müssen Organisationen, Strukturen und Abläufe der
Radverkehrsförderung so gestaltet werden, dass sie dem schnellen Radausbau
förderlich sind. In allen Institutionen, die in Entscheidungen rund um Planung
und Bau beteiligt sind, muss der Radverkehr einen höheren Stellenwert bekommen.
Radfahren so sicher wie möglich zu machen, ist unser wichtigstes Ziel. Denn
viele Menschen fühlen sich zu unsicher, das Rad für ihre Wege zu nutzen und sich
auf schmalen Radwegen oder im dichten Autoverkehr zu bewegen. Radfahrende haben
kein „Blechkleid“, das sie vor Unfällen schützt. In der Unfallstatistik sind
deshalb jedes Jahr viele tote oder schwer verletzte Menschen zu beklagen. Wege,
Kreuzungen und Regeln müssen deshalb selbsterklärend und so aufgebaut sein, dass
Fehler einzelner Verkehrsteilnehmer*innen keine tödlichen Folgen haben. Nur so
werden sich mehr Menschen aller Altersklassen trauen, aufs Rad zu steigen und
sich auch wirklich sicher fühlen. „Vision Zero“ – keine Verkehrstoten – ist
unsere Leitlinie, die wir im Fahrradgesetz verankern und damit die
Landesregierung verpflichten, Lösungen zu entwickeln. In der Folge schwerer
Unfälle mit Fahrradbeteiligung sollten die jeweiligen Kreuzungen und
Straßenabschnitte grundsätzlich auf ihre Sicherheit hin überprüft werden.
2.2 ÖPNV und Radverkehr verknüpfen
Um den Mobilitätsbedürfnissen möglichst gerecht zu werden, ist vor allem die
Verknüpfung zwischen ÖPNV und Radverkehr enorm wichtig. An allen Haltepunkten
des Schienenverkehrs bauen wir ausreichende und sichere
Fahrradabstellmöglichkeiten. An den größeren Haltestellen und Bahnhöfen
errichten wir Fahrradstationen mit entsprechendem Serviceangebot, in denen
hochwertige Fahrräder sicher abgestellt und E-Bikes geladen sowie Reparaturen
durchgeführt und Leihräder gemietet werden können. Fahrräder sollen in allen
Fahrzeugen des ÖPNVs und des Schienenverkehrs mitgenommen werden dürfen, auch in
den Fernverkehrszügen der Bahn. An Mobilstationen entstehen sichere
Fahrradabstellmöglichkeiten und stehen Leihfahrräder zur Verfügung.
2.3 Mehr Platz für's Rad und Zufußgehen
Außerdem wollen wir den Bau von Fahrradgaragen fördern und Autoparkhäuser auch
für das Abstellen von Fahrrädern nutzen. Damit in Wohngebieten und
Einkaufsstraßen genügend Abstellmöglichkeiten vorhanden sind, wollen wir
Parkplätze auch zum Abstellen von Fahrrädern nutzen und Platz für
Lastenfahrräder schaffen.
Klar ist: Mehr Platz fürs Rad, mehr Platz für Zufußgehende heißt weniger Platz
für das Auto. Durch den Rückbau von Straßen und Parkplätzen zu Rad- und
Fußwegen, zu Plätzen zum Spielen und Verweilen schaffen wir eine Stadt für
Menschen und nicht für Autos.
Im Gegensatz zu E-Autos wird die Anschaffung von E-Bikes nicht öffentlich
gefördert. Dies wollen wir ändern und auch für den Kauf von E-Bikes oder
hochwertigen Fahrräder entsprechende Prämien zahlen, wenn dafür das eigene Auto
abgemeldet wird. Unabhängig davon fördern wir den Kauf von Lastenrädern, sowohl
für den Privatgebrauch als auch für Betriebe und Unternehmen.
Qualifizierungsmöglichkeiten für Fahrrad-Werkstattpersonal wollen wir fördern.
3. Digitalisierung für die Verkehrswende richtig
nutzen
Die Digitalisierung bietet große Chancen, Klimaschutz und Mobilität gerade im
ländlichen Raum zusammenzubringen – vorausgesetzt, wir setzen sie richtig ein.
Wichtig ist, dass Bus und Bahn das Herzstück der vernetzten, digitalen Mobilität
bilden – sonst führt die Digitalisierung schnell zu mehr statt weniger privatem,
motorisierten Verkehr. Mobilitätsplattformen der öffentlichen Hand stellen Bus
und Bahn ins Zentrum der vernetzen Mobilität und gewährleisten Datenschutz und
Datensparsamkeit. Private Anbieter sollen verpflichtet werden, Schnittstellen zu
diesen öffentlichen Plattformen bereitzustellen. Voraussetzung für eine solche
Mobilität der Zukunft ist ein starkes 5G-Netz. Nicht zuletzt eröffnet uns die
Digitalisierung neue Möglichkeiten, Wege zur Arbeit oder Dienstreisen durch
Homeoffice zu vermeiden.
4. Emissionsfreier Verkehr in 30 Pionierstädten
Unsere Städte und Gemeinden sind der Ort, an denen Verkehrswende stattfindet.
Kommunen sind die wichtigsten Player, wenn es um die Gestaltung von Verkehr
geht. In den Rat- und Kreishäusern im ganzen Land setzen wir GRÜNE uns dafür
ein, die Verkehrswende vor Ort gelingt. Dafür brauchen Kommunen insgesamt mehr
Unterstützung von Bund und Land.
Die Verkehrs- und Antriebswende braucht Pioniere, die zeigen, welche
Lebensqualität durch eine Neuaufteilung des öffentlichen Raums und alternative
Antriebe entsteht. Wir wollen, dass nach niederländischem Vorbild die 30 größten
nordrhein-westfälischen Städte emissionsfrei werden. Dafür fördern wir den
emissionsfreien und schnellen Nahverkehr und bauen breite Radwege in sehr guter
Qualität.
4.1 Stadt der kurzen und sicheren Wege
Eine wichtige Rolle spielt das Zufußgehen. Es ist nicht nur gesund,
umweltfreundlich und kostenlos – um mehr Fußverkehr zu fördern, braucht es auch
keine aufwändige technische Infrastruktur oder immense zusätzliche Flächen. Wir
sorgen dafür, dass das Land die Kommunen unterstützt, fußgänger*innenfreundlich
zu werden – etwa mit Mitteln für Fußverkehrsbeauftragte oder -konzepte. Wir
schaffen mehr Platz für Fußgänger*innen und spielende Kinder – auch durch
autofreie Gebiete oder shared spaces. Wir sorgen dafür, dass Bürgersteige und
Plätze zum Austausch und Verweilen einladen, weil sie geräumig sind, und nicht
von parkenden Fahrzeugen oder Mülltonnen verstellt werden. Wir sorgen für
sichere Überquerungen und barrierefreie Wege für Fußgänger*innen.
Schrittweise wird Parkraum nur noch für emissionsfreie Autos bereitgestellt und
insgesamt reduziert. In den städtischen Bereichen mit hohem Parkdruck sollen
flächendeckend Parkraumbewirtschaftungskonzepte aufgestellt werden, welche
örtlich angepasste Regelungen vorsehen. Dabei soll der Preis für die
Inanspruchnahme öffentlicher Flächen (als Parkgebühren oder für Bewohnerparken)
stärker den realen Wert dieses knappen öffentlichen Gutes widerspiegeln. Wir
setzen uns in den Städten für den Bau von Quartiersgaragen als Alternative zum
Parken im öffentlichen Raum ein. Die bauordnungsrechtlichen Regelungen für
Stellplätze wollen wir lokal so anpassen, dass in verdichteten Bereichen eher
Raum zum Wohnen und Leben entsteht als für das Abstellen von Kraftfahrzeugen.
Falschparken auf Gehwegen muss stärker geahndet werden. Zusammen mit mehr
Umweltspuren und komfortablem und gut vernetztem Carsharing wird das dazu
führen, dass deutlich weniger PKW pro Einwohner*in als heute in den Städten
stehen und fahren – einfach, weil die meisten Leute bequemer und schneller
autofrei unterwegs sind, sofern man nicht allzu viel transportieren muss oder
komplizierte Wege hat. Unser Ziel ist es, die Zahl der PKW pro Einwohner*in
jedes Jahrzehnt um ein Drittel zu senken, so dass wir 2050 bei den vom
Umweltbundesamt empfohlenen 150 PKW pro 1000 Einwohner*in stehen. Dadurch
entsteht auch mehr Platz fürs Leben in unseren Städten.
5. Zeit für echte Planungsbeschleunigung und -
vereinfachung
Planungs- und Genehmigungsverfahren im Bereich der Verkehrsinfrastruktur dauern
zu lange. Noch immer liegen zwischen Planung und Baufreigabe von Projekten oft
viele Jahre, mitunter sogar Jahrzehnte. Insbesondere dem Klimaschutz dienliche
Projekte müssen schneller und effizienter umgesetzt werden können. Wir GRÜNE
wollen neue Wege finden, frühe Bürgerbeteiligung, transparente Planung und
Natur- und Umweltbelange mit schnelleren Planungsprozessen zusammenzubringen.
Dabei ist ein entscheidender Faktor ausreichendes Fachpersonal bei den Planungs-
und Genehmigungsbehörden. Eine vom Landesparteirat eingesetzte Fachgruppe aus
Landesvorstand, LAG Ökologie, parteiinternen Expert*innen und externen
Expert*innen erarbeitet im Frühjahr 2021 ein Konzept für eine moderne und
wirkungsvolle Umweltverwaltung, die auch die Frage der Planungsbeschleunigung
umfasst.
6. Verkehrswende braucht Kommunikation und neue
Mobilitätsroutinen
Die Verkehrswende erreichen wir nicht allein durch neue Verkehrsplanung. Die
neuen Angebote müssen von den Benutzer*innen auch angenommen werden. Der
Schlüssel dafür ist Kommunikation, die die Akzeptanz der Maßnahmen in der
Bevölkerung und Wirtschaft erhöht, aber auch Entscheider*innen und die
Planungsbehörden unterstützt, die unterschiedlichen Maßnahmen umzusetzen. Für
die Entwicklung einer Kommunikationsstrategie im Land und in den einzelnen
Kommunen werden wir die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen.
Um die bisherigen Mobilitätsroutinen zu durchbrechen und neue Routinen zu
schaffen, fördern wir zielgruppenspezifisches und standortbezogenes
Mobilitätsmanagement . Hierzu zählen Maßnahmen in Betrieben und großen
Bürostandorten, in Schulen und Wohnquartieren sowie die Förderung von
Neubürger*innen-Informationen in den Kommunen. Wie wir uns im Kindes- und
Jugendalter bewegen, ist prägend für das weitere Leben. Daher fördern wir das
Zufußgehen und Fahrradfahren mithilfe sicherer Schul- und Freizeitwege. Das Land
muss die Kommunen bei dieser wichtigen Aufgabe unterstützen.
7. Straßen: Erhalt vor Neubau und
Klimamoratorium
Autos werden auch in Zukunft eine Säule des Verkehrsmixes bilden – gerade im
ländlichen Raum. Das Auto der Zukunft wird ohne Verbrennungsmotor betrieben, es
kann autonom fahren und es wird geteilt – durch app-gestützte private
Mitfahrangebote, Carsharing oder Pooling. Klar ist aber auch: Insgesamt wird es
deutlich weniger Autoverkehr geben. Unsere Infrastruktur muss daran angepasst
werden. Ohnehin ist NRW bereits dicht mit Straßen durchzogen. Unsere Straßen,
Brücken und Tunnel sind allerdings vielerorts sanierungsbedürftig.
Die schwarz-gelbe Landesregierung hat für dieses Haushaltsjahr die Mittel für
den Landesstraßenneubau um weitere fünf Millionen Euro auf 62 Millionen Euro
erhöht. Dies sind über 30 Millionen Euro mehr als im letzten rot-grünen
Haushalt, obwohl das Landesstraßennetz eigentlich fertig gebaut ist. Der Neu-
und Ausbau von Straßen und Autobahnen bis teilweise in die 2030er Jahre hinein
ist klimapolitisch das völlig falsche Signal, weil klar ist, dass die Zukunft in
der öffentlichen und geteilten Mobilität liegt. NRW braucht deshalb eine
Richtungsentscheidung: Das Geld, das das Land für Straßen noch ausgibt, muss in
Erhalt und Sanierung gehen. Marode Straßen und Brücken zu sanieren ist
wichtiger, als Spatenstiche zu feiern. Wir wollen eine Klima-Überprüfung und ein
Moratorium für alle geplanten Neu- und Ausbauvorhaben. Alle Vorhaben, die zu
einem weiteren Aus- und Neubau der Straßeninfrastruktur in NRW führen, müssen
auf Notwendigkeit und Nachhaltigkeit überprüft werden. Der bestehende
Bundesverkehrswegeplan (BVWP) muss revidiert werden. Wir brauchen einen neuen
Bundesmobilitätsplan, der alle Verkehrsträger zusammen denkt und mit den Klima-
sowie Verkehrsverlagerungszielen überstimmt. Ein Moratorium für noch nicht mit
der Planung begonnene oder sich erst im Vorplanungsstadium befindliche Projekte
des BVWPs 2030 und des Landesstraßenbedarfsplans ist notwendig. Auf Landesebene
wollen wir den Landesstraßenbedarfsplan endlich neu aufstellen und die Neu- und
Ausbauvorhaben massiv reduzieren. Wir setzen uns zudem dafür ein, verstärkt
Bundes- und Landesstraßen, die keine bundes- oder landesweite Verkehrsbedeutung
haben, bei Zahlung eines einmaligen Ausgleichs abzustufen, damit hier für
Kommunen nicht falsche Anreize dadurch entstehen, dass die Kosten lokaler
Autoverkehre durch Bund und Land gedeckt werden. Straßen NRW muss auf
Nachhaltigkeitsziele verpflichtet werden, dazu gehört auch, den Straßen-Verkehr
ingesamt zu reduzieren.
7.1 Bundesverkehrswegeplan: Stopp der Mega-Autobahn-Ausbauten und Neuplanung für
Schiene und Rad
Der von Union und SPD im Jahr 2016 im Bundestag beschlossene
Bundesverkehrswegeplan 2030 enthält zahllose Neu- und Ausbauprojekte an
Bundesautobahnen und -straßen. Schon heute werden 20 Prozent aller
Fahrleistungen Deutschlands in NRW erbracht. In der Summe stehen die Ausbaupläne
des Bundesverkehrswegeplans Klimaschutzzielen diametral entgegen und vereiteln
eine konsequente Verkehrswende.
Auf den Straßenneu- und Ausbau folgt nicht nur zusätzlicher Autoverkehr und
weitere CO2-Emmissionen, es werden auch unzählige Hektar Land, Wald und
Offenflächen, zerstört. Wertvolle Biotope werden vernichtet und Wohnhäuser
werden den Straßen weichen müssen, nachdem ihre Bewohner*innen enteignet und
vertrieben worden sind. Nach der Inbetriebnahme oder Erweiterung sind die
Straßen und Autobahnen dann eine erhebliche Lärm- und Schadstoffbelastung für
Anwohner*innen.
Die den Planungen zugrundeliegenden Verkehrsprognosen für die kommenden Jahre
gehen von einem starken Wachstum des Auto- und Güterverkehrs auf den Straßen
NRWs aus. Wir GRÜNE halten es jedoch für falsch, in Zeiten der Klimakrise dieser
Herausforderung mit dem (Aus-)bau weiterer Straßen zu begegnen. Deshalb fordern
wir eine grundlegende Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans, um ihn an die
Ziele einer Verkehrswende anzupassen. Dazu gehört auch einen Umschichtung der
Haushaltsmittel weg vom Straßen- hin zum Schienen und Radwegebau, so dass
Straßen(aus)bauprojekte gestoppt werden können.
Durch NRW zieht sich bereits heute ein dichtes Netz von Straßen und Autobahnen,
welches durch fast 300 Projekte des Bundesverkehrswegeplans, noch dichter würde.
Die Belastung für unser Bundesland mit rund 18 Mio. Einwohner*innen nimmt dabei
zu.
Die meisten Großstädte und Landesteile, und damit der Großteil der Bürger*innen
NRWs, sind dabei unmittelbar von diesen Fernstraßen-Planungen betroffen. Dazu
gehören u.a. die weitläufigen Ausbaustrecken wie bspw. die A1 von Münster bis
Kamen, in Leverkusen und in der Eifel oder die A3 zwischen Leverkusen und
Oberhausen sowie die A40 mitten durch das Ruhrgebiet. In der Region Köln-Bonn
stehen mit der geplanten neuen Autobahnbrücke Rheinspange 553, dem Ausbau der A4
und der Diskussion über einen Abriss und Neubau der Rodenkirchener Brücke sowie
dem Ausbau der A565 in Bonn ("Tausendfüßler") gleich drei Projekte auf der
Agenda. Mitten durch die Ruhr-Großstädte Essen und Duisburg sollen die A52 und
die A59 ausgebaut werden, in Wesel die B8 neugebaut werden. Aber auch ländliche
Regionen wie das Sauerland, wo die A49 weitergebaut werden soll, sind betroffen.
Und diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Für uns GRÜNE ist klar, dass
diese Projekte nicht zukunftsfähig sind und im Sinne einer grünen Verkehrswende
dringend auf den Prüfstand gehören.
7.3 Inner- und außerörtlich: neue Regelgeschwindigkeiten einführen
Wir GRÜNE in NRW sind zuversichtlich, dass wir die langjährige Forderung nach
einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen bald endlich in die Tat umsetzen
können. Inzwischen existiert eine große gesellschaftliche Mehrheit für ein
Tempolimit, weil es zu mehr Sicherheit, weniger Verkehrstoten, mehr Klimaschutz
und weniger Staus führt. Wir drängen die Landesregierung, ein Tempolimit im Bund
anzustoßen und zu unterstützen und bis zur flächendeckenden Einführung
entsprechende Modellversuche auf Autobahnen in NRW zu starten. Innerorts setzen
wir uns für Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit ein, auf Landstraßen für Tempo 80.
8. Lärmschutz
Lärm stresst und macht krank. Insbesondere der Verkehrslärm von Straßen,
Schienen und Flugzeugen schränkt die Lebensqualität vieler Bürgerinnen und
Bürgern erheblich ein.
Bisher haben Menschen an Bestandsstrecken keinen Anspruch auf Lärmschutz - das
wollen wir ändern. Lärm muss verkehrsträgerübergreifend beurteilt werden.
Lärmschutzmaßnahmen müssen sich an Maximalpegeln statt wie bisher an
Durchschnittswerten orientieren.
Am besten ist es, den Lärm direkt an der Quelle abzustellen – also an den Fahr-
und Flugzeugen. Wir wollen daher Vorfahrt für aktiven Lärmschutz bei Schienen-,
Flug- und Straßenverkehr. Außerdem brauchen wir Fahrzeuge, die weniger Lärm
verursachen. Die Kommunen benötigen einen größeren Ermessens- und
Entscheidungsspielraum, um Geschwindigkeiten anzupassen.
Zusätzlich muss der Lärmschutz verstärkt werden. Wir treten dafür ein, dass ein
Rechtsanspruch auf Lärmvorsorge nicht nur für den Aus- und Neubau von Straßen
und Schienenwegen gilt. Auch an bestehenden Straßen und Schienenwegen brauchen
wir einen Rechtsanspruch auf Lärmschutz statt Lärmsanierung nur nach Kassenlage.
9. Für eine Antriebswende: E-Mobilität und
Ladeinfrastruktur ausbauen
PKW mit Batterie- und Nutzfahrzeuge mit Batterie- oder Wasserstoffantrieb sind
ein weiterer Baustein der Verkehrs- und Klimawende. Zwingende Voraussetzung für
klimafreundliche E-Mobilität ist aber, dass die Energiewende massiv
vorangetrieben wird. Hier fordern wir GRÜNE in NRW endlich einen
Richtungswechsel von Bundes- und Landesregierung.
Wir setzen uns weiterhin dafür ein, dass Deutschland, wie viele europäische
Länder auch, ein festes Datum als Zulassungsende für Verbrennungsmotoren
beschließt – wie es beispielsweise die Niederlande ab dem Jahr 2030 tun. Autos
müssen konsquent nach CO2-Ausstoß besteuert werden. Außerdem braucht es ein
klares Bekenntnis von Bund, Land und Kommunen zum Ausbau der Ladeinfrastruktur.
Wo Parkraum verbleibt, soll er voranging für E-Autos genutzt werden.
Synthetische Kraftstoffe für den Verbrennungsmotor, wie sie die deutschen
Autohersteller und die Mineralölindustrie noch erträumen, bieten keine
Perspektive. Sie erfordern sechsmal mehr Energie für den gefahrenen Kilometer
als beim batterieelektrischen Antrieb. Auch Wasserstoff ist eine begrenzte
Ressource, die nur zum Klimaschutz beitragen kann, wenn sie aus Erneuerbaren
gewonnen werden kann. Diese begrenzte Ressource soll den Schwerlast- und
Nutzfahrzeugen vorbehalten sein. Wo immer es möglich ist, sollte also Strom
direkt mit Hilfe von Batterien oder Oberleitungen genutzt werden. Nur wenn dies
nicht oder schwer möglich ist sollte Wasserstoff, und nur dort, wo extrem hohe
Energiedichten benötigt werden, sollten synthetische Kraftstoffe zum Einsatz
kommen.
Nicht das Stromnetz sondern die Ladeinfrastruktur bremst aktuell den Ausbau der
Elektromobilität im Automobilbereich. Bis zum Jahr 2030 sollen sieben bis zehn
Millionen Elektro-PKW in Deutschland verkehren und ein Drittel der leichten und
schweren Nutzfahrzeuge sollen auch batterieelektrisch oder mit Wasserstoff
angetrieben werden. Hierzu braucht es nicht nur die geplanten eine Million
öffentlichen Ladepunkte, sondern zu Hause und am Arbeitsplatz braucht es
ausreichend Ladeinfrastruktur. 80 Prozent der Ladevorgänge finden dort statt.
Hier müssen die Schwerpunkte beim Ladeinfrastrukturausbau liegen.
Um den Aufbau privater Ladestationen anzukurbeln, reicht es bei Weitem nicht aus
– wie aktuell von der Bundesregierung vorgelegt –, nur die Mindestvorgaben der
EU-Richtlinie umzusetzen. Bei neuen und umfangreich sanierten Gebäuden müssen
deutlich mehr Lademöglichkeiten vorgegeben werden. Der Schwellenwert von derzeit
zehn Parkplätzen muss gesenkt werden, damit die Regelung nicht nur bei großen
Neubauprojekten greift. Auch die pauschale Ausnahme von unternehmenseigenen
Gebäuden hemmt den Durchbruch der Elektromobilität. Besonders in gewerblichen
Flotten gibt es große Potentiale für E-Autos - hier sollte Beratung und
Förderung vorrangig ansetzen.
10. Nachhaltige Mobilität braucht nachhaltige
Raumentwicklung
Für das Verkehrsgeschehen sind die räumlichen Ausgangsbedingungen von
entscheidender Bedeutung. Wenn bauliche Entwicklung abseits von ÖPNV-Achsen oder
Radverbindungen stattfindet, ist das die Grundlage für verstärkte Pkw-Nutzung.
Daher wollen wir, dass neue Siedlungsbereiche und Gewerbegebiete in der Regel
nur dort geplant werden, wo eine gute Anbindung an den Öffentlichen Verkehr und
Radwegeverbindungen gegeben ist oder hergestellt werden kann. In den ländlichen
Räumen ist der Schwerpunkt der Siedlungsentwicklung auf zentrale Orte zu legen.
Dies soll in den Raumordnungsplänen und Flächennutzungsplänen sowie in
einschlägigen Förderprogrammen verstärkt verankert werden.
Mit den Vorteilen der Antriebswende für die Gesundung der europäischen Umwelt
verbessert sich nichts an den schlimmen Verhältnissen bei der Beschaffung
mancher Rohstoffe, z.B. Lithium, Kobalt, Seltene Erden, Graphit, Nickel, Kupfer,
Mangan, Aluminium. Deshalb wollen wir GRÜNE auch eine Rohstoffwende, die mit EU-
Maßnahmen zur Einhaltung umwelt- und menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten in
den Lieferketten einhergeht. Denn unser Wohlstand darf nicht auf Zwangsarbeit,
Sklaverei, Vertreibungen und anderen untragbaren Verhältnissen in den
Ursprungsländern aufgebaut werden.
11. Zukunft des Güterverkehrs
Einen großen Teil unseres Verkehrs macht der Güterverkehr aus. Das grüne Ziel
ist: Mehr Güter auf die Schiene und die Wasserstraße! Im Green Deal bekennt sich
auch die EU klar dazu. 75 Prozent des Güterbinnenverkehrs, der aktuell auf der
Straße stattfindet, soll auf die Bahn oder das Schiff verlagert werden.
Deutschland ist da in seinen Zielen leider zurückhaltender: Auf zwölf Prozent
soll der Anteil der Binnenschifffahrt am Güterverkehr steigen, der Anteil des
Schienengüterverkehrs auf 25 Prozent.
Wir GRÜNE wollen, dass sich endlich mehr auf Wasser und Schiene bewegt. Wir
setzen uns für die Reaktivierung alter Gleisanschlüsse für die Industrie ein.
Wir schaffen Förderprogramme für multimodale Verkehre, damit vorhandene Technik
den Warenumschlag und Einzelverkehre günstiger und nachhaltiger macht. Die
Digitalisierung macht hier vieles möglich. Eine Mautbefreiung für kombinierte
Verkehre rund 50km um Häfen und Güterbahnhöfe kostet nicht viel, ermöglicht
aber, dass sich Multimodalität im Güterverkehr rechnet. Dies ist gut für das
Klima und die Personalnot im Logistikgewerbe. Darüber hinaus sind die sozialen
Regeln des EU-Mobilitätspaketes eine Chance für die Logistik. Verbesserungen in
Sachen Lenk- und Ruhezeiten für die Fahrer*innen begrüßen wir. Das
Kabinenschlafverbot wird Liniendienste im LKW-Verkehr befördern und die
Nachfrage nach stadtnahen Logistikflächen erhöhen. Dies ist die Gelegenheit mit
der Logistikbranche an nachhaltigen Logistikketten zu Wir schaffen
Förderprogramme für Schiffs- und Bahntransporte, die im Wettbewerb gegen LKW-
Frachtführer benachteiligt sind. Wir möchten mit der Logistikbranche an
nachhaltigen Logistikketten arbeiten, zu denen auch die unterirdische Röhrenpost
für Paletten in den Städten und alternative Antriebe gehören. Batterie-LKWs
fahren schon auf NRWs Straßen. Brennstoff-LKW werden derzeit entwickelt und Gas-
LKW werden in Serie hergestellt. Wir brauchen alle Antriebe, um den
Straßengüterverkehr zu dekarbonisieren.
12. Kluge Citylogistik, Einzelhandel online
verknüpfen
30 Prozent unserer Wege legten wir vor der Pandemie fürs Einkaufen oder
Erledigungen zurück - fast so viel wie wir für Beruf und Ausbildung unterwegs
sind. Hinzu kommt der Online-Handel, der ebenfalls für Verkehr und Emissionen
sorgt – und in der Corona-Krise kräftig wächst. Dabei können Online-Handel und
Zulieferer unsere Einkäufe emissionssparender machen. Aktuell scheitert das vor
allem daran, dass Haushalte mehrfach angefahren werden müssen, viel retourniert
wird und eine zweite Infrastruktur neben dem Einzelhandel existiert.
Wir sorgen dafür, dass Wege verringert werden und Einkaufen im Laden mit Online-
Shopping verzahnt wird. Bis 2030 soll jeder Haushalt Anschluss zu Anlieferboxen
haben, um mehrfache Zuliefer-Fahrten zu verhindern. Retouren dürfen nicht mehr
kostenlos sein. Lieferfahrzeuge müssen emissionsfrei fahren. Unsere
Einzelhandelsstraßen müssen online gehen, das zeigt auch gerade die Corona-
Krise, die zu einer weiteren Konzentration auf Online-Handelsgiganten führt.
Schon jetzt unterstützt das Land auf grüne Initiative hin, Einkaufsstraßen mit
dem Online-Handel zu verknüpfen. Der lokale Einzelhandel muss unsere erste
Adresse beim Onlineshoppen werden, dafür muss er sich entsprechend verknüpfen.
Und viele Lieferungen auf der letzten Meile können mit dem Lastenrad erfolgen.
Dafür fördern wir eine kluge Citylogistik, bei der die Lieferdienste miteinander
kooperieren.
13. Flugverkehr reduzieren und emissionsärmer
und leiser machen
Flugverkehr - für Personen und Güter - ist ein Bestandteil gesellschaftlicher
Mobilität. Gleichzeitig stellen Lärm und Emissionen eine starke Belastung für
Mensch und Umwelt dar. Der Flugverkehr hat von allen Verkehrsarten die
schlechteste Klimabilanz und ist die am schnellsten wachsende
Treibhausgasquelle.
Grüne Flugverkehrspolitik basiert auf einem Vierklang: Den Flugverkehr insgesamt
verringern, einen großen Teil des verbleibenden Flugverkehrs durch
klimafreundliche Fortbewegungsmittel ersetzen; den notwendigen Flugverkehr
emissionsärmer machen; und schließlich den Lärm reduzieren. Für uns ist klar: In
einer globalisierten Welt brauchen wir Flugverkehr weiterhin, aber in einem viel
geringerem Umfang. Wir kämpfen gegen die Klimakrise und Fluglärm, und nicht
gegen den Luftverkehr an sich.
Gleichzeitig wollen und können wir beim Flugverkehr nicht auf die
Wachstumserwartungen vor der Corona-Krise zurückkehren. Viele Flugreisen können
künftig durch digitale Zusammenarbeit ergänzt und teilweise sogar ersetzt
werden. Auch den Trend zu regionalem Tourismus in Corona-Zeiten gilt es zu
verstetigen. Auf Kurz- und Mittelstrecken wollen wir erreichen, dass Personen-
und Güterverkehr künftig durch umweltfreundlichere Formen der Mobilität wie die
Bahn abgewickelt werden und die Emissionen und Umweltbelastungen der Branche
nachhaltig sinken.
Vor der Corona-Krise wurde eine Verdopplung der Flugpassagiere bis zum Jahr 2040
vorhergesagt. Mit der aktuellen Effizienzsteigerung von ein Prozent im
Luftverkehr ist klar, dass der Flugsektor bei dieser Entwicklung nicht
klimaneutral werden kann. Deshalb ist es so wichtig, Alternativen zum Fliegen zu
fördern: Flugstrecken unter 500 km müssen bis 2035 komplett durch Bahnreisen
ersetzt werden. Ein Ausbau des Schienennetzes muss prioritär erfolgen, um die
Fahrzeit zwischen möglichst vielen Orten auf max. vier Stunden zu senken und um
die Kapazität und die Verlässlichkeit zu steigern. Außerdem fordern wir die
Reaktivierung der europäischen Nachtzugstrecken.
NRW hat als Bundesland mit der höchsten Flughafendichte die Verantwortung, die
Weichen für einen nachhaltigen Luftverkehr zu stellen. An keinem NRW-Flughafen
ist ein weiterer Ausbau verkehrspolitisch erforderlich und klimapolitisch
vertretbar. Für defizitäre Flughäfen soll es weder von Seite des Landes noch der
Kommunen öffentliche Zuschüsse geben. Es ist absehbar, dass sie in ihrer
derzeitigen Form keine Zukunft haben. Wir lassen die betroffenen
Arbeitnehmer*innen nicht allein und unterstützen die Kommunen bei der
Entwicklung kluger Nachnutzungskonzepte.
Flugzeugbauer, Fluggesellschaften sowie Flughäfen können viel dafür tun, den
Luftverkehr klimaneutral und leiser zu machen. Forschungen zeigen, dass
batterieelektrische Flugzeuge mit vielen Rotoren leiser und klimaneutral sein
können. Neue Antriebskonzepte, synthetische Kraftstoffe und neue direkte
Flugrouten können dazu beitragen, den Flugverkehr klimaneutral zu machen. Wir
brauchen den Single-European-Sky, Konzepte für Direktflüge mit Batterien und
Brennstoffzellen und Schritt für Schritt wachsende Beimischquoten für mit
erneuerbaren Energien hergestelltes synthetisches Kerosin, damit auch der
Flugverkehr zur Erreichung der Klimaschutzziele beiträgt. Damit dies gelingt,
ist eine Flugkerosinbesteuerung dringend erforderlich.
Um die Belastung durch Fluglärm zu reduzieren, setzen wir auf mehr finanzielle
Anreize für lärmarme Technologien (lärmabhängige Entgelte an den NRW-Flughäfen).
Wir drängen auf eine strengere Handhabe bei den bestehenden Nachtrandzeiten und
Nachtflugverboten. Der einzige Flughafen mit nennenswertem Nachtflugverkehr ist
Köln/Bonn. Nächtliche Passagierflüge sind auch für die Passagiere nicht
komfortabel. Wir wollen, dass es eine neue Betriebsgenehmigung für den Flughafen
Köln/Bonn nur ohne nächtliche Passagierflüge gibt.