Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz 29./30. Juni 2024 in Oberhausen |
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Tagesordnungspunkt: | 9. Verschiedenes |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 29.06.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Körperliche und reproduktive Selbstbestimmung endlich umsetzen: Paragraf 218 StGB streichen!
Beschlusstext
Die Bundesregierung hat eine Kommission damit beauftragt, Vorschläge für eine
zukünftige rechtliche Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen zu erarbeiten.
Mitte April hat diese Kommission aus unabhängigen Expert*innen aus verschiedenen
Fachbereichen die einstimmige Empfehlung abgegeben, dass
Schwangerschaftsabbrüche in der Frühphase der Schwangerschaft rechtmäßig sein
sollten und für Abbrüche in der mittleren Phase der Schwangerschaft dem
Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zustehe, der einen Regulierungsrahmen
schaffe. Außerdem sollten wie bisher Ausnahmeregelungen in der gesamten
Schwangerschaft vorgesehen sein, zum Beispiel bei einer Gesundheitsgefahr der
Schwangeren. Durch diesen umfangreichen Bericht der Kommission und diese
einstimmige Empfehlung, liegt es nun an der Politik die nötigen rechtlichen
Schritte einzuleiten.
Wir Grüne stellen uns seit jeher gegen die Kriminalisierung von Frauen und allen
gebärfähigen Menschen, die einen Schwangerschaftsabbruch brauchen sowie den
Ärzt*innen, die Abbrüche durchführen und darüber informieren. Die Streichung des
Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch ist eine fundamentale Forderung der
Frauenbewegungen. Der Bericht zeigt eindrücklich, dass eine Streichung wichtig
für die reproduktive Selbstbestimmung von Frauen und darüber hinaus auch
rechtlich geboten ist. Denn die Regelung ist verfassungsrechtlich,
völkerrechtlich sowie europarechtlich falsch. Sie führt zu einer Stigmatisierung
von Schwangeren und Ärzt*innen und verschlechtert durch den so entstehenden
Druck auf die Ärzt*innen die Versorgungslage für Betroffene.
Als legale Behandlung können Abtreibungen endlich ins Kurrikulum der
Gynäkolog*innenausbildung einbezogen werden. Auch würde die Möglichkeit
geschaffen, den Abbruch und damit zusammenhängende Behandlungskosten über die
Krankenkassen abzurechnen. Gleichzeitig ist es wichtig, die überholte
Beratungspflicht für Schwangere fallen zu lassen und einen Rechtsanspruch auf
Beratung mit der Pflicht des Staates, ein Angebot vorzuhalten, gesetzlich zu
verankern.
Frauenrechte in Gesellschaften sind immer ein Gradmesser für deren Demokratie.
Gerade jetzt, wo Schwangerschaftsabbrüche in nationalistischen Ländern im
Kreuzfeuer stehen, gerade jetzt, wo die Expert*innen einer Meinung sind, ist die
Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ein dringend gebotenes Zeichen für
Demokratie und Frauenrechte.
In den vergangenen Jahrzehnten gab es in der Bundesrepublik immer wieder eine
gesellschaftliche Debatte. Und im Ergebnis wünscht sich die Mehrheit der
Menschen eine Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Frauen aus der
ehemaligen DDR wünschen sich endlich die reproduktiven Rechte zurück, die sie
bereits hatten. Und Frankreich zeigt,
wie es gehen kann: Dort wurde das Recht auf den Zugang zu sicheren
Schwangerschaftsabbrüchen unlängst in der Verfassung verankert.
Auch in Deutschland ist die alte Forderung der Frauenbewegung längst überfällig:
Schwangerschaftsabbrüche in den ersten zwölf Wochen zu legalisieren und für
Schwangerschaftsabbrüche in der mittleren und späten Phase der Schwangerschaft
eine angemessene Regelung zu finden.
Wir haben als Regierungsfraktion auf Bundesebene die historische Chance, mit SPD
und FDP diese überfällige Reform umzusetzen. Unsere Koalitionspartner*innen im
Bund müssen jetzt den Kommissionsbericht ernst nehmen und die
Entkriminalisierung zeitnah mit uns auf den Weg bringen. Wir Grüne appellieren
an FDP-Bundesjustizminister Buschmann, zeitnah einen entsprechenden
Gesetzesentwurf vorzulegen.
Denn wer es mit dem Recht auf körperliche und reproduktive Selbstbestimmung, mit
der liberalen Gesellschaft und Freiheit ernst meint, hat mit dem
Kommissionsbericht jetzt eine gute Grundlage, um endlich zu handeln!