Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz 10.-12. Dezember 2021 in Siegen |
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Tagesordnungspunkt: | 3. Programm zur Landtagswahl 2022 |
Status: | Beschluss (vorläufig) |
Beschluss durch: | LDK Siegen |
Eingereicht: | 11.12.2021, 11:46 |
Antragshistorie: | Version 1 |
4 - Solidarität sichern
Text
Mit der Pandemie und dem verheerenden Hochwasser im letzten Sommer haben wir neu
zu schätzen gelernt, was unsere Gesellschaft stark macht: Verantwortung
füreinander übernehmen und Gemeinsinn leben über Grenzen hinweg. So stark unser
Streben nach individueller Freiheit und dem persönlichen Glück ist – so sehr
brauchen wir auch unsere Mitmenschen und den sozialen Zusammenhalt, um uns zu
entfalten. Das gilt besonders in Phasen des Umbruches. Diese Erfahrung ist für
NRW nicht neu, hier standen die Menschen schon oft zusammen. Jetzt geht es um
eine neue Politik, die aus dem “Wir” Wirklichkeit macht.
Ein solidarisches, inklusivesund lebenswertes NRW – das ist ein Ort, an dem kein
Mensch in Armut leben muss. Ein Ort, an dem man von der eigenen Arbeit leben und
eine Familie versorgen kann. Ein Land, in dem jede*r eine Chance auf dem
Arbeitsmarkt bekommt, auch ein zweites oder drittes Mal. Ein Land ohne
Barrieren, in dem alle Menschen mit oder ohne Beeinträchtigung gemeinsam Leben
und teilhaben können. In dem die Mieten bezahlbar sind und auch in ländlichen
Regionen der Supermarkt, die Ärztin oder die Apotheke vor Ort erreichbar sind.
Unser Gesundheitssystem ist im internationalen Vergleich gut aufgestellt. Doch
es ist nicht gut genug, solange diejenigen, die für die Gesundheit anderer
arbeiten, selbst dabei krank werden weil es in Teilen zu Überlastung und
Unterversorgung kommt. Wir streiten für ein Gesundheitssystem, das den Menschen
in den Mittelpunkt stellt. Ob der Notarzt rechtzeitig ankommt, man eine wichtige
Vorsorgeuntersuchung erhält oder man würdevoll gepflegt wird, darf nicht vom
Wohnort, der Herkunft oder der Lebenslage abhängen. Das Recht auf Gesundheit
gilt für alle gleichermaßen, unabhängig vom Versicherungsstatus.
Wo wir zusammentreffen, entsteht Gemeinschaft. Gerade eine vielfältige
Gesellschaft braucht Räume, in denen sich die Menschen begegnen, austauschen und
so zusammenwachsen. Das geschieht in öffentlichen Schwimmbädern, Büchereien und
auf öffentlichen Plätzen. Um dieses gemeinsame Eigentum aller Bürger*innen ist
es in NRW vielerorts nicht gut bestellt, besonders in Städten und Gemeinden mit
wenig Geld – also genau dort, wo viele Menschen in Armut leben und Kinder und
Jugendliche besondere Unterstützung brauchen. Mancherorts schließt das
Schwimmbad oder das Jugendzentrum, anderswo fährt außer dem Schulbus kein
Nahverkehr oder es fehlt das Geld zur Sanierung eines Marktplatzes. Das sind
Schulden, die nicht in den Büchern stehen, die aber unsere Zukunft schwer
belasten. Wir werden die Städte, Gemeinden und Kreise unterstützen, damit sie
stark für ihre Bürger*innen sein können. Und wir werden alle Kräfte bündeln,
damit NRW in die Zukunft investiert.
Wir arbeiten entschlossen gegen Armut
Armut spürbar reduzieren
Kein Geld für die Waschmaschinenreparatur, entscheiden müssen, ob man lieber
frisches Gemüse kauft oder sich die Busfahrt leistet – all das verursacht Stress
und macht krank. Auf Landesebene können wir die Gründe für Armut nicht restlos
beseitigen – für eine gerechte Steuerpolitik und die Ausgestaltung des
Bürgergelds zur Überwindung des Hartz-IV-Systems ist der Bund zuständig. Aber
gemeinsam mit den Akteuren aus der Wohlfahrtspflege, den Gewerkschaften und
Verbänden, der Wirtschaft, den Kommunen und den Betroffenen wollen wir Armut
spürbar reduzieren. Dabei übernehmen wir Verantwortung: Wir sorgen für gute
Kinderbetreuung, damit Eltern arbeiten können. Wir unterstützen ehemals
Langzeitarbeitslose dabei, wieder dauerhaft in der Arbeitswelt Fuß zu fassen und
wir ermöglichen den kostenlosen Zugang zur Schuldner- und
Verbraucherinsolvenzberatung für alle diejenigen, die Rat suchen. Vor allem
stärken wir den sozialen Wohnungsbau und schaffen bezahlbaren Wohnraum. Viele
Menschen sind arm, obwohl sie arbeiten. Deshalb brauchen wir faire Löhne und
gute Arbeitsbedingungen.
Menschen in prekären Lebensverhältnissen sind von gesellschaftlichen Krisen und
Veränderungen wie der Corona-Pandemie und dem Klimawandel besonders betroffen.
Damit Kommunen besser ganzheitliche Maßnahmen zur Armutsprävention,
Gesundheitsförderung und Klimafolgenanpassung entwickeln können, unterstützt das
Land sie bei der kommunalen Sozial- und Stadtentwicklungsplanung.
Pakt gegen Kinderarmut
In NRW sind besonders viele Minderjährige von Armut betroffen. Es gehört zu
ihrer Lebenswirklichkeit, dass sie Freund*innen nicht nach Hause zum Essen
einladen können oder einen Geburtstag meiden zu müssen, da sie sich kein
Geschenk leisten können. Sind diese alltäglichen Beschränkungen schon schwierig
genug, so gehen die Folgen von Armut noch weit darüber hinaus. Deshalb werden
wir einen „Pakt gegen Kinderarmut“ auflegen, um gemeinsam gegen Kinderarmut zu
kämpfen. Denn Armut hat viele Gesichter. Wir werden die kommunalen
Präventionsketten in NRW flächendeckend ausbauen. So werden wir gemeinsam mit
den Kommunen dafür sorgen, dass sich vor Ort Erzieher*innen, Lehrer*innen,
Ärzt*innen, Sozialpädagog*innen, Verbände und Verwaltung vernetzen, um den
Kindern gut abgestimmte Hilfsangebote zu machen. Durch die Einführung der
Kindergrundsicherung werden finanzielle Mittel bei den von Armut betroffenen
Kindern endlich ankommen. Gemeinsam mit der Bundesregierung werden wir dafür
sorgen, dass die Mittel des Bildungs- und Teilhabepakets von Eltern auch
abgerufen werden. Dafür wirken wir an der Umsetzung des Kinderchancenportals
mit, durch das die Mittel für Kinder einfacher zugänglich sind. Wir stärken
außerdem die Familienberatung und -unterstützung in den Stadtteilen und schaffen
so niedrigschwellige Zugänge für Kinder und Familien.
Hilfe für Jugendliche und junge Erwachsene, die von Armut
betroffen sind
Jugendliche, die in Armut leben, brauchen Angebote, die sie erreichen. Nicht
jede*r schafft es aus eigenem Antrieb, die Vielzahl von Behörden aufzusuchen.
Wir werden Streetwork/Mobile-Jugendarbeit so ausstatten, dass sie die Arbeit in
den am meisten betroffenen Stadtteilen ausbauen können. Eine umfassende Beratung
und Hilfestellung ist notwendig, auch für die so genannten „Careleavers“, also
diejenigen Jugendlichen, die nach ihrer Volljährigkeit die stationäre
Jugendhilfe verlassen. Wir fördern Jugendhäuser, die von Jugendlichen und jungen
Erwachsenen für Freizeitangebote aufgesucht werden. Bei Bedarf vermitteln sie an
geeignete Beratungsangebote. Hierzu zählt vor allem die Jugendberufshilfe. Sie
berät ganzheitlich mit dem Schwerpunkt berufliche Entwicklung, nimmt aber auch
Wohnungsprobleme und psychosoziale Schwierigkeiten in den Blick. Dieses Angebot
wollen wir ausbauen. Wenn ein Leben zu Hause nicht mehr möglich ist, werden wir
Jugendliche vor einem Leben auf der Straße schützen. Hierfür werden wir die
Jugendwohnheime in NRW ausbauen, in denen auch junge Volljährige wohnen dürfen.
Schuldner*innenberatung garantieren – Beratungsstrukturen
optimieren
Wir optimieren die Schuldner*innenberatung und reagieren damit auf die Folgen
der Corona-Krise, in der noch mehr Menschen in eine prekäre finanzielle Lage
geraten sind. Nur mit kompetenter Beratung können überschuldete Privatpersonen
sich wirtschaftlich und sozial stabilisieren. Diese Hilfe erbringen vor allem
die Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen. Sie unterstützen bei der
Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt, fördern die Eigeninitiative der
Betroffenen und ermöglichen neue Zuversicht und soziale Teilhabe. Für die
Schuldnerberatung sind die Kommunen zuständig, für die
Verbraucherinsolvenzberatung hingegen das Land. Diese unterschiedlichen
Zuständigkeiten verhindern eine effektive Beratung. Wir wollen, dass beide
Beratungsinstrumente besser ineinandergreifen, auch gescheiterte
Gewerbetreibende unterstützen und werden die Trennung schnellstmöglich beenden,
so wie es in anderen Bundesländern bereits geschieht. Die Einleitung eines
Verbraucherinsolvenzverfahrens sollte immer das letzte Mittel sein. Stattdessen
ist es inzwischen zu einem gängigen Verfahren geworden. Dazu tragen auch und
gerade die öffentlichen Gläubiger wie Finanzamt oder Arbeitsagenturen bei.
Außergerichtliche Einigungsversuche unter Beteiligung dieser Gläubigergruppen
kommen meist nicht zustande. Dort, wo das Land Einfluss auf die Gläubiger hat,
ändern wir das. Gemeinsam mit Kommunen, Wohlfahrtsverbänden und
Verbraucherschutzorganisationen entwickeln wir außerdem Qualitätsstandards für
die Arbeit der Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung.
Wir machen Wohnungspolitik für alle
Bezahlbarer Wohnraum in ganz NRW
In vielen Städten und Gemeinden in NRW fehlt es an bezahlbarem Wohnraum.
Insbesondere das untere und mittlere Segment des Wohnungsmarktes ist in den
Ballungsgebieten stark angespannt, so dass es dort zu akuter Wohnungsnot kommt.
Deswegen werden wir alle landesrechtlichen Möglichkeiten nutzen, um im
bestehenden preiswerten Wohnungsbestand Mietpreissteigerungen zu begrenzen und
den Mieterschutz zu stärken. Im letzten Jahrzehnt hat sich die Anzahl der
geförderten Wohnungen nahezu halbiert, da die Mietpreisbindungen für sie
ausgelaufen sind. Dieser Tendenz stellen wir uns entgegen und unterstützen
Kommunen dabei, die Bindungen aufzukaufen, zu verlängern und auch neue Bindungen
zu kaufen. Mieterschutzbestimmungen wie die Mietpreisbremse und die
Kappungsgrenze weiten wir aus, um Mieter*innen vor Luxussanierungen und starken
Mietpreissteigerungen zu schützen. So sichern wir preisgünstigen Wohnraum. In
Gebieten, in denen der Wohnungsmarkt angespannt ist, beschränken wir die
Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen, damit der Wohnraum bezahlbar
bleibt und diejenigen, die in Mietwohnungen wohnen, nicht durch die Umwandlung
in Eigentumswohnungen verdrängt werden.
Außerdem wollen wir die Fördermittel für den Bau von neuen sozialen und
preiswerten Wohnungen erhöhen. Wir sorgen mit attraktiven Zinsbedingungen und
Tilgungsnachlässen für eine Option deutlich längerer Mietpreeisbindungen. Unser
Ziel ist die Schaffung von deutlich mehr günstigen Wohnungen pro Jahr durch
Neubau und Umnutzung. Dazu gehört auch die Förderung von Werkswohnungen zum
Beispiel für die Unterbringung von Pflegekräften.
Hierfür fehlt es den Kommunen an eigenem Grund und Boden. Wir werden sie
rechtlich und finanziell in die Lage versetzen, eine vorsorge Grundstückspolitik
betreiben zu können. Wir sorgen dafür, dass öffentliche Flächen nicht mehr nach
dem Höchstgebot, sondern nach sozialen, inklusiven, städtebaulichen,
ökonomischen und ökologischen Kriterien vergeben werden. Wir bevorzugen
kommunale Wohnungsbaugesellschaften, gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen
und Genossenschaften bei der Vergabe von baureifen Flächen und fördern die
Neugründung von Genossenschaften und Baugruppen. So bleibt die Bodennutzung
langfristig sozial. Die sozialgerechte Bodennutzung soll als Staatsziel in die
Landesverfassung aufgenommen werden. Neue Wohnungen sollen direkt klimaneutral
gebaut und vorhandene modernisiert werden, um Klimaschutz auch im Gebäudebereich
wirksam umzusetzen. Dies soll konsequent gefördert werden und damit sozial
gerecht geschehen. Neben der Förderung von energetischer Modernisierung durch
den Bund werden wir daher die Förderprogramme des landes ausweiten. Auch stärken
wir die Teilhabe und Selbstständigkeit von Menschen mit Behinderungen, indem wir
wieder klare Standards für barrierefreien Wohnraum sowie barrierefreie
Quartiere/Stadtteile in die Landesbauordnung aufnehmen und bei Neubauten
standardmäßig für unter anderem rollstuhlgerechte Wohnungen sorgen. Die
Einhaltung der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet uns dazu,
selbständiges Wohnen mit begleitender Unterstützung und Pflege auch dann zu
ermöglichen, wenn eine Heimunterbringung günstiger wäre.
Wir stehen an der Seite von Mieter*innen, die Angst haben müssen, aus ihren
Quartieren verdrängt zu werden. Deshalb werden wir dafür eintreten, dass die
Kommunen das Instrument der sozialen Erhaltungssatzung schneller, effektiver und
rechtssicher einsetzen können.
Quartiere und Nachbarschaften für alle Generationen
Wir unterstützen Kommunen dabei, ihre Stadtteile so umzugestalten, dass sich
alle Generationen darin wohl fühlen und hier selbstbestimmt leben können. Grüne
Oasen mit fußläufiger Erreichbarkeit für alle, gute Versorgungsstrukturen und
die Möglichkeit, andere Menschen zu treffen, schaffen Lebensqualität und fördern
die Gesundheit. Ältere Menschen und Menschen mit Beeinträchtigungen finden
Versorgungssicherheit sowie jeweils die Unterstützung und Beratung, die zu ihrer
jeweiligen Situation passt.. Kinder können sicher spielen, Jugendliche erhalten
Gestaltungsräume. Plätze und Grünflächen bieten Raum für Begegnung und Erholung.
Barrierefreie Wohnungen, Inklusive Wohnprojekte, Mehrgenerationenwohnen und
ambulante Pflegekonzepte – auch für ehemals wohnungslose Personen – werden
ausgebaut. Die Nachbarschaft für alle Generationen ist fußgängerfreundlich,
barrierefrei und trägt damit zur öffentlichen Gesundheit ("Public Health") bei.
Damit die Kommunen diese und weitere Ideen umsetzen können, schaffen wir ein
einheitliches Förderprogramm “Quartier inklusiv”, das die verschiedenen Bereiche
umfasst. Kommunen, die dem WHO-Netzwerk „Age-friendly cities and communities“
(altersgerechte Stadt und altersgerechte Gemeinde) beitreten wollen, werden
dabei unterstützt. Dadurch werden Senior*innen im Quartier integriert, was
Einsamkeit lindert und auch gesundheitlichen Problemen vorbeugt. Dieses Konzept
muss sowohl in Großstädten, als auch im ländlichen Raum Anwendung finden. Wir
fördern den Einsatz von technischen und digitalen Hilfsmitteln zum Ausgleich von
Beeinträchtigungen und setzen Lots*innen ein, die ältere Menschen befähigen,
digitale Kommunikations- und Informationstechnologien zu nutzen.
Vereinsamung und Armut bestimmen die Lebenssituation vieler älteren Menschen.
Soziale Netze und Treffpunkte, soziale und kulturelle Angebote im Quartier sowie
digitale Vernetzungsstrukturen und Mobilität tragen zur Teilhabe am Leben bei.
Diese werden wir ebenso unterstützen und fördern wie die Arbeit der Selbsthilfe
und Vereine.
Landesinitiative “Mehr Platz zum gemeinsamen Spielen”
Kinder brauchen Bewegung und frische Luft. Damit alle Kinder sich auch außerhalb
der Wohnung mit Freund*innen treffen und ohne Gefahr Roller fahren und Ball
spielen können, brauchen sie Platz und eine anregende und sichere Umgebung. Mit
unserem Förderprogramm “Mehr Platz zum Spielen inklusiv” können Kommunen bereits
bespielbare Flächen (Spielplätze, Parks, Bolz- oder Skateplätze) im öffentlichen
Raum erhalten und barrierefrei für das gemeinsame Spielen von Kindern mit und
ohne Beeinträchtigung ausbauen. Zusätzlich ermöglichen wir, dass Kommunen ihre
Bauprojekte so planen, dass sie Freiräume zum Spielen erhalten und verbessern.
Grundbedingung dabei ist, dass die Kinder und Jugendlichen wesentlichen Einfluss
auf die Planungen haben und sich mindestens genauso beteiligen können wie
Vereine oder (Nachbarschafts-)Initiativen.
Neue Wege gegen Wohnungslosigkeit
Wohnen ist ein Menschenrecht! Dem werden wir in der kommenden Legislaturperiose
Geltung verschaffen, indem Menschen in ihren Wohnungen bleiben können oder
wieder ein Zuhause bekommen. Wir versetzen die Kommunen in die Lage frühzeitig
und effektiv Maßnahmen gegen drohende Wohnunglosigkeit zu ergreifen. Wir stärken
den öffentlich geförderten Wohnungsbau und unterstützen die Kommunen beim Kauf
von Belegungsrechten unter anderem für diejenigen, denen die Zugänge zum freien
Wohnungmarkt erschwert werden. So erreichen wir, dass auch Personen mit geringem
Einkommen und in schwierigen Lebenslagen eine angemessene Wohnung finden.
Mit einem landesweiten Aktionsplan, der bestehende Förderprogramme zusammenführt
und bedarfsgerecht ergänzt tragen wir als Land NRW zum EU-Ziel bei, bis 2030
Obdachlosigkeit zu überwinden. Menschen, die bereits wohnungslos sind, wollen
wir wieder eine dauerhafte, menschenwürdige Unterbringung verschaffen. Gemeinsam
mit ihnen müssen, ausgehend von ihrer jeweiligen aktuellen Lebenslage, Maßnahmen
entwickelt werden, die ihnen den Weg in ein eigenständiges und selbstbestimmtes
Leben ebnet. Dort, wo es noch keine ausreichenden Unterstützungsangebote für
Wohnungslose gibt, bauen wir sie bedarfsgerecht aus. Dazu gehören unter anderem
spezielle Angebote für Frauen, Haustierbesitzer*innen, queere Menschen und
Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Darüber hinaus unterstützen wir
Familien, die wohnungslos geworden sind oder von Wohnungslosigkeit bedroht sind.
Gerade Kinder und Jugendliche brauchen in dieser familiären Notlage Schutz und
Unterstützung. Der Ansatz “Housing first” bedeutet, Wohnungslose, ohne in
Deutschland übliche Vorbedingungen wie “Trainingswohnen”, in eine normale
Wohnung zu vermitteln. Zusätzlich werden persönliche Hilfen angeboten. Dadurch
können sich die Betroffenen stabilisieren und wieder ein selbstbestimmtes Leben
führen. Gerade Frauen bietet dieser Ansatz Schutz vor Gewalt und Ausbeutung, die
sie häufig im Tausch für Übernachtungsmöglichkeiten erfahren. Wir werden
“Housing first” in ganz NRW bedarfsgerecht ausweiten und soziale Träger und
Kommunen dabei unterstützen, geeignete Wohnungen aufzukaufen und z.B. auch für
begleitete selbstverwaltete Wohnprojekte dauerhaft zur Verfügung zu stellen.
Zudem wollen wir für wohnungslose Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf
ein selbstbestimmtes Wohnen in der eigenen Wohnung im Quartier ermöglichen und
unterstützende Wohnprojekte fördern.
Wir sorgen für faire Arbeit und gute Löhne
Sozialen und inklusiven Arbeitsmarkt stärken
Alle Menschen sollen Chancen und Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt bekommen. Wir
unterstützen Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen keine oder nur
geringe Einstiegschancen in den ersten Arbeitsmarkt haben über den sogenannten
„Sozialen Arbeitsmarkt“, so dass sie in Unternehmen wieder Fuß fassen können. Um
die Betroffenen in ihren Lebenssituationen zu stabilisieren und ihnen die nötige
Unterstützung zu geben, setzen wir auf eine staatlich unabhängige
Beratungsstruktur auf Augenhöhe. Die Arbeit der Arbeitslosenzentren und
Erwerbslosenberatungsstellen werden wir bedarfsgerecht weiter finanzieren.
Menschen mit Behinderungen haben deutlich geringere Chancen einen geeigneten
Arbeitsplatz zu finden und tragen daher ein überproportional größeres Risiko,
auch langfristig arbeitslos zu sein als Menschen mit der gleichen Qualifikation
ohne Behinderungen. Wir streben einen inklusiven Arbeitsmarkt an, in dem
selbstverständlich Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam arbeiten wenn sie
dies wünschen. Wir streben eine faire Entlohnung für die Arbeit in den
Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) an. Für die konkrete Umsetzung
erwarten wir Impulse aus dem noch laufenden, bundesweiten Beteiligungsvorhaben
zur Entwicklung eines transparenten, nachhaltigen und zukunftsfähigen
Entgeltsystem in den WfbM. Die Angebote von Werkstätten für behinderte Menschen
(WfbM) werden wir stärker auf die Integration sowie die Begleitung von
Beschäftigungsverhältnissen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ausrichten. Darüber
hinaus entwickeln wir die Teilhabeangebote auch für diejenigen weiter, deren
Ziel nicht oder nicht nur die Teilhabe am Arbeitsleben ist.
Wir machen die Erfüllung der gesetzlichen Pflicht zur Beschäftigung
Schwerbehinderter zum notwendigen Kriterium bei der Vergabe öffentlicher
Aufträge. Für die Landesverwaltung streben wir an, deutlich mehr
schwerbehinderte Menschen als bisher zu beschäftigen. Gleichzeitig senken wir
die Hürden für Unternehmen, Menschen mit Behinderung einzustellen. Betriebe
erhalten Beratung, wie sie Stellen individuell für Bewerber*innen mit
Behinderung ‚zuschneiden‘ können. Wir erleichtern die Rahmenbedingungen für
„Inklusionsbetriebe“, fördern aktiv deren Gründung. Inklusionsbetriebe sind
Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes, die zwischen 30 und 50 Prozent
Menschen mit Behinderungen beschäftigen.
Für Personen, die ihre berufliche Qualifikation im Ausland erworben haben, soll
die Anerkennung ihrer Qualifikation unbürokratischer werden, etwa durch die
Anerkennung mehrsprachiger Zeugnisse.
Faire Arbeitsbedingungen stärken
Der Krankenpfleger und die Busfahrerin, der Supermarktverkäufer und die
Betonbauer*in – sie alle verdienen faire Arbeitsbedingungen und
Gesundheitsschutz. Wir reformieren die Vergabekriterien bei öffentlichen
Aufträgen so, dass nicht nur die Einhaltung des Mindestlohns, sondern auch
weitere soziale und ökologische Standards wie die Tarifbindung verpflichtend
werden. Damit konkurrieren die Unternehmen über die gute Qualität ihrer Produkte
und Dienstleistungen untereinander, nicht aber über niedrige Löhne. Das stärkt
NRW als nachhaltigen Wirtschaftsstandort. Dienstleistungsjobs in der
Landesverwaltung wie Reinigungskräfte und Pförtner*innen werden wir nicht weiter
outsourcen und so faire Arbeitsbedingungen garantieren. Arbeitsschutz-
Mindeststandards müssen auch für die EU-Arbeitnehmer*innen gelten, die auf den
Feldern, in den Fleischbetrieben oder der Logistik usw. in NRW arbeiten.
Gleichzeitig unterstützen wir die Arbeit der Einrichtungen der fairen Mobilität
in NRW. Wir verbessern den Arbeitsschutz durch mehr finanzielle und personelle
Ressourcen, um ausbeuterische Arbeitsverhältnisse zu bekämpfen. Arbeitsfreie
Sonntage sollen die Regel sein. Deshalb werden wir das Ladenöffnungsgesetz (LÖG
NRW) anpassen.
Die Arbeit der Zukunft passt zur Lebenssituation
Beruf und Lebenssituation müssen zusammenpassen. Wir helfen Unternehmen,
familien- und pflegefreundlich zu werden. Das Recht auf Homeoffice wird
unterstützt und in dezentralen „Co-Working Spaces“ können die Mitarbeiter*innen
einen wohnortnahen Arbeitsplatz außerhalb ihrer eigenen Wohnung einrichten und
lange Anfahrtszeiten zum Unternehmen einsparen. Wir unterstützen die Einführung
von Lebensarbeitszeitkonten und gehen selbst voran, indem wir sie für
Landesbeamt*innen umsetzen. Damit kann die Arbeitszeit in allen Lebensphasen
angepasst werden, so dass Mitarbeiter*innen zum Beispiel mehr Zeit haben, um
ihre Angehörigen zu pflegen. Ausbildung und Studium in Teilzeit erleichtern wir.
Viele fitte Senior*innen wollen weiterhin arbeiten, um sich sinnvoll zu
betätigen. Dies wollen wir ermöglichen und fördern.
Wir investieren in Gesundheit und Pflege
Gesundheitsprävention stärken
Prävention hält gesund und entlastet das Gesundheitssystem, wenn sie umfassend
in allen Politik- und Lebensbereichen umgesetzt wird. Wir geben deshalb dem
Sport, guter Ernährung und dem Gesundheitswissen einen größeren Stellenwert und
stärken den Öffentlichen Gesundheitsdienst. Wir legen Wert auf einen breiten
Impfschutz und unterstützen zielgruppengerechte Aufklärungskampagnen, z.B. zu
sexuell übertragbaren Krankheiten. Einsamkeit und Stress prägen den Alltag
vieler Menschen und gefährden ihre Gesundheit. Die frühe Vermittlung von
Kompetenzen zur psychischen Gesundheit wollen wir daher durch eine Kampagne
unterstützen. Zur Gesundheitsprävention gehört aber auch der Schutz des Klimas,
gesunde Atemluft sowie gesunde Ernährung und ausreichende Bewegung.
Gut versorgt in Stadt und Land: Vorfahrt für
Gesundheitsregionen
Unsere Ziele sind eine hohe Qualität, Verlässlichkeit und eine gute
Erreichbarkeit der Gesundheitseinrichtungen für alle Patient*innen. Gerade in
ländlichen, unterversorgten Regionen sichern wir die medizinische Versorgung
durch “Gesundheitsregionen” mit enger Anbindung an die Kommunen. Hier werden
ambulante und stationäre Angebote gemeinsam geplant. Kooperation und gute
Versorgung wollen wir belohnen. Die Kommunen können gemeinwohlorientierte,
interprofessionelle Gesundheits- und Pflegezentren errichten. Diese Initiativen
wollen wir als Modellprojekte fördern und damit die Zusammenarbeit der
verschiedenen Gesundheitsberufe stärken. Deutschlandweit fehlen gerade in
ländlichen Bereichen Krankenhäuser, die für Notfälle gebraucht werden.
Andererseits gibt es Krankenhäuser, die planbare, hochspezialisierte Eingriffe
so selten durchführen, dass sie mit der Qualität von spezialisierten Häusern mit
hohen Fallzahlen nicht mitkommen. Regionen müssen so versorgt sein, dass
Patient*innen im Notfall oder bei Beginn einer Geburt in kürzest möglicher Zeit
ein Krankenhaus erreichen können. Dabei können Krankenhäuser in öffentlicher
Hand eine wichtige Rolle spielen, weshalb wir weitere Privatisierungen ablehnen
und wenn möglich Krankenhäuser zurück in die öffentliche Hand überführen. Für
planbare, komplexere Eingriffe ist die Fahrzeit weniger ausschlaggebend.
Wichtiger ist es, dass eine durchgehend gute Qualität in der Versorgung
angeboten wird, die sowohl das subjektive Wohlbefinden von Patient*innen als
auch die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten umfasst. Wir planen die
Krankenhausversorgung so, dass sich die Krankenhäuser enger mit ambulanten
Einrichtungen wie Arztpraxen und anderen Therapie- und Pflegeangeboten oder
Rehabilitationseinrichtungen verbinden. Mittels patientenorientierter
Digitalisierung werden die Angebote besser vernetzt. Weiterhin wird beim (Um-
)Bau von Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäusern und Pflegeheimen der Hitze-
und Klimaschutz berücksichtigt.
Gesundheitsämter schützen uns alle: den Öffentlichen
Gesundheitsdienst stärken
Es ist das vorrangige Ziel aller Aktivitäten und Maßnahmen im Bereich
öffentlicher Gesundheit, Bedingungen zu schaffen, in denen möglichst alle
Menschen gesund leben können. Psychiatrische Hilfen und Hilfen für suchtkranke
Menschen sind zentrale Teilbereiche eines umfassenden Verständnisses des
Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD). Der ÖGD führt
Schuleingangsuntersuchungen durch, bietet Impfungen an und ist verantwortlich
für den Infektionsschutz. Die Mitarbeitenden im Gesundheitsamt koordinieren und
leisten psychosoziale Hilfen. Sie überwachen die Qualität des Trinkwassers,
beraten zu Lebensmittelhygiene und vieles andere mehr. Während der Corona-
Pandemie ist besonders deutlich geworden, wie wichtig der ÖGD ist. Er leidet
aber unter langjährigem Verwaltungsabbau, chronischer Unterfinanzierung und
Personalmangel. Das wollen wir ändern. Wir heben die finanziellen Mittel für den
ÖGD an und etablieren einen eigenständigen Tarif für das medizinische Personal.
Wir stärken die Verantwortung des Landeszentrums für Gesundheit Wir werden die
Strukturen zur Bekämpfung von Pandemien deutlich verbessern und dazu den
Pandemierahmenplan überarbeiten, damit dieser Mechanismen wie feste Krisenstäbe,
wissenschaftliche Beratung, die Einrichtung von Pandemieräten, regelmäßige
Anpassungen sowie viele präventive Maßnahmen enthält. Ein gestärkter
öffentlicher Gesundheitssektor wird die Funktionsfähigkeit von Meldesystemen,
die Bevorratung von Schutzmaterial und viele weitere Faktoren überwachen.Wir
ermöglichen eine gute digitale Ausstattung, einheitliche Standards und
Schnittstellenkompatibilität zur elektronischen Patientenakte. Durch
Nachwuchsprogramme in Kooperation zum Beispiel zwischen Hochschulen und
Ärztekammern lernen Studierende den ÖGD als Tätigkeitsfeld kennen. Ärztin und
Sozialpädagoge, Stadtplanerin und Gesundheitswissenschaftler: Zusammen sind sie
ein Team, das mit verschiedenen Perspektiven die Gesundheitsprävention
insbesondere für benachteiligte Gruppen verbessert.
Psychische Gesundheit verbessern
Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder in einer psychischen Krise
brauchen schnelle Hilfe, damit sich ihr Leid lindert. Schon seit mehreren Jahren
existieren Empfehlungen, wie Betroffene besser unterstützt und ihre
Menschenrechte gewahrt werden können. Wir setzen diese Empfehlungen des
„Landespsychiatrieplans“ endlich um! Dazu gehört es, die ambulante psychosoziale
und psychiatrische Krisenhilfe auszubauen, Wartezeiten zur ambulanten Behandlung
u. a. durch mehr psychotherapeutische Kassenzulassungen, die sich am
tatsächlichen Bedarf orientieren, zu verkürzen und Zwangseinweisungen in
psychiatrische Kliniken zu reduzieren. Digitale Bausteine wie Videosprechstunden
ergänzen die Angebote. Wir unterstützen ein gleichberechtigtes Miteinander von
Betroffenen, Angehörigen und Fachkräften und beziehen Menschen mit
Psychiatrieerfahrung und Behinderung in den Prozess mit ein und setzen uns für
eine Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen ein. Wir stärken die
Ausbildung von Psychotherapeut*innen und lehnen Rasterpsychotherapie ab.
Menschen mit psychischen Erkrankungen wollen wir die Übersicht über vorhandene
Therapie- und Hilfsangebote z.B. durch eine Informationsplattform in Kooperation
mit Kommunen und Kassenärztlichen Vereinigungen erleichtern.
Für eine inklusive und diskriminierungsfreie
Gesundheitsversorgung
Menschen in ärmeren Verhältnissen erkranken häufiger und sterben früher. Die
Gesundheitsversorgung von Menschen mit Behinderungen weist große Lücken auf.
Viele Geflüchtete, Obdachlose, Menschen ohne Papiere und manche EU-Zugewanderte
sind nicht krankenversichert. Eine angemessene Versorgung im Krankheitsfall
gehört jedoch zu den elementaren Menschenrechten. Deshalb wollen wir die
Kommunen dabei unterstützen, die Gesundheitsversorgung dieser Gruppen zu sichern
und den „anonymen Krankenschein“ einführen. Wir bauen die „Clearingstellen“
flächendeckend aus und sichern deren Finanzierung . Sie helfen, den
Krankenversicherungsstatus zu klären. Um Menschen mit Behinderungen besser zu
versorgen, entwickeln wir gemeinsam mit Fachleuten und Betroffenen einen
ressortübergreifenden Inklusionsplan, der Hürden im Gesundheitswesen abbaut und
die Inklusionsforschung stärkt. Wir machen verbindliche Vorgaben zur
Barrierefreiheit bei der Bedarfsplanung und sorgen für mehr Flexibilität und
Patient*innenorientierung bei Therapie- und Heilmittelversorgung.
Diskriminierende Strukturen und Praktiken im Gesundheitssystem untersuchen wir
systematisch, um Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Diskriminierungssensibilität soll
Teil der Aus-, Fort- und Weiterbildung in den medizinischen und
Gesundheitsberufen werden.
Geschlechtergerechte Gesundheitsversorgung und
Selbstbestimmung fördern
Diagnostik und Therapie sind in der Medizin noch immer auf einen männlichen
“Normkörper” ausgerichtet. Das hat Nachteile für alle, die dieser Norm nicht
entsprechen. So zeigen Frauen bei einem Herzinfarkt andere Symptome und andere
Immunreaktionen bei Impfungen als Männer. Dadurch werden Krankheiten zum Teil
nicht erkannt und behandelt. Manche Medikamente wirken anders – das kann
gefährlich werden. Trotzdem wird die Bedeutung des Geschlechts in vielen Studien
ignoriert. Bei Landesförderungen im Gesundheitsbereich berücksichtigen wir die
Geschlechterperspektive: So werden Daten in Studien oder Projekten
geschlechtergerecht erfasst und ausgewertet. In der Geburtshilfe stellen wir die
Bedürfnisse von Eltern und Kindern in den Mittelpunkt. In der Stadt und auf dem
Land muss eine gute Versorgung vor, während und nach der Geburt gewährleistet
werden. Wir fördern Hebammenkreißsäle und selbstständige Hebammen, die in
unterversorgten Gebieten im ländlichen Raum arbeiten möchten. Die
Arbeitsbedingungen in der Geburtshilfe müssen verbessert werden. Wir wollen das
Recht auf Selbstbestimmung stärken und freiwillige Beratungsangebote rund um
Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch ausbauen. Entscheidet eine Frau sich
für einen Abbruch, muss sie die Möglichkeit bekommen, diesen wohnortnah
durchführen zu lassen. Dazu gehört auch die Verankerung des Themas
Schwangerschaftsabbrüche in der medizinischen Aus-, Fort- und Weiterbildung.
Sexuelle Gesundheit ist komplex und oft mit Berührungsängsten verbunden. Deshalb
werden wir uns für interdisziplinäre Zentren für sexuelle Gesundheit einsetzen.
Diese sollen den gesamten Bereich der sexuellen Gesundheit abdecken, von der
Testung sexuell übertragbarer Krankheiten bis hin zu Beratungs- und
Bildungsangeboten, zum Beispiel über Schwangerschaft und
Schwangerschaftsabbrüche. Zur Bildung solcher Zentren sollen bereits bestehende
Strukturen genutzt werden. Die Zusammenarbeit von Kliniken, Aidshilfen, den
Gesundheitsämtern und anderen Initiativen, Vereinen und Verbänden, die sich
bereits mit sexueller Gesundheit beschäftigen, stärken wir durch eine
planungssichere staatliche Förderung.
Gute und bezahlbare Pflege mit besseren Arbeitsbedingungen
Selbstbestimmt leben und dennoch gut versorgt sein - das wünschen sich viele
Menschen im Alter. Pflege muss die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention
erfüllen, kultur- und LSBTIQ*-sensibel (LSBTIQ* steht für Lesben, Schwule,
Bisexuelle, Trans*-, Inter*- und queere Menschen) ausgerichtet sein. Das Angebot
ist aber vielfach noch geprägt durch Großheime. Anstatt sie weiter auszubauen,
setzen wir auf Alternativen wie Wohn- und Hausgemeinschaften mit einem
umfassenden Pflegeangebot und neuen Versorgungsformen im Quartier. Über den
Ausbau ambulanter Pflege sowie der Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflege und
Angebote wie Quartierstützpunkte oder Nachbarschaftszentren, sichern wir Pflege
rund um die Uhr ab. So entlasten wir auch pflegende Angehörige, die noch immer
den Großteil der Pflege und Unterstützung erbringen.
Wir wollen erreichen, dass möglichst viele Städte und Kreise ihre
Pflegeinfrastruktur mit der „verbindlichen Pflegebedarfsplanung“ im Interesse
der Bevölkerung gestalten, so dass vorrangig freigemeinnützige und kommunale
Träger berücksichtigt werden. Bisher geschieht der Ausbau von Pflegeplätzen zu
oft durch große Investoren, die in renditeträchtige Anlagen investieren. Von der
Bundesebene erwarten wir eine „doppelte Pflegegarantie“: Der Eigenanteil der
Pflegekosten - ambulant wie stationär - wird gedeckelt und dadurch planbar und
bezahlbar. Alle darüber hinaus entstehenden Pflegekosten für eine
bedarfsgerechte Versorgung übernimmt die Pflegeversicherung. Wir werden uns zur
Erreichung dieser Ziele aktiv in die bis 2023 abzuschließende Ausgestaltung der
Pflegeversicherung einbringen.Gute Pflege gelingt nur mit gut qualifiziertem
Personal, besseren Arbeitsbedingungen, einer angemessenen Bezahlung und mit
verbessertem Personalschlüssel für alle Berufsgruppen in der Pflege,
Hauswirtschaft und im Sozialen Dienst. Deshalb müssen wissenschaftlich
fundierte, verbindliche Personalbemessungsinstrumente in der stationären sowie
in der Langzeitpflege, vollumfänglich umgesetzt werden, um mehr Zeit für eine
ganzheitliche Versorgung schaffen. Wir bauen die Zahl der Ausbildungsplätze für
Fach- und Assistenzkräfte weiter aus. In NRW verbessern wir die Pflegeausbildung
auch dadurch, dass mehr Lehrkräfte die Auszubildenden unterrichten und die
Praxisanleitungen in den Betrieben gestärkt werden. Gemeinsam mit dem Bund
setzen wir auf die weitere Akademisierung in der Pflege, die mit einer echten
Übertragung von Aufgaben einhergehen muss. Zurzeit bauen engagierte Fachkräfte
die Pflegekammer auf. Ein Prozess der nur mit breiter Zustimmung und
demokratischer Legitimation Erfolg haben kann. Dabei müssen Kosten und Nutzen
durch echte Mitspracherechte in Einklang gebracht werden. Wir werden den Dialog
zwischen Pflegekammer, Gewerkschaften, Verbänden und anderen Berufskammern
unterstützen, um gemeinsam für bessere Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen zu
sorgen.
Drogen- und Suchtpolitik ohne Kriminalisierung
Eine moderne Drogen- und Suchtpolitik setzt weitestmöglich auf Selbstbestimmung,
klärt über Risiken auf und hilft substanzabhängigen Menschen, Schäden durch
riskanten Drogenkonsum zu reduzieren. Kinder und Jugendliche werden besonders
geschützt. Gerade die Cannabis-Verbotspolitik ist aber ungeeignet: Zurzeit
erhalten Kinder und Jugendliche Cannabis einfach auf dem Schwarzmarkt. Und
Erwachsene, die gelegentlich Cannabis konsumieren, werden bevormundet und
kriminalisiert. Sobald bundesgesetzliche Änderungen dies zulassen, werden wir in
NRW die kontrollierte Abgabe an volljährige Konsument*innen zügig und aktiv
begleiten. Ein besonderes Augenmerk legen wir neben klassischer Spielsucht auch
auf neuere Erscheinungsformen der Sucht, von denen besonders jüngere Menschen
betroffen sind, wie zum Beispiel Onlinesucht. Dabei müssen Jugend-, Suchthilfe
und Gesundheitssystem zielgruppenspezifisch kooperieren sowie Betroffene und
Angehörige einbeziehen. Die Therapieübergänge wollen wir verbessern. Wir
begegnen den rechtlichen Entwicklungen im “Gaming”-Sektor (digitale Spiele) wenn
notwendig mit Aufklärungskampagnen. Wir unterstützen die Städte und Kommunen
dabei, dass Suchtberatungsstellen und besonders Drogencafés und Konsumräume
weiterhin gefördert und deren Standorte gesichert bleiben, . Die
zielgruppenspezifischen Hilfeangebote und zielgruppenspezifischen Hilfeangebote
und Beratungsstrukturen stärken wir.
Wir haushalten verantwortungsbewusst und
investieren in unsere Zukunft
Verantwortungsbewusst haushalten
Nachhaltig wirtschaften heißt für uns, verantwortungsbewusst mit den uns zur
Verfügung stehenden Steuermitteln der Bürger*innen umzugehen, eine moderne und
leistungsfähige Verwaltung zu garantieren, den öffentlichen Besitz und die
Infrastruktur unseres Landes zu erhalten und in eine lebenswerte Zukunft zu
investieren. Wir wollen, dass alle finanzpolitischen Entscheidungen am 1,5-Grad-
Ziel sowie an den sozialen Folgen gemessen werden.
Der Großteil der Landeseinnahmen kommt aus Steuern, für deren gesetzliche
Ausgestaltung der Bund zuständig ist. Das Land hat nur wenig Spielraum für eine
Steuerung der eigenen Einnahmen. Gleichzeitig ist ein großer Posten – ca. ein
Drittel der Ausgaben –für die Löhne, Gehälter und Pensionen der
Landesbediensteten gebunden – in erster Linie für Lehrkräfte in den Schulen, für
Polizei, Justiz und Finanzverwaltung. Neben der Stärkung der Qualität unseres
öffentlichen Dienstes wollen wir vor allem die öffentlichen Investitionen in
eine zukunftsfähige Infrastruktur stärken. Das bedeutet auch, die überschuldeten
Kommunen mit einem Altschuldenfonds wieder in die Lage zu versetzen, diese
Investitionen eigenständig tätigen zu können. Zum jahrzehntelang aufgebauten
Investitionsstau kommen mindestens noch bis zum Jahr 2022 die Bewältigung der
finanziellen Folgen der Pandemie hinzu. Land und Kommunen werden weniger Steuern
einnehmen sowie corona-bedingte Mehrausgaben haben und gleichzeitig müssen die
negativen Folgen in Wirtschaft und Gesellschaft weiter abgefedert werden. Die
für solche Notlagen in der Schuldenbremse verankerte Ausnahmemöglichkeit wollen
wir mit dem bestehenden Rettungsschirm weiter nutzen und wenn nötig ausbauen, um
zielgerichtete und wirksame Hilfen auf den Weg zu bringen. Auch im
Landeshaushalt achten wir auf den Schutz des Klimas. Deshalb werden wir einen
Klimacheck auch für die Ausgaben des Landes einführen. Die Anlagen des Landes,
wie den Pensionsfonds und die „NRW.Bank“, richten wir weiterhin konsequent auf
nachhaltiges Investment und das 1,5-Grad-Ziel aus.
Nachhaltiger Investitionspakt für NRW
Wir werden mit einem Grünen Zukunftspakt NRW nachhaltige Investitionen stärken,
die Konjunkturimpulse mit der ökologisch-sozialen Transformation unseres Landes
verbinden. Die öffentliche Infrastruktur in NRW leidet unter einem massiven
Investitionsstau, besonders in den Städten und Gemeinden, die das aus eigener
Kraft nicht bewältigen können. Wir brauchen deutlich mehr Investitionen in die
Infrastruktur von morgen: bei den Bildungseinrichtungen, der Digitalisierung,
der Mobilitätswende, beim Klimaschutz und bei der Anpassung an die Klimafolgen.
Diese Zukunftsinvestitionen werden sich für künftige Generationen rechnen und
ihnen Spielräume und ihre Freiheit sichern. Deshalb werden wir die
verfassungsrechtlichen Spielräume der Schuldenbremse nutzen und neue Wege der
Finanzierung ausschließlich für Zukunftsinvestitionen außerhalb des
Landeshaushalts schaffen.
Solide Finanzen für lebenswerte Kommunen
Wir werden dafür sorgen, dass unsere Städte und Gemeinden wieder über Mittel
verfügen, um eigenständig in Bildung und Betreuung, lokale Mobilität und – vom
Radweg bis hin zum kommunalen Solarkraftwerk – in die kommunale Infrastruktur,
investieren zu können. Dazu werden wir einen Altschuldenfonds einrichten, um die
Gemeinden beim Schuldenabbau zu unterstützen. Damit die Kommunen Förderprogramme
abrufen können werden wir sie mit einem angemessen Anteil an den Kosten für das
Projektmanagement im Rahmen der förderfähigen Ausgaben unterstützen. Auch die
Steuerausfälle aus der Corona-Krise müssen solidarisch ausgeglichen werden.
Es hat sich leider eingespielt, dass aus Berlin und Düsseldorf immer neue
Aufgaben auf die Städte und Gemeinden übertragen werden. Gleichzeitig steigen
die gesellschaftlichen Herausforderungen und damit auch die Anforderungen an die
lokale Ebene. Allerdings bekommen die Kommunen nicht die Mittel zur Bewältigung
dieser Aufgaben. Wer bestellt, muss auch bezahlen oder wer eine Aufgabe
definiert, muss auch für die Finanzierung sorgen.
Gleichzeitig wollen wir ruinösem Steuerdumping entgegenwirken, bei dem Kommunen
sich gegenseitig Wirtschaftskraft streitig machen, ohne dass zusätzliche Impulse
für Innovationen oder neue Arbeitsplätze entstehen. Wir werden Anreize setzen,
damit Kommunen kooperieren und die Gewerbesteuer gemeinsam vereinnahmen können.
Die Gemeindefinanzierung regeln wir so, dass sie Steuer-Dumping unattraktiv
macht.
Wir wollen die kommunalen Förderprogramme bei der Antragstellung und Abrechnung
vereinfachen und sie stärker an Bedarf und Finanzkraft ausrichten.
Wir wollen bei der kommunalen Vergabepraxis den Aspekt der Nachhaltigkeit
stärken. Hierzu werden wir die rechtlichen Vorgaben anpassen. Zukünftig soll
neben der Wirtschaftlichkeit auch der Grad der ökologischen und sozialen
Nachhaltigkeit eines Angebots berücksichtigt werden.
Steuerhinterziehung und Steuerbetrug wirksam bekämpfen
Unserem Gemeinwesen gehen in ganz Deutschland jedes Jahr geschätzte 100
Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung verloren. Geld, das wir dringend für
gute Schulen und Zukunftsinvestitionen brauchen. Wir werden diesen Betrug
entschieden bekämpfen, indem wir die Finanzverwaltung und die Steuerfahndung
ausbauen und sie technisch und digital fit machen. Dazu gehört beispielsweise,
dass Meldestellen nach Baden-Württemberger Vorbild umfassend digitalisiert
werden. Wir werden die Ausbildungskapazitäten erweitern und im Wettbewerb um die
besten Köpfe die Attraktivität unserer Finanzverwaltung steigern.
Fördermittel effektiv für einen echten Wandel einsetzen
Auch die EU stellt große Mengen an Fördermitteln bereit, um die europäische
Wirtschaft bei ihrem Beitrag zur Erfüllung der Klimaziele zu unterstützen und um
diejenigen Regionen zu fördern, die besonders vom Strukturwandel betroffen sind.
Das sind in NRW nicht nur die Kohlereviere, sondern sämtliche Regionen, in denen
CO2-intensive Industrien beheimatet sind. Bei der Verteilung der europäischen
Fördermittel sind uns zwei Punkte besonders wichtig: Die Gelder der EU sind
nicht dazu gedacht, Löcher in den nationalen Haushalten zu stopfen. Sie sollen
stattdessen in neue Projekte und Unternehmungen fließen, Innovationen anstoßen
und damit einen zusätzlichen Nutzen zu den nationalen Programmen stiften.
Zweitens muss darauf geachtet werden, dass die geförderten Projekte auch
tatsächlich einen Beitrag zu wichtigen Zielen beim Klimaschutz, der Erhaltung
der Artenvielfalt und der Digitalisierung leisten.