| Veranstaltung: | Landesparteirat GRÜNE NRW Krefeld 16. November 2025 |
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| Tagesordnungspunkt: | 6. Verschiedenes |
| Antragsteller*in: | LAG Ökologie (dort beschlossen am: 30.09.2025) |
| Status: | Eingereicht |
| Eingereicht: | 30.10.2025, 20:54 |
V-01: Natur retten – EU-Wiederherstellungsverordnung ambitioniert in NRW umsetzen
Antragstext
Mit Inkrafttreten der EU-Wiederherstellungsverordnung (WVO, „Nature Restoration
Law“) im August 2024 ist ein echter Meilenstein im europäischen Naturschutz
erreicht worden. Erstmals ist die Wiederherstellung und Entwicklung
widerstandsfähiger Ökosysteme verbindlich als gemeinsames europäisches Ziel
festgesetzt worden. Die WVO verpflichtet alle Mitgliedstaaten, bis 2030 auf
mindestens 20% der Land- und Meeresflächen mit relevantem Sanierungsbedarf
wirksame Wiederherstellungsmaßnahmen umzusetzen. Bis 2050 soll der Zustand aller
degradierten Ökosysteme verbessert sein. In Europa befinden sich über 80% der
geschützten natürlichen Lebensräume in einem schlechten Zustand und auch in NRW
ist der Handlungsbedarf hoch, selbst in Naturschutz- und Natura-2000-Gebieten.
Trotzdem haben relevante Teile der deutschen Politik immer noch nicht
akzeptiert, dass sie es bei der WVO nunmehr mit geltendem Gesetz nach
demokratischer Willensbildung zu tun haben. Unermüdlich wird an der Umsetzung
der WVO gesägt. So unterzeichneten sämtliche CDU-Agrarminister der Länder einen
Brief an die EU-Kommission, in dem sie die vollständige Aufhebung der WVO
forderten – freilich ohne zu benennen, wie der voranschreitenden Zerstörung
unserer Natur auf anderem Wege Einhalt geboten werden soll. Die zuständige
Ministerin in Brandenburg (SPD), teilte rundheraus mit, sie werde das Gesetz
schlichtweg nicht umsetzen. Zuletzt hat Bundeslandwirtschaftsminister Alois
Rainer (CSU) das Durchführungsgesetz zur WVO im Kabinett gestoppt. Abgesehen von
dem mehr als befremdlichen Demokratieverständnis, das durch die wiederholten
Rufe nach Aufhebung gerade erst beschlossener Gesetze erkennbar wird, wird
deutlich, dass die Wiederherstellung unserer Natur nach wie vor auf politische
Unterstützung und eine ambitionierte Herangehensweise angewiesen ist.
Im Gegensatz zur Bundesregierung ist sich die Bevölkerung über den Wert einer
intakten Natur längst im Klaren: In einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des
NABU geben fast 85 % der Befragten an, die WVO und ihre Ziele zur Renaturierung
positiv zu sehen. Eine breite, parteiübergreifende Mehrheit der Menschen in
Deutschland fordert daher eine zügige und wirksame Umsetzung der WVO durch die
Politik.[1] Denn den meisten Menschen ist bewusst, wie wertvoll die Natur für
saubere Luft und Trinkwasser, Erholung und gute Lebensmittel ist. Nun gilt es,
endlich entsprechend zu handeln.
Die WVO ist als sektorenübergreifendes Instrument konzipiert, das nicht allein
dem Naturschutz, sondern wesentlichen politischen Zielen wie dem natürlichen
Klimaschutz, der Anpassung an den Klimawandel, einem verbesserten Wasserrückhalt
und Landschaftswasserhaushalt sowie der Ernährungssicherheit dienen soll. All
dies muss in einem nationalen Wiederherstellungsplan Berücksichtigung finden,
den die Bundesregierung bis Herbst 2026 bei der EU-Kommission einreichen muss.
NRW trägt aufgrund seiner Größe sowie seiner wirtschaftlichen und
agrarstrukturellen Bedeutung besondere Verantwortung für die nationale
Zielerreichung.
a) Rechtliche und fachliche Unsicherheiten: Die Definition geeigneter
Referenzwerte, die kartografische Erfassung der Zielräume und die Abstimmung mit
bestehenden Schutzprogrammen sind bislang unzureichend geklärt. Die
Landespolitik muss frühzeitig Sektor- und Ressortschnittstellen klären und
Synergien nutzen, etwa zwischen GAP, Natura-2000, Wasserrahmenrichtlinie und
Klimaschutzgesetz.
b) Finanzierung und Wirtschaftsanreize: Die bislang vorgesehenen Mittel aus
bestehenden EU- und Bundesprogrammen (GAP, LIFE, GAK, ANK) decken den
erheblichen Mehrbedarf nicht ab, der für eine wirksame Renaturierung notwendig
ist. NRW muss sich für einen eigenständigen Wiederherstellungsfonds und Anreize
für Landnutzer und Flächenbesitzer einsetzen, um die Akzeptanz und Beteiligung
zu fördern.
c) Bereitstellung von Flächen: Viele Maßnahmen konzentrieren sich auf die
bereits bestehenden Schutzgebiete, insbesondere das Natura-2000-Netz. Darüber
hinaus bedarf es einer Auswahl geeigneter Flächen, die gezielt aus der Nutzung
genommen werden, und Flächen entlang von Fließgewässern, die eine Renaturierung
ermöglichen.
Das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr NRW (MUNV) hat frühzeitig
begonnen, die Anforderungen der EU-Wiederherstellungsverordnung in die
Landespolitik zu integrieren. Es wurde eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe
eingesetzt, die die Umsetzung der WVO innerhalb der Landesregierung koordiniert.
Das MUNV begleitet die Erstellung des nationalen Wiederherstellungsplans aktiv
mit, indem es die erforderlichen Daten und Flächenkulissen an die
Bundesregierung übermittelt. Gleichzeitig entsteht so bereits ein erster
Überblick über die Räume, in denen in NRW Wiederherstellungsmaßnahmen prioritär
umgesetzt werden können und müssen. Die technische Koordination übernimmt das
Landesamt für Natur, Umwelt und Klima (LANUK), beispielsweise über die
Kartierung von Lebensraumtypen, die Bereitstellung von Monitoringdaten oder die
Entwicklung neuer Indikatoren für die Erfolgskontrolle.
Unabhängig von der WVO hat das MUNV seit Beginn der schwarz-grünen Koalition in
2022 eine Reihe von praktischen Verbesserungen im Naturschutz in NRW angestoßen.
So hat das LANUK eine Potenzialstudie zur Moor-Renaturierung in NRW vorgelegt,
auf dessen Grundlage eine Absichtserklärung mit Landnutzungsverbänden
unterzeichnet wurde. Der Naturschutzetat konnte trotz der äußerst angespannten
Haushaltslage stetig erhöht werden; besonders hervorzuheben ist dabei die
finanzielle Absicherung der Biologischen Stationen als zentrale
Naturschutzakteure in NRW. Der Vertragsnaturschutz erfreut sich großer
Beliebtheit bei den Landnutzern und die so bewirtschafteten Flächen können
perspektivisch auf 48.000 Hektar erweitert werden. Auch die
Wildnisentwicklungsgebiete in NRW werden erweitert: Die Wildnis in NRW soll um
rund 5.000 Hektar ungestörte Natur anwachsen, u.a. auch über eine Erweiterung
des Nationalpark Eifel, der sich als absolute Erfolgsgeschichte erwiesen hat.
Nicht zuletzt sorgen die sogenannten Umweltschecks auch im kleineren Maßstab für
ganz praktische Naturschutzarbeit vor Ort und fördern Projekte mit 2.000 Euro
vom Land. Diese und viele weitere Aktivitäten zeigen: NRW hat nicht nur das
buchstäblich natürliche Potenzial für echte Erfolge bei der Renaturierung,
sondern auch den politischen Willen und engagierte Interessenträger.
- Initiierung transdisziplinärer Reallabore in ausgewählten Lebensraumtypen,
um innovative und wissenschaftlich begleitete Umsetzungsprojekte zu
ermöglichen (z.B. Modelllandschaften feuchter Wiesen, Wildniszonen,
durchgängige und freifließende Gewässer, urbane Biodiversität oder
klimaresilienter Wälder durch das in Gründung befindliche Waldökologische
Institut).
Begründung
6. Begründung
Die Umsetzung der WVO ist ein zentraler Baustein für den Schutz der Biodiversität, den Klimaschutz und die Sicherung einer widerstandsfähigen, nachhaltigen Landnutzung in NRW. Sie trägt zur Einlösung internationaler und europäischer Verpflichtungen bei und setzt erstmals verbindliche und nachprüfbare Ziele. Die volkswirtschaftlichen Vorteile durch Renaturierung und Wiederherstellung von Ökosystemleistungen übersteigen die Investitionskosten deutlich. Nur mit klaren politischen Vorgaben, ausreichenden Finanzmitteln, sektorenübergreifender Kooperation, Einbindung privater Flächen und wirksamem Monitoring wird die Rettung unserer Natur gelingen.
Der Landesparteirat wird gebeten, die Landesregierung zur schnellen und ambitionierten Umsetzung aller WVO-Ziele aufzufordern, sich für eine angemessene Finanzierung und Beteiligung einzusetzen und die ressortübergreifende Verflechtung als Leitmotiv zu verfolgen.