| Veranstaltung: | Landesparteirat GRÜNE NRW Krefeld 16. November 2025 |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | 6. Verschiedenes |
| Status: | Beschluss |
| Beschluss durch: | Landesparteirat |
| Beschlossen am: | 16.11.2025 |
| Antragshistorie: | Version 2 |
Natur retten – EU-Wiederherstellungsverordnung in NRW ambitioniert umsetzen
Beschlusstext
Wer im Sommer durch eine blühende Wiese geht oder das Summen der Insekten hört,
spürt unmittelbar, wie wertvoll Natur ist. Sie ist kein schöner Luxus, sondern
das Fundament unseres Lebens. Sie schenkt uns sauberes Wasser, frische Luft,
gesunde Lebensmittel, Erholung und Schutz vor den Folgen der Klimakrise. Dieses
Fundament ist jedoch brüchig geworden: Über 80 Prozent der geschützten
Lebensräume in Europa befinden sich in einem schlechten Zustand. Auch in
Nordrhein-Westfalen haben wir viele entwässerte Moore, begradigte Flüsse,
ausgelaugte Böden und geschwächte Wälder.
Mit dem Inkrafttreten der EU-Wiederherstellungsverordnung (WVO, “Nature
Restoration Law”) im August 2024 hat Europa einen historischen Schritt getan.
Die EU hat die Wiederherstellung und Entwicklung widerstandsfähiger Ökosysteme
erstmals als verbindliches, gemeinsames Ziel festgelegt. Die WVO verpflichtet
alle Mitgliedstaaten, bis 2030 auf mindestens 20 Prozent der Flächen mit
Sanierungsbedarf wirksame Maßnahmen umzusetzen. Bis 2050 sollen alle
degradierten Ökosysteme in einen deutlich besseren Zustand kommen. Trotz
einzelner politischer Widerstände auf Bundes- und Länderebene steht die große
Mehrheit der Bevölkerung hinter dieser Zielsetzung: Rund 85 Prozent der Menschen
in Deutschland befürworten laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des
NABU die WVO und ihre Renaturierungsziele. Dieses klare Signal wollen wir in NRW
konsequent aufgreifen. Denn intakte Ökosysteme bilden die Grundlage unserer
Lebensqualität, unserer Ernährungssicherheit und unserer wirtschaftlichen
Zukunft.
Die EU hat die WVO bewusst als sektorenübergreifendes Instrument angelegt. Sie
schützt nicht nur die Artenvielfalt, sondern stärkt auch den natürlichen
Klimaschutz, die Anpassung an den Klimawandel, den Wasserrückhalt in der
Landschaft und die Ernährungssicherheit. NRW trägt aufgrund seiner Größe, seiner
wirtschaftlichen Bedeutung und seiner vielfältigen Landschaften eine besondere
Verantwortung für die nationale Zielerreichung.
Wir legen dabei einen Schwerpunkt auf die Wiedervernässung von Moorböden und den
Erhalt von Feuchtgebieten, weil sie gleichzeitig dem Klimaschutz, dem
Hochwasserschutz und einem gesunden Wasserhaushalt dienen.
Wir stärken strukturreiche, klimaresiliente Wälder mit heimischen Baumarten und
ausreichend Totholzanteil.
Wir setzen uns für die Renaturierung von Flussauen und die Verbesserung der
Durchgängigkeit von Gewässern ein, um Wasserqualität und Artenvielfalt zu
steigern.
Wir entwickeln artenreiche Agrarlandschaften weiter, insbesondere Lebensräume
für Feldvögel, Insekten und Bodenorganismen.
Gleichzeitig bauen wir einen landesweiten Biotopverbund mit funktionierenden
Wanderkorridoren auf und werten Stadtnatur gezielt auf, damit urbane Räume an
Lebensqualität, Klimaresilienz und Biodiversität gewinnen.
Damit wir die WVO ambitioniert umsetzen können, müssen wir einige
Herausforderungen bewältigen. Noch bestehen rechtliche und fachliche
Unsicherheiten, etwa bei der Festlegung geeigneter Referenzwerte, bei der
Erfassung der Zielräume oder bei der Abstimmung mit bestehenden
Schutzprogrammen. Deshalb schaffen wir in NRW frühzeitig eine enge
ressortübergreifende Zusammenarbeit und stimmen uns konsequent mit bestehenden
Programmen wie der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), Natura 2000, der
Wasserrahmenrichtlinie und dem Klimaschutzgesetz ab, um Synergien zu nutzen und
Doppelstrukturen zu vermeiden.
Auch die Finanzierung stellt uns vor große Aufgaben. Die bisherigen EU- und
Bundesmittel wie GAP, LIFE, GAK oder ANK reichen für eine umfassende
Wiederherstellung nicht aus. Unser Ziel ist es deshalb, verlässlichere und
eigenständige Finanzierungsinstrumente aufzubauen. In der Landesregierung ist es
uns gelungen, den Naturschutzetat deutlich zu steigern. Wir setzen uns für einen
Wiederherstellungsfonds ein und wollen gleichzeitig klare, attraktive Anreize
für Landnutzer*innen schaffen, damit sie sich aktiv beteiligen und von
Renaturierungsmaßnahmen profitieren. So stärken wir Beteiligung und Akzeptanz.
Für die Umsetzung brauchen wir ausreichend geeignete Flächen. Wir identifizieren
diese Flächen aktiv, arbeiten eng mit Kommunen, Verbänden, Eigentümer*innen und
Landnutzer*innen zusammen und entwickeln dafür Kooperationsmodelle, Flächenpools
und Anreizsysteme. Auf diese Weise sichern wir neue Flächen, ohne einseitig
Anforderungen “von oben” zu definieren.
Eine erfolgreiche Umsetzung gelingt nur, wenn wir alle relevanten Gruppen
frühzeitig einbinden. Wir suchen aktiv den Austausch mit der Land- und
Forstwirtschaft, mit Kommunen, Wasserwirtschaft, Naturschutzverbänden und der
Zivilgesellschaft. Durch transparenten Dialog und offene Beteiligungsprozesse
vermeiden wir Nutzungskonflikte, schaffen Vertrauen und ermöglichen Lösungen,
die vor Ort tragfähig sind.
Für die Erfolgskontrolle wollen wir ein landesweit integriertes Monitoring
aufbauen. Wir entwickeln belastbare Indikatoren für Biodiversität,
Wasserqualität, Klimaschutzwirkung und Landschaftszustand, erfassen diese Daten
regelmäßig und werten sie kontinuierlich aus. So können wir Fortschritte
sichtbar machen, aus Fehlern lernen und unsere Maßnahmen zielgerichtet
nachsteuern.
In NRW hat die Landespolitik bereits wichtige Grundlagen geschaffen, um die
Anforderungen der WVO zu erfüllen. Das Land hat unter unserem Umweltminister
Oliver Krischer eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe im Umweltministerium
(MUNV) eingerichtet, die an der Integration der WVO in die Landespolitik
arbeitet. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Klima (LANUK) kartiert
Lebensraumtypen, stellt Monitoringdaten bereit und entwickelt Indikatoren. Eine
Potenzialstudie zur Moorrenaturierung liefert die Basis für neue Kooperationen
mit Landnutzungsverbänden. Die Landesregierung hat den Naturschutzetat trotz
angespannter Haushaltslage gestärkt, die Biologischen Stationen langfristig
abgesichert, die Vertragsnaturschutzflächen auf bis zu 48.000 Hektar erweitert
und die Wildnisentwicklungsgebiete um rund 5.000 Hektar ausgebaut. Mit
Förderprogrammen wie den “Umweltschecks” ermöglicht das Land zudem
niedrigschwellige Naturschutzprojekte vor Ort. Diese Schritte zeigen:
NRW verfügt über wichtige Strukturen, engagierte Akteur*innen und politischen
Willen, um die WVO erfolgreich umzusetzen. Jetzt kommt es darauf an, diese
Ansätze gezielt auszubauen, stärker zu vernetzen und mit Entschlossenheit weiter
voranzutreiben.
Was wir für NRW erreichen wollen
- Politische Unterstützung stärken
Eine ambitionierte, zügige und
verbindliche Umsetzung der WVO in NRW wollen wir klar politisch
unterstützen und priorisieren.
- WVO-Ziele verankern
Die Ziele der WVO wollen wir konsequent in allen
relevanten Programmen, Strategien und Förderinstrumenten des Landes
berücksichtigen.
- Finanzierung sichern und Mittel gezielt auf Renaturierung ausrichten
Die
bisherigen EU- und Bundesmittel reichen für eine umfassende
Wiederherstellung nicht aus. Deshalb setzen wir uns auf Bundes- und EU-
Ebene dafür ein, dass Förderprogramme stärker auf Renaturierungsmaßnahmen
ausgerichtet werden. Gleichzeitig arbeiten wir darauf hin, dass
umweltschädliche Subventionen schrittweise abgebaut werden – insbesondere
in der Agrar- und Forstwirtschaft – und die dadurch freiwerdenden Mittel
vorrangig in konkrete Renaturierungsprojekte fließen. Unser Ziel ist es,
Landnutzer*innen mit attraktiven, verständlichen und verlässlichen
Anreizen zu unterstützen, damit Renaturierung und naturverträgliche
Bewirtschaftung ökonomisch tragfähig werden.
- Reallabore in Schutzgebieten stärken und Kooperationen ausbauen
In
Wildnisgebieten und landeseigenen Naturschutzgebieten wollen wir
Reallabore aufbauen, in denen Praxis und Wissenschaft gemeinsame Wege zur
ökologischen Wiederherstellung und Klimaanpassung entwickeln. Darüber
hinaus unterstützen wir Initiativen anderer Akteure – Kommunen, Verbände,
Stiftungen oder lokale Gruppen – durch Beratung, Vernetzung und
Kooperation, um zusätzliche Innovationsimpulse im ganzen Land zu
ermöglichen.
- Monitoring gezielt weiterentwickeln
Bestehende Monitoringstrukturen wollen
wir erweitern, verbessern und zielgerichteter einsetzen, damit sie die
Anforderungen der WVO umfassend abbilden. Monitoringmaßnahmen sollen
künftig häufiger stattfinden, um Veränderungen früher zu erkennen und
Maßnahmen schneller nachzusteuern.
- Frühzeitige Beteiligung sicherstellen
Wir setzen uns dafür ein, dass die
Landesregierung eine transparente, breite und frühzeitige
Öffentlichkeitsbeteiligung organisiert, um Vertrauen zu schaffen und
Konflikte zu minimieren. Synergien mit bestehenden Strategien – etwa dem
Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz, der Nationalen Strategie zur
biologischen Vielfalt oder der Nationalen Wasserstrategie – wollen wir
gezielt nutzen.
Darüber hinaus sollen Synergien mit bestehenden Strategien wie dem
Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz, der Nationalen Strategie zur
biologischen Vielfalt 2030, der Nationalen Wasserstrategie und der Waldstrategie
2050 konsequent genutzt werden.
Warum dieser Weg richtig und notwendig ist
Die Umsetzung der WVO ist ein zentraler Baustein für den Schutz der
Biodiversität, für wirksamen Klimaschutz und für eine widerstandsfähige,
nachhaltige Landnutzung in NRW. Sie schafft erstmals klare, verbindliche und
überprüfbare Ziele, an denen sich Fortschritte messen lassen. Ein
funktionierendes Netz aus Mooren, Wäldern, Gewässern, Feuchtgebieten und
artenreichen Agrarlandschaften trägt entscheidend dazu bei, die Folgen der
Klimakrise abzufedern, Lebensräume zu sichern und die ökologische Stabilität
unserer Regionen wiederherzustellen.
Intakte Ökosysteme sind zudem ein wesentlicher wirtschaftlicher Faktor:
Renaturierung verbessert den Hochwasserschutz, reduziert Erosions- und
Dürreschäden, erhöht die Wasserreinhaltung und stabilisiert
Bestäubungsleistungen – alles Leistungen, die Haushalte, Infrastruktur und
Betriebe langfristig entlasten. Diese ökologischen und ökonomischen Vorteile
entstehen dauerhaft, während Investitionen in Wiederherstellung oft nur einmalig
anfallen.
Darum setzen wir uns dafür ein, die WVO ambitioniert, zügig und verbindlich
umzusetzen. Der Erhalt und die Wiederherstellung unserer natürlichen
Lebensgrundlagen stärken nicht nur die biologische Vielfalt, sondern sind auch
ein zentraler Beitrag zur Ernährungssicherheit, zur Klimaanpassung und zu einer
resilienten wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes. Die Investitionen in
Natur zahlen sich vielfach aus – für unsere Gesellschaft, unsere Umwelt und für
kommende Generationen. Deshalb wollen wir diesen Weg konsequent, entschlossen
und gemeinsam weitergehen.